Zum Umlaufbeschluss in einer WEG
AG Charlottenburg v. 10.5.2023 - 75 C 10/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist als Eigentümerin Mitglied der Beklagten. Auf der Versammlung vom 26.9.2022 hatte die Gemeinschaft u.a. folgende Beschlussanträge angenommen:
Unter dem Tagesordnungspunkt 1:
"Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt, dass über die Nachschüsse bzw. Anpassungen der beschlossenen Vorschüsse aus den Einzelabrechnungen für das Jahr 2021 im Rahmen eines Umlaufbeschlusses beschlossen werden kann."
Unter dem Tagesordnungspunkt 5:
"Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt, dass über die Gesamt- und Einzelwirtschaftspläne für das Jahr 2021 im Rahmen eines Umlaufbeschlusses beschlossen werden kann."
Am 2.12.2022 übersandt die Verwalterin zu "TOP 1 Beschluss über die Jahresabrechnung 2021" und zu "TOP 5 Beschluss über den Wirtschaftsplan 2023" Beschlussanträge für Umlaufbeschlüsse. Am 12.1.2023 teilte die Verwalterin mit, dass unter "TOP 1 - Beschluss über die Jahresabrechnung 2021" und zu "TOP 02 (TOP 5) - Beschluss über den Wirtschaftsplan 2023" jeweils der Beschluss angenommen wurde. Dabei wurde festgehalten, dass es jeweils drei Stimmenenthaltungen und zudem auch Nein-Stimmen gab.
Die Klägerin rügte Beschlussmängel, insbesondere sei der Beschluss über die Jahresabrechnung 2021 nicht mit der erforderlichen Mehrheit zustande gekommen. Hinsichtlich des Beschlusses über den Wirtschaftsplan 2023 seien die in der Jahresabrechnung angesetzten Werte unzutreffend. Die Klägerin beantragte gerichtlich, die Umlaufbeschlüsse für ungültig zu erklären.
Das AG hat der Klage nur zum Teil stattgegeben.
Die Gründe:
Die Klägerin rügte zu Recht, dass der Beschluss nicht mit der erforderlichen Mehrheit zustande gekommen war. Der im Umlaufverfahren gefasste bloße Mehrheitsbeschluss genügte nicht den Anforderungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 WEG. Danach ist ein Beschluss auch ohne Versammlung gültig, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu diesem Beschluss in Textform erklären. Hieran fehlte es im vorliegenden Fall aber. Der angefochtene Beschluss war lediglich mehrheitlich bei Nein-Stimmen und Enthaltungen zustande gekommen.
Zwar können die Wohnungseigentümer ausnahmsweise beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt (§ 23 Abs. 3 Satz 2 WEG). Ein solch vorgelagerter Absenkungsbeschluss fehlte hier allerdings. Zwar hatte die Gemeinschaft in der Eigentümerversammlung vom 26.9.2022 beschlossen, dass über die Nachschüsse bzw. Anpassungen der beschlossenen Vorschüsse im Rahmen eines Umlaufbeschlusses beschlossen werden kann. Aus dieser Beschlussfassung ergab sich aber bei der allein gebotenen objektiv-normativen Auslegung in keiner Weise, dass die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügte.
Soweit teilweise vertreten wird, dass das zu erreichende Quorum in dem Absenkungsbeschluss nicht anzugeben sei, kann dem nicht gefolgt werden. Denn ohne Angabe, dass die Mehrheit der Stimmen ausnahmsweise genügt, verbleibt es nach der Gesetzessystematik bei dem Grundsatz des § 23 Abs. 3 Satz 1 WEG (Zustimmung aller Wohnungseigentümer). Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob dieser Beschlussmangel zur Nichtigkeit des Beschlusses führt. Denn sind die Fristen des § 45 Satz 1 WEG gewahrt, muss das Gericht lediglich prüfen, ob der vorgetragene Sachverhalt die Annahme eines Rechtsfehlers rechtfertigt, der den Bestand des angegriffenen Beschlusses berührt. Sofern dies der Fall ist, kann das Gericht den Beschluss auch für ungültig erklären; zwischen Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründen braucht insoweit nicht zwingend unterschieden zu werden.
Die Klage war jedoch unbegründet, soweit die Klägerin eine Ungültigerklärung des Umlaufbeschlusses über den Wirtschaftsplan 2023 begehrt hatte. Beschlüsse über die Festsetzung von Vorschüssen sind mit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes allein am Maßstab der ordnungsmäßigen Verwaltung zu messen. Insbesondere schreibt das Gesetz gerade nicht mehr vor, dass die Höhe der nach § 28 Abs. 1 WEG festzusetzenden Vorschüsse zwingend den im Wirtschaftsplan ermittelten anteiligen Beträgen entsprechen muss; erst Recht damit nicht der Jahresabrechnung. Ein Beschluss, mit dem zur Deckung voraussichtlich anfallender Kosten Vorschüsse festgelegt werden, genügt vor diesem Hintergrund daher auch dann noch den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn die Höhe der Beiträge für einzelne Wohnungseigentümer etwa wegen des Ansatzes eines möglicherweise fehlerhaften Verteilungsschlüssels geringfügig höher oder niedriger ausfällt als bei Ansatz eines zutreffenden Verteilungsschlüssels.
