Zur Annahme der Erbschaft durch schlüssiges Verhalten
OLG München v. 22.12.2021, 31 Wx 487/19
Der Sachverhalt:
Der Erblasser war in einziger Ehe mit der Beteiligten zu 1) verheiratet. Die Ehe war kinderlos. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind die Eltern des Erblassers. Diese hatten am 4.7.2018 ein mit "Nachlassverfügung mit Haftungserklärung" überschriebenes Formular der Sparkasse unterzeichnet. Am 23.8.2018 schlugen sie zur Niederschrift des Nachlassgerichts die Erbschaft aus.
Mit Antrag vom 12.12.2018 beantragte die Beteiligte zu 1) einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge, wonach sie selbst den Erblasser zu 3/4 und die Beteiligten zu 2) und 3) zu jeweils 1/8 beerben. Sie vertrat unter Bezugnahme auf die Würdigung des Nachlassgerichts betreffend das Sparkassenformular die Auffassung, dass die Beteiligten zu 2) und 3) mit der Unterzeichnung des Formulars die Erbschaft bereits angenommen hatten.
Mit Schreiben vom 12.12.2018 erklärten die Beteiligten zu 2) und 3) die Anfechtung der Annahme der Erbschaft sowie der Versäumung der Ausschlagungsfrist. Sie führten darin u.a. aus, dass die Unterschrift auf dem Formular deswegen erfolgte, weil sie andernfalls von der Sparkasse keine Auskunft über die Konten ihres Sohnes erhalten hätten. Ihnen sei nicht bekannt gewesen, dass sie durch die Unterzeichnung des Formblattes die Erbschaft angenommen hätten. Insofern hätten sie sich in einem Rechtsfolgenirrtum befunden.
Die Beschwerden waren vor dem OLG erfolgreich.
Die Gründe:
Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) bildet die erstrebte Erbfolge nicht zutreffend ab, sodass die Entscheidung des Nachlassgerichts keinen Bestand haben kann.
Die Voraussetzungen für die Erteilung des von der Beteiligten zu 1) beantragten Erbscheins liegen nicht vor. Da die Beteiligten zu 2) und 3) die Erbschaft form- und fristgerecht i.S.d. §§ 1944, 1945 BGB ausgeschlagen haben, sind sie nicht gesetzliche Erben nach dem Erblasser geworden. Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts war deren Ausschlagungsrecht gem. § 1943 BGB nicht deswegen ausgeschlossen, weil sie die Erbschaft bereits durch die Unterzeichnung der "Nachlassverfügung mit Haftungserklärung" vom 4.7.2018 i.S.d. § 1943 BGB angenommen hatten.
Die Annahme durch schlüssiges Verhalten (pro herede gestio) setzt eine nach außen erkennbare Handlung des Erben voraus, aus der unter Berücksichtigung aller Umstände der Schluss zu ziehen ist, der Erbe habe sich zur endgültigen Übernahme des Nachlasses entschieden. Im Hinblick darauf, dass die Annahme ohnehin spätestens mit Ablauf der Ausschlagungsfrist eintritt und diese im Regelfall relativ kurz bemessen ist, vertritt die h.M. in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung, dass die Annahme der Erbschaft durch schlüssiges Verhalten im Zweifel nur zurückhaltend zu bejahen sein sollte, zumal auch dem vorläufigen Erben, der sein Ausschlagungsrecht noch nicht verlieren möchte, die Verwaltung des Nachlasses zusteht. Demgemäß bringen Maßnahmen, die zur Sicherung oder Erhaltung des Nachlasses notwendig sind, wie auch eine Auskunftsklage gegen den Testamentsvollstrecker über den Bestand des Nachlasses keine Annahme zum Ausdruck, wenn es darum geht, die nötigen Informationen für die Entscheidung über Annahme oder Ausschlagung zu erhalten.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze liegt in der Unterzeichnung der von der Sparkasse vorgelegten "Nachlassverfügung mit Haftungserklärung" betreffend den Erblasser am 4.7.2018 durch die Beteiligten zu 2) und 3) keine schlüssig erklärte Annahme der Erbschaft i.S.d. § 1943 BGB. Die "Nachlassverfügung mit Haftungserklärung" wurde von der Sparkasse der Beteiligten zu 1) sowie den Beschwerdeführern zur Unterschrift vorgelegt und dient der Haftungsfreistellung der Bank für den Fall, dass etwaige Auszahlungen an die Unterzeichnenden ohne Vorlage eines Erbscheins sich im Nachhinein als Leistungen an Nichtberechtigte erweisen, da diese tatsächlich nicht Erben des Erblassers sind. Dieses Formular dient somit vorrangig dem Sicherungsinteresse der Bank und begründet einen Haftungsrückgriff zu Lasten der Unterzeichnenden.
In dem Formular findet sich zwar nach Aufführung der bei der Bank geführten Girokonten und Sparkonten des Erblassers ein standardisierte Text. Daraus ist aber allein noch nicht der Schluss zu ziehen, dass die Beschwerdeführer mit ihrer Unterschrift endgültig (!) die Rechtsnachfolge des Erblassers in wirtschaftlicher Hinsicht antreten wollten. Denn im Anschluss an diesen standardisierten Text findet sich ein Zusatz, der sich im Hinblick auf die Schriftgröße und den Inhalt als eine in das Formular gesondert eingefügte Individualabrede darstellt.
