29.07.2024

Zum Schutz von Pauschalreisenden bei Insolvenz des Reiseveranstalters

Die Absicherung gegen die Insolvenz des Pauschalreiseveranstalters ist auch dann anwendbar, wenn der Reisende aufgrund unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände (hier: Pandemie) von der Reise zurücktritt.

EuGH v. 29.7.2024 - C-771/22 u.a.
Der Sachverhalt:
2020 traten die österreichischen und belgischen Kläger wegen der Covid-19-Pandemie von ihren Pauschalreisen nach Gran Canaria bzw. in die Dominikanische Republik zurück. Nach der Insolvenz ihrer Reiseveranstalter begehren sie von deren beklagten Versicherern die Erstattung der von ihnen getätigten Zahlungen.

Die Beklagten verweigerten die Erstattungen mit der Begründung, dass sie nur das Risiko versichert hätten, dass die Reise wegen der Insolvenz des Reiseveranstalters nicht durchgeführt werde. In den vorliegenden Fällen seien die Reisen aber nicht durchgeführt worden, weil die Reisenden von ihnen zurückgetreten seien. Der Veranstalter sei erst später insolvent geworden.

Die mit den Rechtssachen befassten Gerichte in Österreich und Belgien haben die Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt und um Auslegung der Richtlinie (EU) 2015/2302 über Pauschalreisen ersucht. Die Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass Reiseveranstalter Sicherheit für die Erstattung aller von Reisenden oder in deren Namen geleisteten Zahlungen leisten, sofern die betreffenden Leistungen infolge der Insolvenz des Reiseveranstalters nicht erbracht werden.

Die Gründe:
Die den Reisenden gewährte Absicherung gegen die Insolvenz des Pauschalreiseveranstalters ist auch dann anwendbar, wenn ein Reisender aufgrund unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände von seiner Reise zurücktritt und der Reiseveranstalter nach diesem Rücktritt insolvent wird. Es besteht insofern kein Grund, Reisende, deren Pauschalreise aufgrund der Insolvenz des Reiseveranstalters nicht durchgeführt werden kann, anders zu behandeln als Reisende, die aufgrund unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände von ihrer Reise zurückgetreten sind.

Die Richtlinie sieht insbesondere vor, dass der Reisende im Fall des Rücktritts aufgrund unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände Anspruch auf volle Erstattung aller für die Pauschalreise getätigten Zahlungen hat. Diesem Anspruch würde seine praktische Wirksamkeit genommen, wenn - sollte der Veranstalter nach diesem Rücktritt insolvent werden - die Absicherung gegen eine solche Insolvenz nicht die entsprechenden Erstattungsforderungen erfassen würde.

Mehr zum Thema:

Aufsatz
Die Entwicklungen des Pauschalreiserechts im Jahr 2022
Charlotte Achilles-Pujol, MDR 2023, 1077
MDR0058607

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EuGH PM Nr. 120 vom 29.7.2024
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