Zur Bindungswirkung der Bestimmung über den Geburtsnamen eines Kindes für früher geborene Geschwisterkinder
BGH v. 21.9.2022 - XII ZB 504/21
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des Sohnes F, geboren im August 2014, und der Tochter J, geboren im Oktober 2018. Für F war im Zeitpunkt seiner Geburt zunächst seine Mutter, die Beteiligte zu 1), allein sorgeberechtigt, deren Namen er auch als Geburtsnamen erhielt. Nach der Geburt des zweiten Kindes J vereinbarten die Beteiligten zu 1) und 2) am 5.11.2018 in notarieller Form das gemeinsame Sorgerecht für diese und wählten als ihren Geburtsnamen den Namen des Vaters. Am 19.12.2019 trafen sie eine weitere notarielle Vereinbarung über das gemeinsame Sorgerecht für den Erstgeborenen F, ohne seinen Geburtsnamen neu zu bestimmen. Durch Folgebeurkundung vom 27.1.2020 trug das Standesamt auch für F den Namen des Vaters als Geburtsnamen ein.
Auf den Antrag der Beteiligten zu 1) vom 16.3.2020 ordnete das AG an, den Geburtseintrag für F dahin zu berichtigen, dass die Folgebeurkundung vom 27.1.2020 für gegenstandslos erklärt wird. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) hatte vor dem KG ebenso wenig Erfolg wie die vorliegende Rechtsbeschwerde vor dem BGH.
Die Gründe:
Das KG hat zu Recht entschieden, der Geburtseintrag für F sei dahin zu berichtigen, dass die Folgebeurkundung vom 27.1.2020 gegenstandslos ist. Die Berichtigung eines abgeschlossenen Registereintrags gem. §§ 47, 48 PStG setzt eine von Anfang an bestehende Unrichtigkeit voraus. Die Folgebeurkundung vom 27.1.2020 war von Anfang an unrichtig, weil der Geburtsname des Kindes F nicht als Folge der am 19.12.2019 getroffenen Vereinbarung über das gemeinsame Sorgerecht für ihn geändert war.
Nach §§ 1617 b Abs. 1 Satz 4, 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB gilt die Bestimmung über den Geburtsnamen eines Kindes nach der Begründung der gemeinsamen Sorge auch für die weiteren Kinder. Diese erwerben im Moment der Begründung des gemeinsamen Sorgerechts für sie den Geburtsnamen des ersten Geschwisterkinds kraft Gesetzes. Dabei ist allerdings der Begriff der "weiteren Kinder" in § 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB, auf die sich die Bindung erstreckt, insofern mehrdeutig, als er entweder "sonstige Kinder" oder "später geborene Kinder" bedeuten kann. Der Begriff ist aus der früheren Vorschrift des § 1616 Abs. 2 Satz 3 BGB wörtlich übernommen worden. Die frühere Regelung meinte nur "nachgeborene" bzw. "künftige" Kinder, da sich der Geburtsname bereits geborener Kinder im Falle eines nachträglich bestimmten Ehenamens nach einer anderen Vorschrift richtete, nämlich nach § 1616 a Abs. 1 BGB a.F. Ohne hieran anzuknüpfen wird in der Rechtsliteratur überwiegend vertreten, dass die Vorschrift zwar auch für ältere Geschwister gelte, aber für diese Kinder keine Durchbrechung eines bereits erfolgten Namenserwerbs rechtfertige. Teilweise wird allerdings weitergehend auch der hier gegebene Fall eines nachträglich begründeten gemeinsamen Sorgerechts für das früher geborene Kind in die Bindungswirkung des § 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB einbezogen
Die vorstehende Rechtsfrage bedarf hingegen keiner abschließenden Entscheidung, denn die für J getroffene Namensbestimmung ist für F als Geschwisterkind jedenfalls deshalb nicht nachträglich wirksam geworden, weil er im Zeitpunkt der Begründung des gemeinsamen Sorgerechts für ihn bereits fünf Jahre alt war und sich deshalb der Namensbestimmung hätte anschließen müssen, woran es fehlt. Nach §§ 1617 b Abs. 1 Satz 3 und 4, 1617 c Abs. 1 BGB kann die durch Begründung des gemeinsamen Sorgerechts erfolgende Namensneubestimmung ohne eine Anschließung des Kindes nur dann automatisch erfolgen, wenn das Kind zu dem Zeitpunkt, in dem die Neubestimmung wirksam werden soll, das fünfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Dieser Regelung liegt zugrunde, dass der Name eines Menschen, der Ausdruck der Identität sowie Individualität des Namensträgers ist, nach ständiger BVerfG-Rechtsprechung durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 GG geschützt ist. Auch wenn es kein uneingeschränktes Recht auf Beibehaltung eines bisher geführten Namens gibt, kann der Namensträger doch grundsätzlich verlangen, dass die Rechtsordnung seinen Namen respektiert und eine Namensänderung nicht ohne gewichtigen Grund und nur unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit fordert.
