Zum unterhaltsrechtlichen Einkommenscharakter der Corona-Überbrückungshilfe III
OLG Bamberg v. 31.3.2022, 2 UF 23/22
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten 2003 geheiratet. Es war für beide die zweite Ehe. Gemeinsame Kinder gingen aus der Ehe nicht hervor. Seit dem 13.11.2017 lebten die Beteiligten getrennt, die Zustellung des Scheidungsantrags erfolgte am 23.10.2018. Die Scheidung ist am 2.3.2022 rechtskräftig geworden. Während der Ehe betrieb die Antragstellerin bis Anfang 2018 eine Gaststätte. Seitdem ist sie ohne eigene Einkünfte. Sie ist dauerhaft erwerbsunfähig und erhält Leistungen nach SGB II. Der Antragsgegner war während des Zusammenlebens als angestellter Koch in der Gaststätte der Antragstellerin tätig. Er führte dann in selbständiger Tätigkeit die zuvor von der Antragstellerin betriebene Gaststätte fort.
Die Antragstellerin hat erstinstanzlich im Wege der Stufenklage Getrenntlebensunterhaltsansprüche ab Oktober 2018 geltend gemacht, die sie nach Erledigung der Auskunftsstufe mit monatlich 792 € beziffert hat. Hierbei ist sie von monatlichen bereinigten Einkünften des Antragsgegners von 1.992 € ausgegangen. Der Antragsgegner ist der Zahlungspflicht entgegengetreten, wobei er auf pandemiebedingt gesunkene Einnahmen sowie zu berücksichtigende Zahlungen für Krankenversicherung und Altersvorsorge verwiesen hat. Der Gewinn des Jahres 2021 nur aufgrund einer Corona-Beihilfe (sog. Überbrückungshilfe III) i.H.v. 61.250 € erwirtschaftet worden, wobei über den endgültigen Verbleib beim Antragsgegner noch nicht abschließend entschieden sei.
Das AG hat den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin monatlichen Trennungsunterhalt i.H.v. 757 € im Zeitraum Oktober bis Dezember 2018 und i.H.v. 773,73 € von Januar bis Dezember 2019 zu zahlen. Im Übrigen hat es den Antrag abgewiesen. Das OLG hielt die Beschwerden der Beteiligten nur teilweise für begründet.
Die Gründe:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin gem. § 1361 BGB rückständigen Ehegattengetrenntlebensunterhalt für den Zeitraum 1.10.2018 bis 2.3.2022 i.H.v. 17.965,99 € zu zahlen. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
Einnahmen aus der Corona -Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen (Überbrückungshilfe III) sind gewinnerhöhend bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlichen Einkommens des Leistungsbeziehers zu berücksichtigen (in Abgrenzung zu OLG Frankfurt, Beschluss v. 26.4.2021, Az. 8 UF 28/20 für die in den ersten Monaten der Pandemie ausgezahlte Corona -Soforthilfe). Anders als Corona -Soforthilfen, die in den ersten Monaten der Pandemie als reine Billigkeitsleistung nicht an entgangene Umsätze anknüpften, sondern allein der Hilfe in existentieller Notlage dienten, bestimmt sich die Höhe des Überbrückungsgeldes III nach betrieblichen Kennzahlen zum Ausgleich erheblicher Umsatzausfälle. Der gesetzgeberische Zweck der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz erfasst nach Sinn und Zweck die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beihilfebeziehers und damit sekundär auch die wirtschaftlich von diesem abhängigen Unterhaltsberechtigten. Demgegenüber diente die Corona - Soforthilfe nicht dem Ersatz entgangener Umsätze und Gewinne.
Ausweislich der Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 3 EStG hätte der Antragsgegner ohne die Überbrückungshilfe im Jahr 2021 einen Verlust von 18.519,69 € erlitten. Durch die (steuerfreien) Betriebseinnahmen der Überbrückungshilfe III konnte er jedoch das Jahr mit einem Gewinn von 41.065,90 € abschließen. Dieser Gewinn lag damit höher als das Jahresergebnis der vor der Corona-Pandemie liegenden Jahre 2018 und 2019. Eine Nichtberücksichtigung der Überbrückungshilfe III bei der Gewinnermittlung würde vorliegend dazu führen, dass trotz objektiv höherer Leistungsfähigkeit und besseren wirtschaftlichen Verhältnissen des Unterhaltsberechtigten im Jahr 2021 kein Unterhaltsanspruch bestehen würde. Dieses ist offensichtlich unbillig. Vielmehr ist aufgrund der einnahmenersetzenden Wirkung des Überbrückungsgeldes III dieses als gewinnerhöhend anzusetzen.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist für den hier gegenständlichen, in der Vergangenheit liegenden Unterhaltszeitraum nicht von einem den gesamten Unterhaltszeitraum umfassenden Mehrjahresschnitt der Einkünfte des Unterhaltspflichtigen auszugehen. Maßgeblich bei nach Zeitabschnitten bestimmten rückständigem Unterhalt sind stets die in dieser Zeit tatsächlich erzielten Einkünfte, wobei zur Vereinfachung der Berechnung von einem Jahresdurchschnitt ausgegangen werden kann (vgl. BGH-Urt. v. 4.7.2007, Az. XII ZR 141/05). Dementsprechend hat der Senat die in den Jahren 2018 bis 2022 jeweils tatsächlich erzielten Einkünfte des Antragsgegners der Bestimmung des Unterhaltsanspruchs der Antragstellerin zugrunde gelegt.