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Bayern.Recht
Der Erblasser war in einziger Ehe mit der Beteiligten zu 1) verheiratet. Die Ehe war kinderlos. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind die Eltern des Erblassers. Diese hatten am 4.7.2018 ein mit "Nachlassverfügung mit Haftungserklärung" überschriebenes Formular der Sparkasse unterzeichnet. Am 23.8.2018 schlugen sie zur Niederschrift des Nachlassgerichts die Erbschaft aus.
Mit Antrag vom 12.12.2018 beantragte die Beteiligte zu 1) einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge, wonach sie selbst den Erblasser zu 3/4 und die Beteiligten zu 2) und 3) zu jeweils 1/8 beerben. Sie vertrat unter Bezugnahme auf die Würdigung des Nachlassgerichts betreffend das Sparkassenformular die Auffassung, dass die Beteiligten zu 2) und 3) mit der Unterzeichnung des Formulars die Erbschaft bereits angenommen hatten.
Mit Schreiben vom 12.12.2018 erklärten die Beteiligten zu 2) und 3) die Anfechtung der Annahme der Erbschaft sowie der Versäumung der Ausschlagungsfrist. Sie führten darin u.a. aus, dass die Unterschrift auf dem Formular deswegen erfolgte, weil sie andernfalls von der Sparkasse keine Auskunft über die Konten ihres Sohnes erhalten hätten. Ihnen sei nicht bekannt gewesen, dass sie durch die Unterzeichnung des Formblattes die Erbschaft angenommen hätten. Insofern hätten sie sich in einem Rechtsfolgenirrtum befunden.
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Die Gründe:
Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) bildet die erstrebte Erbfolge nicht zutreffend ab, sodass die Entscheidung des Nachlassgerichts keinen Bestand haben kann.
Die Voraussetzungen für die Erteilung des von der Beteiligten zu 1) beantragten Erbscheins liegen nicht vor. Da die Beteiligten zu 2) und 3) die Erbschaft form- und fristgerecht i.S.d. §§ 1944, 1945 BGB ausgeschlagen haben, sind sie nicht gesetzliche Erben nach dem Erblasser geworden. Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts war deren Ausschlagungsrecht gem. § 1943 BGB nicht deswegen ausgeschlossen, weil sie die Erbschaft bereits durch die Unterzeichnung der "Nachlassverfügung mit Haftungserklärung" vom 4.7.2018 i.S.d. § 1943 BGB angenommen hatten.
Die Annahme durch schlüssiges Verhalten (pro herede gestio) setzt eine nach außen erkennbare Handlung des Erben voraus, aus der unter Berücksichtigung aller Umstände der Schluss zu ziehen ist, der Erbe habe sich zur endgültigen Übernahme des Nachlasses entschieden. Im Hinblick darauf, dass die Annahme ohnehin spätestens mit Ablauf der Ausschlagungsfrist eintritt und diese im Regelfall relativ kurz bemessen ist, vertritt die h.M. in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung, dass die Annahme der Erbschaft durch schlüssiges Verhalten im Zweifel nur zurückhaltend zu bejahen sein sollte, zumal auch dem vorläufigen Erben, der sein Ausschlagungsrecht noch nicht verlieren möchte, die Verwaltung des Nachlasses zusteht. Demgemäß bringen Maßnahmen, die zur Sicherung oder Erhaltung des Nachlasses notwendig sind, wie auch eine Auskunftsklage gegen den Testamentsvollstrecker über den Bestand des Nachlasses keine Annahme zum Ausdruck, wenn es darum geht, die nötigen Informationen für die Entscheidung über Annahme oder Ausschlagung zu erhalten.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze liegt in der Unterzeichnung der von der Sparkasse vorgelegten "Nachlassverfügung mit Haftungserklärung" betreffend den Erblasser am 4.7.2018 durch die Beteiligten zu 2) und 3) keine schlüssig erklärte Annahme der Erbschaft i.S.d. § 1943 BGB. Die "Nachlassverfügung mit Haftungserklärung" wurde von der Sparkasse der Beteiligten zu 1) sowie den Beschwerdeführern zur Unterschrift vorgelegt und dient der Haftungsfreistellung der Bank für den Fall, dass etwaige Auszahlungen an die Unterzeichnenden ohne Vorlage eines Erbscheins sich im Nachhinein als Leistungen an Nichtberechtigte erweisen, da diese tatsächlich nicht Erben des Erblassers sind. Dieses Formular dient somit vorrangig dem Sicherungsinteresse der Bank und begründet einen Haftungsrückgriff zu Lasten der Unterzeichnenden.
In dem Formular findet sich zwar nach Aufführung der bei der Bank geführten Girokonten und Sparkonten des Erblassers ein standardisierte Text. Daraus ist aber allein noch nicht der Schluss zu ziehen, dass die Beschwerdeführer mit ihrer Unterschrift endgültig (!) die Rechtsnachfolge des Erblassers in wirtschaftlicher Hinsicht antreten wollten. Denn im Anschluss an diesen standardisierten Text findet sich ein Zusatz, der sich im Hinblick auf die Schriftgröße und den Inhalt als eine in das Formular gesondert eingefügte Individualabrede darstellt.
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