21.05.2024

Zur Berichtigung eines Beschlusses des Insolvenzgerichts über die Bestellung eines Sondersachwalters

Das Amt eines Sondersachwalters endet mit der Aufhebung der Eigenverwaltung. Eine Bestellung des bisherigen Sondersachwalters zum Sonderinsolvenzverwalter erfordert auch dann eine ausdrückliche Bestellung durch das Insolvenzgericht, wenn das Insolvenzgericht den bisherigen Sachwalter zum Insolvenzverwalter bestellt.

BGH v. 25.4.2024 - IX ZB 23/23
Der Sachverhalt:
Über das Vermögen der A. G. GmbH (Schuldnerin) wurde auf ihren Eigenantrag vom 9.9.2014 am 5.3.2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Zugleich bestellte das Insolvenzgericht den weiteren Beteiligten zu 1) zum Insolvenzverwalter. Die Schuldnerin nahm im Rahmen eines Konzerns die Funktion einer Holdinggesellschaft wahr und war alleinige Gesellschafterin der A. GmbH (Gläubigerin), über deren Vermögen das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet wurde. Der Beteiligte zu 1) wurde insoweit zum Sachwalter bestellt. Die Gläubigerin meldete im Insolvenzverfahren der Schuldnerin eine Forderung i.H.v. rd. 6,2 Mio. € aus einem anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch wegen Zahlungen auf Gesellschafterdarlehen zur Tabelle an. Das AG- Insolvenzgericht - bestellte insoweit im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin einen Sonderinsolvenzverwalter mit dem Aufgabenbereich der Prüfung der Forderung. Die Forderung wurde i.H.v. rd. 5,7 Mio. € zur laufenden Nummer 10 der Tabelle festgestellt.

Nach einem Telefonat mit einem Rechtsanwalt aus dem Büro des Beteiligten zu 1) am 7.12.2015 bestellte das AG mit Beschluss vom gleichen Tag den weiteren Beteiligten zu 2) für den Gläubiger der Forderung Nr. 10 der Tabelle zum Sondersachwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gläubigerin mit der Aufgabe, das Stimmrecht für die Gläubigerin der vorgenannten Forderung in den zukünftigen besonderen Gläubigerversammlungen im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin auszuüben. Der Beschluss nannte im Rubrum die Schuldnerin und das Aktenzeichen des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Der Beteiligte zu 2) nahm als Sondersachwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gläubigerin an den Gläubigerversammlungen der Schuldnerin am 8.12.2015, am 28.12.2015 und am 5.1.2016 teil.

Am 1.7.2016 hob das AG die Eigenverwaltung in dem die Gläubigerin betreffenden Verfahren auf. Der Beteiligte zu 1) wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Eine Bestellung des Beteiligten zu 2) zum Sonderinsolvenzverwalter erfolgte nicht. Gleichwohl nahm dieser für die Gläubigerin an der Gläubigerversammlung der Schuldnerin vom 5.10.2016 und an der für den 3.9.2021 im schriftlichen Verfahren anberaumten Gläubigerversammlung teil. Der Beteiligte zu 2) beantragte im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin die Festsetzung seiner Vergütung für die Tätigkeit als Sondersachwalter und Sonderinsolvenzverwalter der Gläubigerin auf rd. 56.000 €.

Das AG lehnte die Festsetzung einer Vergütung für den Zeitraum nach Aufhebung der Eigenverwaltung mit Beschluss vom 8.9.2022 ab. Die Vergütung bis zu diesem Zeitpunkt setzte es mit Beschluss vom 14.9.2022 auf rd. 10.500 € fest. Das LG wies die hiergegen gerichteten Beschwerden des Beteiligten zu 2) zurück. Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2) hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das LG hat zutreffend angenommen, dass dem Beteiligten zu 2) für seine Tätigkeit als Vertreter der Gläubigerin in Gläubigerversammlungen über das Vermögen der Schuldnerin kein Vergütungsanspruch als Sondersachwalter in dem die Schuldnerin betreffenden Insolvenzverfahren zusteht. Unabhängig davon fehlt es für die Tätigkeit des Beteiligten zu 2) in der Zeit nach Aufhebung der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gläubigerin bereits an einer wirksamen Bestellung zum Sonderinsolvenzverwalter.

