Zur Erkennbarkeit der Person des Beschwerdeführers
BGH v. 24.1.2024 - XII ZB 39/23
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller begehrt im Wege eines Stufenverfahrens die Abänderung eines im Scheidungsverfahren vor dem OLG mit seiner damaligen Ehefrau geschlossenen Vergleiches, in dem er sich zur Zahlung von Unterhalt für die vier gemeinsamen minderjährigen Kinder (Antragsgegner), zu Händen der Kindesmutter, verpflichtet hat.
Der Antragsteller richtete seinen Abänderungsantrag zunächst allein gegen die Kindesmutter. Nachdem das AG den Hinweis erteilt hatte, der Auskunftsanspruch sei gegen die Kindesmutter und der Abänderungsantrag gegen die Kinder zu richten, stellte der Antragsteller mit einem der Kindesmutter zugestellten Schriftsatz "aus Gründen der äußersten Vorsorge" seine Anträge auf die vier Kinder, vertreten durch die Kindesmutter, um. Da zwischen den Beteiligten u.a. streitig ist, ob das angerufene AG international zuständig ist, erklärte sich dieses mit Zwischenbeschluss für international und örtlich zuständig. Im Rubrum dieses Beschlusses sind nur die vier Kinder als Antragsgegner aufgeführt.
Gegen diesen Beschluss legte die Kindesmutter, vertreten durch ihre Verfahrensbevollmächtigte, Beschwerde ein. In dem Beschwerdeschriftsatz wird als Beschwerdeführerin allein die Kindesmutter benannt und die Beschwerde ausdrücklich "namens und im Auftrag der Beschwerdeführerin" eingelegt. Mit der nach Ablauf der Frist zur Einlegung der Beschwerde eingegangenen Beschwerdebegründung, in der nunmehr die Kinder, vertreten durch die Kindesmutter, als "Antragsgegner und Beschwerdeführer" bezeichnet werden, wenden sich diese gegen die vom AG angenommene internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte.
Das OLG verwarf die Beschwerde als unzulässig. Die Rechtsbeschwerden der Antragsgegner und der Kindesmutter hatten vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Nach § 64 Abs. 2 Satz 3 FamFG muss die Beschwerdeschrift die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Diesem Erfordernis ist nur dann genügt, wenn bei der Einlegung des Rechtsmittels aus der Rechtsmittelschrift selbst oder in Verbindung mit sonstigen Unterlagen oder Umständen der Rechtsmittelführer erkennbar ist oder doch jedenfalls bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist erkennbar wird. Die Einhaltung dieser an den Inhalt der Beschwerdeschrift zu stellenden Anforderung dient sowohl für das Beschwerdegericht als auch im Interesse der Beteiligten dem geregelten Ablauf des Verfahrens und der Rechtssicherheit. Denn bei der Beschwerde, die einen neuen Verfahrensabschnitt vor einem anderen als dem bis dahin mit der Sache befassten Gericht eröffnet, müssen aus Gründen der Rechtssicherheit zur Erzielung eines geordneten Verfahrensablaufs die Beteiligten des Rechtsmittelverfahrens und insbesondere die Person des Rechtsmittelführers bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennbar sein.
Das bedeutet indes nicht, dass die Person des Rechtsmittelführers wirksam nur ausdrücklich und nur in der Beschwerdeschrift selbst angegeben werden kann. Vielmehr ist die Rechtsmitteleinlegung einer Auslegung zugänglich. Den Belangen der Rechtssicherheit ist deshalb auch dann genügt, wenn eine verständige Würdigung des gesamten Vorgangs der Beschwerdeeinlegung jeden Zweifel an der Person des Rechtsmittelführers ausschließt. Daher ist es ausreichend, wenn jedenfalls mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen ist, wer Beschwerdeführer sein soll.
