14.04.2022

Zur Darlegungs- und Feststellungslast bei der Härteklausel des § 27 VersAusglG

Die Härteklausel des § 27 VersAusglG hat die Funktion eines Gerechtigkeitskorrektivs. Da § 27 VersAusglG eine anspruchsbegrenzende Norm ist, trägt der Ehegatte, der sich gegen die uneingeschränkte Durchführung des Versorgungsausgleichs wendet, für die tatsächlichen Voraussetzungen der Vorschrift die Darlegungs- und Feststellungslast.

OLG Brandenburg v. 18.3.2022 - 13 UF 134/21
Der Sachverhalt:
Die Antragsbeteiligten hatten 2001geheiratet. Sie hatten bereits 1994 eine Immobilie erworben, die sie sanierten und die als Ehewohnung diente. Im Jahr 2002 übertrugen sie das Eigentum an ihre beiden Töchter und ließen sich im Gegenzug ein Wohnrecht an einer Wohnung im ersten Obergeschoss einräumen.

Die Eheleute lebten seit spätestens Ende Januar 2017 getrennt. Der Scheidungsantrag ist am 30.4.2019 zugestellt worden. Nach der Trennung bezog die Antragsgegnerin erst eine Wohnung im Dachgeschoss des Hauses und zog dann 2018 aus. Der Antragsteller war bei Eheschließung nicht berufstätig und während der Ehe selbständig tätig. Er hat behauptet, dies und, dass er keine Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung vornehme, sei zwischen ihm und der Antragstellerin vereinbart gewesen.

Die Antragsgegnerin, die während der Ehe erwerbstätig war, seit 2016 aber eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht, hat die Durchführung des Versorgungsausgleichs für eine unbillige Härte gehalten und hierzu behauptet, der Antragsteller habe sie in der Ehe erniedrigt, beleidigt und sei seit 2015 mehrfach körperlich übergriffig geworden. Bei der Staatsanwaltschaft werde ein Ermittlungsverfahren geführt. Inzwischen leide sie unter einer depressiven Störung. Zudem habe der Antragsteller während der Ehe keinen Beitrag zum Familienunterhalt geleistet und gegen ihren Willen kein Angestelltenverhältnis aufgenommen. Außerdem sei sie auf die Nutzung der ehemaligen Ehewohnung angewiesen, da der Bungalow ihres Bruders, den sie derzeit bewohne, als Ferienwohnung zur ganzjährigen Nutzung nicht zugelassen sei und von ihr im Winter nicht genutzt werden dürfe.

Das AG hat die Ehe rechtskräftig geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Antrag der Antragsgegnerin auf Überlassung der Ehewohnung zurückgewiesen. Das OLG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Die Gründe:
Es liegen keine Gründe vor, die es rechtfertigen könnten, gem. § 27 VersAusglG von einem (teilweisen) Ausgleich der beiderseitigen Anrechte oder eines Teiles hiervon abzusehen.

Die Härteklausel des § 27 VersAusglG hat die Funktion eines Gerechtigkeitskorrektivs. Sie soll als Ausnahmeregelung eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Entscheidung in solchen Fällen ermöglichen, in denen die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs zur "Prämierung" einer groben Verletzung der aus der ehelichen Gemeinschaft folgenden Pflichten führen oder gegen die tragenden Prinzipien des Versorgungsausgleichs verstoßen würde. Die Anwendung des § 27 VersAusglG hat sich dabei stets an der gesetzgeberischen Zielsetzung des Versorgungsausgleichs zu orientieren, nämlich die gleichberechtigte Teilhabe der Eheleute an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen zu verwirklichen und dem Ehegatten, der in der Ehezeit keine oder nur geringere eigene Versorgungsanwartschaften hat aufbauen können, eine eigene Versorgung zu verschaffen. Da § 27 VersAusglG eine anspruchsbegrenzende Norm ist, trägt der Ehegatte, der sich gegen die uneingeschränkte Durchführung des Versorgungsausgleichs wendet, für die tatsächlichen Voraussetzungen der Vorschrift die Darlegungs- und Feststellungslast.

Zwar mögen gemessen daran die von der Antragsgegnerin erhobenen Vorwürfe Erheblichkeit gewonnen haben. Allerdings hat der Antragsteller den Vortrag der Antragsgegnerin zu körperlichen Attacken, Beleidigungen und weiteren Herabsetzungen bestritten und die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Antragsgegnerin hat ihren Vortrag in keiner Form nachgewiesen. Ihrer Anregung, Akten eines 2020 eingeleiteten staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens beizuziehen, war nicht zu folgen, denn weder legte die Antragsgegnerin dies dar noch ist sonst ersichtlich, welcher über ihre bestrittenen Behauptungen hinausgehende Erkenntnisgewinn sich aus den Akten ergeben sollte.

Ebenso besteht auch kein Anspruch der Antragsgegnerin auf Überlassung der Ehewohnung. Nach § 1568a Abs. 1 BGB kann ein Ehegatte verlangen, dass der andere ihm die Ehewohnung anlässlich der Scheidung überlässt, wenn er auf deren Nutzung unter Berücksichtigung des Wohls der im Haushalt lebenden Kinder und der Lebensverhältnisse der Ehegatten in stärkerem Maße angewiesen ist als der andere oder wenn die Überlassung aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht.

Es ließ sich im vorliegenden Fall aber nicht feststellen, dass die Antragsgegnerin in stärkerem Maße auf die Ehewohnung angewiesen ist. Sie hat bereits seit 2018 einen anderen ständigen Wohnsitz. Entgegen ihrem Vortrag lebt sie ganzjährig in dem Haus. Dies ergab sich aus einem Arztbrief, wonach sie nach eigener Aussage mit Unterstützung seitens ihrer Geschwister und ihrer Mutter dort einen Bungalow in schöner Wohnlage in einem Naherholungsgebiet errichtet hat, in dem sie lebt. Auf eine von ihr nicht näher dargelegte Unzulässigkeit einer ganzjährigen Nutzung kommt es dabei nicht an; dass sie etwa von Räumung bedroht oder der Bungalow zu Wohnzwecken ungeeignet sei, hat sie nicht vorgetragen.

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