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Die Klägerin ist als Eigentümerin Mitglied der Beklagten. Auf der Versammlung vom 26.9.2022 hatte die Gemeinschaft u.a. folgende Beschlussanträge angenommen:
Unter dem Tagesordnungspunkt 1:
"Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt, dass über die Nachschüsse bzw. Anpassungen der beschlossenen Vorschüsse aus den Einzelabrechnungen für das Jahr 2021 im Rahmen eines Umlaufbeschlusses beschlossen werden kann."
Unter dem Tagesordnungspunkt 5:
"Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt, dass über die Gesamt- und Einzelwirtschaftspläne für das Jahr 2021 im Rahmen eines Umlaufbeschlusses beschlossen werden kann."
Am 2.12.2022 übersandt die Verwalterin zu "TOP 1 Beschluss über die Jahresabrechnung 2021" und zu "TOP 5 Beschluss über den Wirtschaftsplan 2023" Beschlussanträge für Umlaufbeschlüsse. Am 12.1.2023 teilte die Verwalterin mit, dass unter "TOP 1 - Beschluss über die Jahresabrechnung 2021" und zu "TOP 02 (TOP 5) - Beschluss über den Wirtschaftsplan 2023" jeweils der Beschluss angenommen wurde. Dabei wurde festgehalten, dass es jeweils drei Stimmenenthaltungen und zudem auch Nein-Stimmen gab.
Die Klägerin rügte Beschlussmängel, insbesondere sei der Beschluss über die Jahresabrechnung 2021 nicht mit der erforderlichen Mehrheit zustande gekommen. Hinsichtlich des Beschlusses über den Wirtschaftsplan 2023 seien die in der Jahresabrechnung angesetzten Werte unzutreffend. Die Klägerin beantragte gerichtlich, die Umlaufbeschlüsse für ungültig zu erklären.
Das AG hat der Klage nur zum Teil stattgegeben.
Die Gründe:
Die Klägerin rügte zu Recht, dass der Beschluss nicht mit der erforderlichen Mehrheit zustande gekommen war. Der im Umlaufverfahren gefasste bloße Mehrheitsbeschluss genügte nicht den Anforderungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 WEG. Danach ist ein Beschluss auch ohne Versammlung gültig, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu diesem Beschluss in Textform erklären. Hieran fehlte es im vorliegenden Fall aber. Der angefochtene Beschluss war lediglich mehrheitlich bei Nein-Stimmen und Enthaltungen zustande gekommen.
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Soweit teilweise vertreten wird, dass das zu erreichende Quorum in dem Absenkungsbeschluss nicht anzugeben sei, kann dem nicht gefolgt werden. Denn ohne Angabe, dass die Mehrheit der Stimmen ausnahmsweise genügt, verbleibt es nach der Gesetzessystematik bei dem Grundsatz des § 23 Abs. 3 Satz 1 WEG (Zustimmung aller Wohnungseigentümer). Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob dieser Beschlussmangel zur Nichtigkeit des Beschlusses führt. Denn sind die Fristen des § 45 Satz 1 WEG gewahrt, muss das Gericht lediglich prüfen, ob der vorgetragene Sachverhalt die Annahme eines Rechtsfehlers rechtfertigt, der den Bestand des angegriffenen Beschlusses berührt. Sofern dies der Fall ist, kann das Gericht den Beschluss auch für ungültig erklären; zwischen Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründen braucht insoweit nicht zwingend unterschieden zu werden.
Die Klage war jedoch unbegründet, soweit die Klägerin eine Ungültigerklärung des Umlaufbeschlusses über den Wirtschaftsplan 2023 begehrt hatte. Beschlüsse über die Festsetzung von Vorschüssen sind mit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes allein am Maßstab der ordnungsmäßigen Verwaltung zu messen. Insbesondere schreibt das Gesetz gerade nicht mehr vor, dass die Höhe der nach § 28 Abs. 1 WEG festzusetzenden Vorschüsse zwingend den im Wirtschaftsplan ermittelten anteiligen Beträgen entsprechen muss; erst Recht damit nicht der Jahresabrechnung. Ein Beschluss, mit dem zur Deckung voraussichtlich anfallender Kosten Vorschüsse festgelegt werden, genügt vor diesem Hintergrund daher auch dann noch den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn die Höhe der Beiträge für einzelne Wohnungseigentümer etwa wegen des Ansatzes eines möglicherweise fehlerhaften Verteilungsschlüssels geringfügig höher oder niedriger ausfällt als bei Ansatz eines zutreffenden Verteilungsschlüssels.
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