Zur Abgrenzung von sonstigen Familiensachen zu allgemeinen Zivilsachen
BGH v. 21.2.2024 - XII ZR 41/22
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute. Sie streiten um die Verteilung des Erlöses aus dem Verkauf einer Immobilie. Die Beteiligten schlossen im Dezember 2013 die Ehe. Im Oktober 2014 übertrug der Antragsteller der Antragsgegnerin ein ihm gehörendes und mit kreditsichernden Grundschulden zugunsten der G. Bank belastetes Hausgrundstück, das den Beteiligten in der Ehezeit als Familienheim diente. Zugleich wurde dem Antragsteller neben einem lebenslänglichen dinglich gesicherten Wohnrecht auch ein mit einer Rückauflassungsvormerkung gesicherter Widerrufsvorbehalt u.a. für den Fall eingeräumt, dass die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betrieben wird.
Die G. Bank kündigte mit Schreiben vom 31.7.2018 die gesicherten Kredite und leitete als Grundpfandrechtsgläubigerin im September 2018 die Zwangsvollstreckung ein. Die Antragsgegnerin veräußerte das Hausgrundstück im März 2019 freihändig unter Mitwirkung des Antragstellers, der auf seine dinglich gesicherten Rechte verzichtete. Der bei dem Verkauf nach Abzug der Verbindlichkeiten gegenüber der G. Bank erzielte und der Antragsgegnerin gutgeschriebene Resterlös betrug rd. 149.000 €. Die Beteiligten trennten sich im Dezember 2019 und sind seit April 2021 rechtskräftig geschieden.
Das LG gab dem im Januar 2020 anhängig gemachten und auf Auskehrung des gesamten Resterlöses gerichteten Zahlungsverlangen des Antragstellers vollumfänglich statt. Das OLG änderte das Urteil des LG ab, gab der Klage nur teilweise statt und verpflichtete die Antragsgegnerin (lediglich) zur Zahlung von rd. 38.000 € an den Antragsteller. Der beim Grundstücksverkauf erzielte Resterlös stehe beiden Beteiligten jeweils zur Hälfte zu (rd. 74.000 €) und der Antragsteller sei wegen einer Forderungspfändung i.H.v. rd. 36.000 € nicht mehr aktivlegitimiert. Der Antragsteller nimmt die Zurückweisung seines Antrages mangels Aktivlegitimation hin und wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Oberlandesgericht, soweit sein Antrag i.H.v. weiteren rd. 74.000 € abgewiesen wurde.
Die Beschwerde hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Beschwerde ist nicht statthaft. Die Vorinstanzen haben die Sache zu Unrecht als allgemeine Zivilsache und nicht als Familiensache behandelt. In Familiensachen ist ein Rechtsmittel gegen die zweitinstanzliche Entscheidung nur gegeben, wenn es, was vorliegend nicht der Fall ist, in dieser Entscheidung zugelassen wurde (§ 70 Abs. 1 FamFG). Eine Nichtzulassungsbeschwerde sieht das Gesetz nicht vor. Auch der Meistbegünstigungsgrundsatz kann eine Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht begründen.
Bei dem bisher als Zivilsache behandelten Verfahren handelt es sich um eine sonstige Familiensache nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG. Gem. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG sind sonstige Familiensachen Verfahren, die Ansprüche zwischen miteinander verheirateten oder ehemals miteinander verheirateten Personen oder zwischen einer solchen und einem Elternteil im Zusammenhang mit Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe betreffen, sofern nicht die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben ist oder das Verfahren eines der in § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. a bis k ZPO genannten Sachgebiete, das Wohnungseigentumsrecht oder das Erbrecht betrifft und sofern es sich nicht bereits nach anderen Vorschriften um eine Familiensache handelt.
Mit § 266 FamFG hat der Gesetzgeber den Zuständigkeitsbereich der Familiengerichte deutlich erweitert ("Großes Familiengericht"). Damit sollten bestimmte Zivilrechtsstreitigkeiten, die eine besondere Nähe zu familienrechtlich geregelten Rechtsverhältnissen aufweisen oder die in engem Zusammenhang mit der Auflösung eines solchen Rechtsverhältnisses stehen, ebenfalls Familiensachen werden. Ordnungskriterium dabei ist nach der Gesetzesbegründung allein die Sachnähe des Familiengerichts zum Verfahrensgegenstand. Im Interesse aller Beteiligten soll es dem Familiengericht möglich sein, alle durch den sozialen Verband von Ehe und Familie sachlich verbundenen Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden.
In den Fällen des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG muss ein Zusammenhang mit Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe bestehen. Ein inhaltlicher Zusammenhang liegt vor, wenn das Verfahren vor allem die wirtschaftliche Entflechtung der (vormaligen) Ehegatten betrifft. Bei dieser Prüfung sind nicht nur die tatsächlichen und rechtlichen Verbindungen, sondern ist auch der zeitliche Ablauf zu berücksichtigen. Dabei ist im Hinblick auf die gewünschte möglichst umfassende Zuständigkeit der Familiengerichte für die Beurteilung, ob ein Zusammenhang mit der Beendigung der ehelichen Gemeinschaft besteht, generell ein großzügiger Maßstab anzulegen. Auszuscheiden sind nur die Fälle, in denen ein vorhandener familienrechtlicher Bezug völlig untergeordnet ist, so dass eine Entscheidung durch das Familiengericht sachfremd erscheint.
Gemessen daran ist hier vom Vorliegen einer sonstigen Familiensache i.S.d. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG auszugehen. Das Verfahren steht nicht nur in einem hier sogar unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der kurz vor seiner Einleitung erfolgten Trennung und der im Laufe des Verfahrens eingetretenen Rechtskraft der Scheidung der Eheleute. Auch inhaltlich stellt es sich als Begleiterscheinung der Beendigung der Ehe der Beteiligten dar. Der Antragsteller verfolgt mit seinem Antrag das Ziel, die während der Ehezeit vorgenommene und aufgrund der Ehe mit der Antragsgegnerin erfolgte Übertragung des Eigentums an seinem Hausgrundstück zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht rückgängig zu machen. Diese Streitigkeit über die Rückabwicklung der während der Ehezeit vorgenommenen Vermögensverschiebung auf die Antragsgegnerin kann vom Scheitern der Ehe und der sich daraus ergebenden Frage, wie die in Bezug auf die Rechtsverhältnisse an dem ehemaligen Familienheim bestehende wirtschaftliche Verflechtung der beiden Ehegatten aufzulösen ist, nicht getrennt werden.
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BGH online
Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute. Sie streiten um die Verteilung des Erlöses aus dem Verkauf einer Immobilie. Die Beteiligten schlossen im Dezember 2013 die Ehe. Im Oktober 2014 übertrug der Antragsteller der Antragsgegnerin ein ihm gehörendes und mit kreditsichernden Grundschulden zugunsten der G. Bank belastetes Hausgrundstück, das den Beteiligten in der Ehezeit als Familienheim diente. Zugleich wurde dem Antragsteller neben einem lebenslänglichen dinglich gesicherten Wohnrecht auch ein mit einer Rückauflassungsvormerkung gesicherter Widerrufsvorbehalt u.a. für den Fall eingeräumt, dass die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betrieben wird.
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