Gemessen hieran bestehen bei verständiger Würdigung keine Zweifel, dass mit der Beschwerdeschrift allein die Kindesmutter Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Zwischenbeschluss eingelegt hat. Die von der anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten verfasste Beschwerdeschrift enthält nach ihrem Wortlaut keinen Hinweis darauf, dass die Beschwerde für die Antragsgegner eingelegt werden sollte. In ihr wird ausdrücklich die Kindesmutter als Beschwerdeführerin bezeichnet. Zudem wird dort ausgeführt, dass "namens und im Auftrag der Beschwerdeführerin" die Beschwerde eingelegt werde. Weitere Umstände, die zu einer Auslegung der Beschwerdeschrift führen können, dass das Rechtsmittel durch die Antragsgegner eingelegt werden sollte, ergaben sich für das OLG bis zum Ablauf der Beschwerdefrist nicht. Der Beschwerdeschrift war keine Abschrift des angegriffenen Zwischenbeschlusses beigefügt. Die Verfahrensakte wurde dem OLG erst nach Ablauf der Beschwerdefrist übersandt. Daher konnten bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Beschwerdeeinlegung keine Zweifel daran bestehen, dass die Beschwerde allein von der Kindesmutter eingelegt wurde.
Soweit die Rechtsbeschwerde unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des KG die Auffassung vertritt, es greife im Streitfall die Zweifelsregelung, wonach die von einem gesetzlichen Vertreter eingelegte Beschwerde, wenn er selbst nicht beschwerdebefugt sei, im Zweifel als Rechtsmittel des Vertretenen anzusehen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Wie das OLG zutreffend ausführt, war in dem vom KG entschiedenen Fall die Person des Rechtsmittelführers in der Rechtsmittelschrift nicht bezeichnet und musste daher durch Auslegung ermittelt werden. Im vorliegenden Fall ist die Kindesmutter in der Beschwerdeschrift ausdrücklich als Beschwerdeführerin genannt, so dass gerade kein Zweifelsfall und daher auch kein Anlass zur Anwendung dieser Zweifelsregelung besteht.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung (siehe Leitsatz):
§§ 1897 I, 1898 II, 1908b II BGB: Betreuerbestellung bei familiären Spannungen [m. Anm. Schneider, S. 781]
BGH vom 12.02.2020 - XII ZB 475/19
Angie Schneider, FamRZ 2020, 778
Kommentierung | FamFG
§ 64 Einlegung der Beschwerde
Abramenko in Prütting/Helms, FamFG, Kommentar, 6. Aufl. 2023
6. Aufl./Lfg. 09.2022
Kommentierung | FamFG
§ 64 Einlegung der Beschwerde
Müther in Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG, Kommentar zum Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 4. Auflage 2021
Aktionsmodul Familienrecht:
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BGH online
Der Antragsteller begehrt im Wege eines Stufenverfahrens die Abänderung eines im Scheidungsverfahren vor dem OLG mit seiner damaligen Ehefrau geschlossenen Vergleiches, in dem er sich zur Zahlung von Unterhalt für die vier gemeinsamen minderjährigen Kinder (Antragsgegner), zu Händen der Kindesmutter, verpflichtet hat.
Der Antragsteller richtete seinen Abänderungsantrag zunächst allein gegen die Kindesmutter. Nachdem das AG den Hinweis erteilt hatte, der Auskunftsanspruch sei gegen die Kindesmutter und der Abänderungsantrag gegen die Kinder zu richten, stellte der Antragsteller mit einem der Kindesmutter zugestellten Schriftsatz "aus Gründen der äußersten Vorsorge" seine Anträge auf die vier Kinder, vertreten durch die Kindesmutter, um. Da zwischen den Beteiligten u.a. streitig ist, ob das angerufene AG international zuständig ist, erklärte sich dieses mit Zwischenbeschluss für international und örtlich zuständig. Im Rubrum dieses Beschlusses sind nur die vier Kinder als Antragsgegner aufgeführt.
Gegen diesen Beschluss legte die Kindesmutter, vertreten durch ihre Verfahrensbevollmächtigte, Beschwerde ein. In dem Beschwerdeschriftsatz wird als Beschwerdeführerin allein die Kindesmutter benannt und die Beschwerde ausdrücklich "namens und im Auftrag der Beschwerdeführerin" eingelegt. Mit der nach Ablauf der Frist zur Einlegung der Beschwerde eingegangenen Beschwerdebegründung, in der nunmehr die Kinder, vertreten durch die Kindesmutter, als "Antragsgegner und Beschwerdeführer" bezeichnet werden, wenden sich diese gegen die vom AG angenommene internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte.