Aufseiten des Namensträgers ist bei dieser Abwägung insbesondere zu berücksichtigen, ob sich im Vertrauen auf die Beständigkeit der Namensführung bereits eine schutzwürdige soziale Identität mit dem bislang geführten Namen bilden konnte. Dem trägt das Gesetz in typisierender Weise durch die ab Vollendung des fünften Lebensjahres greifenden Anschließungs- und Einwilligungsregelungen der §§ 1617 a Abs. 2 Satz 2, 1617 b Abs. 1 Satz 3, 1617 c Abs. 1 und 2, 1618 Satz 3, 1757 Abs. 2 Satz 2 BGB Rechnung. Nach Vollendung des fünften Lebensjahres lernt das Kind nämlich typischerweise seinen vollständigen Namen zu schreiben, erhält es Zeugnisse und Bescheinigungen mit Vor- und Familiennamen und identifiziert sich deshalb zunehmend nicht nur mit seinem Vornamen, sondern auch mit seinem Familiennamen. Mangels der erforderlichen Anschließung, die vor Vollendung des 14. Lebensjahres beide Sorgeberechtigten gemeinsam als gesetzliche Vertreter für das Kind zu erklären haben (§ 1617 c Abs. 1 BGB), konnte die Namensänderung nicht für F wirksam werden und war die Nachbeurkundung unrichtig.
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Aufsatz:
Rechtswahl und ordre public: Möglichkeiten und Grenzen im Internationalen Namensrecht
Silvia Deuring, FamRZ 2022, 1669
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BGH online
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des Sohnes F, geboren im August 2014, und der Tochter J, geboren im Oktober 2018. Für F war im Zeitpunkt seiner Geburt zunächst seine Mutter, die Beteiligte zu 1), allein sorgeberechtigt, deren Namen er auch als Geburtsnamen erhielt. Nach der Geburt des zweiten Kindes J vereinbarten die Beteiligten zu 1) und 2) am 5.11.2018 in notarieller Form das gemeinsame Sorgerecht für diese und wählten als ihren Geburtsnamen den Namen des Vaters. Am 19.12.2019 trafen sie eine weitere notarielle Vereinbarung über das gemeinsame Sorgerecht für den Erstgeborenen F, ohne seinen Geburtsnamen neu zu bestimmen. Durch Folgebeurkundung vom 27.1.2020 trug das Standesamt auch für F den Namen des Vaters als Geburtsnamen ein.
Auf den Antrag der Beteiligten zu 1) vom 16.3.2020 ordnete das AG an, den Geburtseintrag für F dahin zu berichtigen, dass die Folgebeurkundung vom 27.1.2020 für gegenstandslos erklärt wird. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) hatte vor dem KG ebenso wenig Erfolg wie die vorliegende Rechtsbeschwerde vor dem BGH.
Die Gründe:
Das KG hat zu Recht entschieden, der Geburtseintrag für F sei dahin zu berichtigen, dass die Folgebeurkundung vom 27.1.2020 gegenstandslos ist. Die Berichtigung eines abgeschlossenen Registereintrags gem. §§ 47, 48 PStG setzt eine von Anfang an bestehende Unrichtigkeit voraus. Die Folgebeurkundung vom 27.1.2020 war von Anfang an unrichtig, weil der Geburtsname des Kindes F nicht als Folge der am 19.12.2019 getroffenen Vereinbarung über das gemeinsame Sorgerecht für ihn geändert war.