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Bayern.Recht
Die Beteiligten 2003 geheiratet. Es war für beide die zweite Ehe. Gemeinsame Kinder gingen aus der Ehe nicht hervor. Seit dem 13.11.2017 lebten die Beteiligten getrennt, die Zustellung des Scheidungsantrags erfolgte am 23.10.2018. Die Scheidung ist am 2.3.2022 rechtskräftig geworden. Während der Ehe betrieb die Antragstellerin bis Anfang 2018 eine Gaststätte. Seitdem ist sie ohne eigene Einkünfte. Sie ist dauerhaft erwerbsunfähig und erhält Leistungen nach SGB II. Der Antragsgegner war während des Zusammenlebens als angestellter Koch in der Gaststätte der Antragstellerin tätig. Er führte dann in selbständiger Tätigkeit die zuvor von der Antragstellerin betriebene Gaststätte fort.
Die Antragstellerin hat erstinstanzlich im Wege der Stufenklage Getrenntlebensunterhaltsansprüche ab Oktober 2018 geltend gemacht, die sie nach Erledigung der Auskunftsstufe mit monatlich 792 € beziffert hat. Hierbei ist sie von monatlichen bereinigten Einkünften des Antragsgegners von 1.992 € ausgegangen. Der Antragsgegner ist der Zahlungspflicht entgegengetreten, wobei er auf pandemiebedingt gesunkene Einnahmen sowie zu berücksichtigende Zahlungen für Krankenversicherung und Altersvorsorge verwiesen hat. Der Gewinn des Jahres 2021 nur aufgrund einer Corona-Beihilfe (sog. Überbrückungshilfe III) i.H.v. 61.250 € erwirtschaftet worden, wobei über den endgültigen Verbleib beim Antragsgegner noch nicht abschließend entschieden sei.
Das AG hat den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin monatlichen Trennungsunterhalt i.H.v. 757 € im Zeitraum Oktober bis Dezember 2018 und i.H.v. 773,73 € von Januar bis Dezember 2019 zu zahlen. Im Übrigen hat es den Antrag abgewiesen. Das OLG hielt die Beschwerden der Beteiligten nur teilweise für begründet.
Die Gründe:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin gem. § 1361 BGB rückständigen Ehegattengetrenntlebensunterhalt für den Zeitraum 1.10.2018 bis 2.3.2022 i.H.v. 17.965,99 € zu zahlen. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
Einnahmen aus der Corona -Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen (Überbrückungshilfe III) sind gewinnerhöhend bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlichen Einkommens des Leistungsbeziehers zu berücksichtigen (in Abgrenzung zu OLG Frankfurt, Beschluss v. 26.4.2021, Az. 8 UF 28/20 für die in den ersten Monaten der Pandemie ausgezahlte Corona -Soforthilfe). Anders als Corona -Soforthilfen, die in den ersten Monaten der Pandemie als reine Billigkeitsleistung nicht an entgangene Umsätze anknüpften, sondern allein der Hilfe in existentieller Notlage dienten, bestimmt sich die Höhe des Überbrückungsgeldes III nach betrieblichen Kennzahlen zum Ausgleich erheblicher Umsatzausfälle. Der gesetzgeberische Zweck der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz erfasst nach Sinn und Zweck die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beihilfebeziehers und damit sekundär auch die wirtschaftlich von diesem abhängigen Unterhaltsberechtigten. Demgegenüber diente die Corona - Soforthilfe nicht dem Ersatz entgangener Umsätze und Gewinne.
Ausweislich der Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 3 EStG hätte der Antragsgegner ohne die Überbrückungshilfe im Jahr 2021 einen Verlust von 18.519,69 € erlitten. Durch die (steuerfreien) Betriebseinnahmen der Überbrückungshilfe III konnte er jedoch das Jahr mit einem Gewinn von 41.065,90 € abschließen. Dieser Gewinn lag damit höher als das Jahresergebnis der vor der Corona-Pandemie liegenden Jahre 2018 und 2019. Eine Nichtberücksichtigung der Überbrückungshilfe III bei der Gewinnermittlung würde vorliegend dazu führen, dass trotz objektiv höherer Leistungsfähigkeit und besseren wirtschaftlichen Verhältnissen des Unterhaltsberechtigten im Jahr 2021 kein Unterhaltsanspruch bestehen würde. Dieses ist offensichtlich unbillig. Vielmehr ist aufgrund der einnahmenersetzenden Wirkung des Überbrückungsgeldes III dieses als gewinnerhöhend anzusetzen.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist für den hier gegenständlichen, in der Vergangenheit liegenden Unterhaltszeitraum nicht von einem den gesamten Unterhaltszeitraum umfassenden Mehrjahresschnitt der Einkünfte des Unterhaltspflichtigen auszugehen. Maßgeblich bei nach Zeitabschnitten bestimmten rückständigem Unterhalt sind stets die in dieser Zeit tatsächlich erzielten Einkünfte, wobei zur Vereinfachung der Berechnung von einem Jahresdurchschnitt ausgegangen werden kann (vgl. BGH-Urt. v. 4.7.2007, Az. XII ZR 141/05). Dementsprechend hat der Senat die in den Jahren 2018 bis 2022 jeweils tatsächlich erzielten Einkünfte des Antragsgegners der Bestimmung des Unterhaltsanspruchs der Antragstellerin zugrunde gelegt.
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