Das OLG verwarf die Beschwerde als unzulässig. Die Rechtsbeschwerden der Antragsgegner und der Kindesmutter hatten vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Nach § 64 Abs. 2 Satz 3 FamFG muss die Beschwerdeschrift die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Diesem Erfordernis ist nur dann genügt, wenn bei der Einlegung des Rechtsmittels aus der Rechtsmittelschrift selbst oder in Verbindung mit sonstigen Unterlagen oder Umständen der Rechtsmittelführer erkennbar ist oder doch jedenfalls bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist erkennbar wird. Die Einhaltung dieser an den Inhalt der Beschwerdeschrift zu stellenden Anforderung dient sowohl für das Beschwerdegericht als auch im Interesse der Beteiligten dem geregelten Ablauf des Verfahrens und der Rechtssicherheit. Denn bei der Beschwerde, die einen neuen Verfahrensabschnitt vor einem anderen als dem bis dahin mit der Sache befassten Gericht eröffnet, müssen aus Gründen der Rechtssicherheit zur Erzielung eines geordneten Verfahrensablaufs die Beteiligten des Rechtsmittelverfahrens und insbesondere die Person des Rechtsmittelführers bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennbar sein.
Das bedeutet indes nicht, dass die Person des Rechtsmittelführers wirksam nur ausdrücklich und nur in der Beschwerdeschrift selbst angegeben werden kann. Vielmehr ist die Rechtsmitteleinlegung einer Auslegung zugänglich. Den Belangen der Rechtssicherheit ist deshalb auch dann genügt, wenn eine verständige Würdigung des gesamten Vorgangs der Beschwerdeeinlegung jeden Zweifel an der Person des Rechtsmittelführers ausschließt. Daher ist es ausreichend, wenn jedenfalls mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen ist, wer Beschwerdeführer sein soll.
Gemessen hieran bestehen bei verständiger Würdigung keine Zweifel, dass mit der Beschwerdeschrift allein die Kindesmutter Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Zwischenbeschluss eingelegt hat. Die von der anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten verfasste Beschwerdeschrift enthält nach ihrem Wortlaut keinen Hinweis darauf, dass die Beschwerde für die Antragsgegner eingelegt werden sollte. In ihr wird ausdrücklich die Kindesmutter als Beschwerdeführerin bezeichnet. Zudem wird dort ausgeführt, dass "namens und im Auftrag der Beschwerdeführerin" die Beschwerde eingelegt werde. Weitere Umstände, die zu einer Auslegung der Beschwerdeschrift führen können, dass das Rechtsmittel durch die Antragsgegner eingelegt werden sollte, ergaben sich für das OLG bis zum Ablauf der Beschwerdefrist nicht. Der Beschwerdeschrift war keine Abschrift des angegriffenen Zwischenbeschlusses beigefügt. Die Verfahrensakte wurde dem OLG erst nach Ablauf der Beschwerdefrist übersandt. Daher konnten bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Beschwerdeeinlegung keine Zweifel daran bestehen, dass die Beschwerde allein von der Kindesmutter eingelegt wurde.
Soweit die Rechtsbeschwerde unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des KG die Auffassung vertritt, es greife im Streitfall die Zweifelsregelung, wonach die von einem gesetzlichen Vertreter eingelegte Beschwerde, wenn er selbst nicht beschwerdebefugt sei, im Zweifel als Rechtsmittel des Vertretenen anzusehen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Wie das OLG zutreffend ausführt, war in dem vom KG entschiedenen Fall die Person des Rechtsmittelführers in der Rechtsmittelschrift nicht bezeichnet und musste daher durch Auslegung ermittelt werden. Im vorliegenden Fall ist die Kindesmutter in der Beschwerdeschrift ausdrücklich als Beschwerdeführerin genannt, so dass gerade kein Zweifelsfall und daher auch kein Anlass zur Anwendung dieser Zweifelsregelung besteht.
Rechtsprechung (siehe Leitsatz):
§§ 1897 I, 1898 II, 1908b II BGB: Betreuerbestellung bei familiären Spannungen [m. Anm. Schneider, S. 781]
BGH vom 12.02.2020 - XII ZB 475/19
Angie Schneider, FamRZ 2020, 778
Kommentierung | FamFG
§ 64 Einlegung der Beschwerde
Abramenko in Prütting/Helms, FamFG, Kommentar, 6. Aufl. 2023
6. Aufl./Lfg. 09.2022
Kommentierung | FamFG
§ 64 Einlegung der Beschwerde
Müther in Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG, Kommentar zum Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 4. Auflage 2021
Aktionsmodul Familienrecht:
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