02.09.2024

Zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des bei der Abrechnung eines Totalschadens zu berücksichtigenden Restwertes des Unfallfahrzeugs

Macht ein Leasingnehmer nach einem Verkehrsunfall einen an dem Leasingfahrzeug entstandenen Sachschaden allein als fremden Schaden des Leasinggebers in gewillkürter Prozessstandschaft gegenüber dem Unfallgegner geltend, sind im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Leasinggebers maßgeblich.

BGH v. 2.7.2024 - VI ZR 211/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin verlangt von dem beklagten Haftpflichtversicherer weiteren Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall. Bei diesem erlitt ein von der Klägerin geleaster und zum Zeitpunkt des Unfalls im Eigentum der Leasinggeberin stehender Pkw einen Totalschaden. Die volle Haftung der Beklagten für den Unfallschaden steht dem Grunde nach außer Streit.

Die Klägerin beauftragte einen Sachverständigen, der den Wiederbeschaffungswert des Unfallfahrzeugs und unter Berücksichtigung von drei Angeboten regionaler Ankäufer am 10.10.2019 einen Restwert von 13.800 € ermittelte. Die Klägerin gab dies der Beklagten zur Kenntnis. Spätestens am 23.10.2019 legte die Beklagte der Klägerin ein über eine Internet-Restwertbörse ermitteltes Restwertangebot vom 21.10.2019 über 22.999 € vor und rechnete den Fahrzeugschaden - unter Übernahme des von der Klägerin angegebenen Wiederbeschaffungswertes - auf dieser Basis ab. Die Klägerin lehnte das Angebot unter Hinweis auf eine bereits am 22.10.2019 zu dem in dem von ihr eingeholten Schadensgutachten ermittelten Restwert erfolgte Veräußerung des Unfallwagens ab. Mit ihrer Klage begehrt sie den Differenzbetrag zwischen dem von der Beklagten angesetzten Restwert und dem tatsächlich erzielten Verkaufserlös, also 9.199 €, nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Das LG gab der Klage vollumfänglich statt. Das OLG wies die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob für das streitgegenständliche Fahrzeug auch bei Abruf von Angeboten überregionaler Ankäufer bzw. von Internet-Restwertbörsen kein höherer Restwert als 13.800 € zu erzielen gewesen sei, ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG ist zu Recht davon ausgegangen, dass nach diesen Grundsätzen aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots die Verwertung des Unfallfahrzeugs unter Berücksichtigung von Angeboten von Internet-Restwertbörsen erfolgen musste.

Die subjektive Schadensbetrachtung nimmt nach der Senatsrechtsprechung die Person des Geschädigten in den Blick. Macht der Leasingnehmer - wie im Streitfall die Klägerin - den Fahrzeugschaden allein als fremden Schaden des Leasinggebers geltend, sind im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung daher die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Leasinggebers als Geschädigtem maßgeblich. Der Anspruch auf Ersatz des Unfallschadens kann dann nicht weiter reichen, als wenn ihn der Geschädigte selbst verfolgen würde.

Dass der Leasingnehmer bei Beschädigung des Leasingfahrzeugs auch selbst Geschädigter und Anspruchsinhaber aus eigenem Recht sein kann, spielt bei der subjektbezogenen Schadensbetrachtung nur dann eine Rolle, wenn der Leasingnehmer eigene Ansprüche geltend macht. Das OLG hat daher hinsichtlich der zwischen den Parteien allein streitigen Frage der anzusetzenden Restwerthöhe richtigerweise die Verwertungsmöglichkeiten der Leasinggeberin in den Blick genommen. Insoweit hat es im Einklang mit den oben genannten, für gewerbliche Anbieter von Kraftfahrzeugen geltenden Grundsätzen festgestellt, dass es der hiesigen Leasinggeberin selbst oder über die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit eingeschalteten Autohäuser ohne Weiteres möglich gewesen wäre, Zugriff auf den Sondermarkt der Restwertaufkäufer im Internet zu nehmen.

Nicht zu beanstanden ist auch, dass das OLG die Klage aufgrund des Ergebnisses seiner Beweisaufnahme zur Höhe des unter Berücksichtigung von Angeboten internetbasierter Restwertbörsen erzielbaren Verwertungserlöses abgewiesen hat. Das OLG ist dabei entgegen der Ansicht der Revision nicht in entscheidungserheblicher Weise von einer falschen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ausgegangen. Auch im Übrigen hält seine Beweiswürdigung revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Die Revision macht geltend, das OLG verkenne bei seiner Entscheidung, dass nach der Rechtsprechung des Senats der Geschädigte seiner Abrechnung eines Totalschadens hinsichtlich des Restwertes grundsätzlich den tatsächlich erzielten Preis zugrunde legen könne. Behaupte der Schädiger, dass ein höherer Preis hätte erzielt werden können, so treffe ihn und seinen Haftpflichtversicherer dafür die Beweislast.

Diese Rüge greift schon deshalb nicht durch, weil das OLG zwar die Klägerin hinsichtlich der Erforderlichkeit des für die Ersatzbeschaffung aufgewandten Geldbetrages für darlegungs- und beweispflichtig gehalten, seine Entscheidung letztlich aber nicht darauf gestützt hat. Es hat sich vielmehr die eine vollständige Klageabweisung unabhängig von der Frage der Darlegungs- und Beweislast tragende Überzeugung gebildet, dass die Behauptung der Beklagten zutrifft, unter Berücksichtigung von Angeboten internetbasierter Restwertbörsen habe der erzielbare Verwertungserlös 22.999 € betragen. Das OLG ist nämlich den Ausführungen des Sachverständigen gefolgt, wonach der von der Beklagten ermittelte Restwert plausibel und nachvollziehbar war, und auf dieser Grundlage zu dem Schluss gekommen, die Beklagte habe zu seiner Überzeugung nach Einholung überregionaler Restwertangebote unter dem 21.10.2019 ein realistisches Angebot vorgelegt.

Im Übrigen hat das OLG zutreffend angenommen, dass die Klägerin aufgrund der ihr nach ständiger Senatsrechtsprechung im Rahmen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB obliegenden Darlegungs- und Beweislast zur Schadenshöhe die Behauptung der Beklagten zum erzielbaren Verwertungserlös widerlegen und nicht - wie die Revision meint - die Beklagte diese Behauptung im Rahmen der Prüfung einer etwaigen Verletzung der Schadensminderungs-pflicht (§ 254 BGB) beweisen musste.

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Kommentierung | BGB
§ 249 Art und Umfang des Schadensersatzes
Ebert in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023

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