Nach §§ 1617 b Abs. 1 Satz 4, 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB gilt die Bestimmung über den Geburtsnamen eines Kindes nach der Begründung der gemeinsamen Sorge auch für die weiteren Kinder. Diese erwerben im Moment der Begründung des gemeinsamen Sorgerechts für sie den Geburtsnamen des ersten Geschwisterkinds kraft Gesetzes. Dabei ist allerdings der Begriff der "weiteren Kinder" in § 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB, auf die sich die Bindung erstreckt, insofern mehrdeutig, als er entweder "sonstige Kinder" oder "später geborene Kinder" bedeuten kann. Der Begriff ist aus der früheren Vorschrift des § 1616 Abs. 2 Satz 3 BGB wörtlich übernommen worden. Die frühere Regelung meinte nur "nachgeborene" bzw. "künftige" Kinder, da sich der Geburtsname bereits geborener Kinder im Falle eines nachträglich bestimmten Ehenamens nach einer anderen Vorschrift richtete, nämlich nach § 1616 a Abs. 1 BGB a.F. Ohne hieran anzuknüpfen wird in der Rechtsliteratur überwiegend vertreten, dass die Vorschrift zwar auch für ältere Geschwister gelte, aber für diese Kinder keine Durchbrechung eines bereits erfolgten Namenserwerbs rechtfertige. Teilweise wird allerdings weitergehend auch der hier gegebene Fall eines nachträglich begründeten gemeinsamen Sorgerechts für das früher geborene Kind in die Bindungswirkung des § 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB einbezogen
Die vorstehende Rechtsfrage bedarf hingegen keiner abschließenden Entscheidung, denn die für J getroffene Namensbestimmung ist für F als Geschwisterkind jedenfalls deshalb nicht nachträglich wirksam geworden, weil er im Zeitpunkt der Begründung des gemeinsamen Sorgerechts für ihn bereits fünf Jahre alt war und sich deshalb der Namensbestimmung hätte anschließen müssen, woran es fehlt. Nach §§ 1617 b Abs. 1 Satz 3 und 4, 1617 c Abs. 1 BGB kann die durch Begründung des gemeinsamen Sorgerechts erfolgende Namensneubestimmung ohne eine Anschließung des Kindes nur dann automatisch erfolgen, wenn das Kind zu dem Zeitpunkt, in dem die Neubestimmung wirksam werden soll, das fünfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Dieser Regelung liegt zugrunde, dass der Name eines Menschen, der Ausdruck der Identität sowie Individualität des Namensträgers ist, nach ständiger BVerfG-Rechtsprechung durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 GG geschützt ist. Auch wenn es kein uneingeschränktes Recht auf Beibehaltung eines bisher geführten Namens gibt, kann der Namensträger doch grundsätzlich verlangen, dass die Rechtsordnung seinen Namen respektiert und eine Namensänderung nicht ohne gewichtigen Grund und nur unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit fordert.
Aufseiten des Namensträgers ist bei dieser Abwägung insbesondere zu berücksichtigen, ob sich im Vertrauen auf die Beständigkeit der Namensführung bereits eine schutzwürdige soziale Identität mit dem bislang geführten Namen bilden konnte. Dem trägt das Gesetz in typisierender Weise durch die ab Vollendung des fünften Lebensjahres greifenden Anschließungs- und Einwilligungsregelungen der §§ 1617 a Abs. 2 Satz 2, 1617 b Abs. 1 Satz 3, 1617 c Abs. 1 und 2, 1618 Satz 3, 1757 Abs. 2 Satz 2 BGB Rechnung. Nach Vollendung des fünften Lebensjahres lernt das Kind nämlich typischerweise seinen vollständigen Namen zu schreiben, erhält es Zeugnisse und Bescheinigungen mit Vor- und Familiennamen und identifiziert sich deshalb zunehmend nicht nur mit seinem Vornamen, sondern auch mit seinem Familiennamen. Mangels der erforderlichen Anschließung, die vor Vollendung des 14. Lebensjahres beide Sorgeberechtigten gemeinsam als gesetzliche Vertreter für das Kind zu erklären haben (§ 1617 c Abs. 1 BGB), konnte die Namensänderung nicht für F wirksam werden und war die Nachbeurkundung unrichtig.
Aufsatz:
Rechtswahl und ordre public: Möglichkeiten und Grenzen im Internationalen Namensrecht
Silvia Deuring, FamRZ 2022, 1669
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