Für die Zeit bis zur Aufhebung der Eigenverwaltung ist der Beteiligte zu 2) wirksam zum Sondersachwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gläubigerin bestellt worden. Seinen deshalb dem Grunde nach bestehenden Vergütungsanspruch kann er daher nur in jenem Verfahren geltend machen. Im Ausgangspunkt hat der Sondersachverwalter einen Vergütungsanspruch entsprechend § 63 Abs. 1 Satz 1 InsO. Entsprechend § 64 Abs. 1 InsO setzt das Insolvenzgericht die ihm zustehende Vergütung und die zu erstattenden Auslagen fest. Nach § 274 Abs. 1 InsO sind die genannten Bestimmungen auf den Sachwalter anzuwenden. Sie gelten darüber hinaus entsprechend auch für den Sondersachwalter.

Der Beteiligte zu 2) ist wirksam zum Sondersachwalter in dem in Eigenverwaltung geführten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gläubigerin mit der Aufgabe bestellt worden, das Stimmrecht wegen der zur Tabelle festgestellten Forderung der Gläubigerin aus §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 Satz 2 InsO in den zukünftigen besonderen Gläubigerversammlungen im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin auszuüben. Die Bestellung des Beteiligten zu 2) zum Sondersachwalter erfolgte im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gläubigerin und mit Wirkung für dieses Insolvenzverfahren. Dem steht nicht entgegen, dass der Beschluss des AG vom 7.12.2015 das Aktenzeichen des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin trägt und als betroffenes Insolvenzverfahren das über das Vermögen der Schuldnerin nennt. Es handelt sich um eine offenbare Unrichtigkeit, die der Senat gem. § 319 Abs. 1 ZPO von Amts wegen dahin berichtigen kann, dass der Beschluss in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der A. GmbH zum Aktenzeichen des Insolvenzgerichts ergangen ist.

Für die Zeit nach Aufhebung der Eigenverwaltung am 1.7.2016 fehlt es überdies bereits deshalb an einer Rechtsgrundlage für einen Vergütungsanspruch, weil der Beteiligte zu 2 nicht zum Sonderinsolvenzverwalter bestellt worden ist. Der Umstand, dass er nach diesem Zeitpunkt gleichwohl als Vertreter der Gläubigerin in Gläubigerversammlungen der Schuldnerin aufgetreten ist und ihn zudem das Insolvenzgericht in dem Protokoll einer am 3.9.2021 im schriftlichen Verfahren durchgeführten Gläubigerversammlung der Schuldnerin ausdrücklich als Sonderinsolvenzverwalter bezeichnet hat, ist unerheblich. Das Amt des Sondersachwalters endet mit der Aufhebung der Eigenverwaltung. Mit der Aufhebung der Eigenverwaltung wird das Insolvenzverfahren als Regelinsolvenzverfahren fortgeführt, so dass ein Insolvenzverwalter zu bestellen ist. Demgemäß endet das Amt des Sachwalters. Dies gilt in gleicher Weise für den Sondersachwalter, dessen Bestellung im Hinblick auf die Verhinderung des Sachwalters erfolgt ist.

Allein die - nach § 272 Abs. 3 InsO mögliche - Bestellung des Sachwalters zum Insolvenzverwalter führt nicht dazu, dass die während der Eigenverwaltung erfolgte Bestellung eines Sondersachwalters stillschweigend als Bestellung zum Sonderinsolvenzverwalter wirkt. Für die Bestellung des Insolvenzverwalters nach Aufhebung der Eigenverwaltung gilt § 56 InsO. Diese Bestimmung ist auch bei Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters maßgeblich. § 56 InsO verlangt einen förmlichen Bestellungsakt. § 56 Abs. 2 Satz 1 InsO verdeutlicht dies, wonach der Verwalter eine Urkunde über seine erfolgte Bestellung erhält. Die Erfordernisse der Klarheit und Sicherheit des Rechtsverkehrs schließen eine stillschweigende oder konkludente Bestellung des bisherigen Sondersachwalters zum Sonderinsolvenzverwalter aus. Eine ausdrückliche Bestellung des bisherigen Sondersachwalters zum Sonderinsolvenzverwalter ist daher auch dann erforderlich, wenn das Insolvenzgericht den bisherigen Sachwalter zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | InsO
§ 56 Bestellung des Insolvenzverwalters
Riedel in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 11. Aufl. 2023

Kommentierung | InsO
§ 272 Aufhebung der Anordnung
Brünkmans in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 11. Aufl. 2023

Kommentierung | InsO
§ 274 Rechtsstellung des Sachwalters
Brünkmans in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 11. Aufl. 2023

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