27.08.2021

Zur Erkennbarkeit des Trennungswillens

Der Trennungswille eines Ehegatten ist jedenfalls mit dem Zugang des Verfahrenskostenhilfeantrages für ein beabsichtigtes Scheidungsverfahren auch für den anderen Ehegatten erkennbar (hier: Trennung während der Inhaftierung eines Ehegatten). Die vom Ehepartner mitgetragene Erwerbslosigkeit rechtfertigt regelmäßig weder die Beschränkung noch den Wegfall des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG.

OLG Zweibrücken v. 21.4.2021 - 2 UF 159/20
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten hatten 2002 geheiratet. Der Antragsgegner, der nach bereits mehrfacher Straffälligkeit mittlerweile wegen Diebstahls und Fahrens ohne Fahrerlaubnis seit Mai 2019 in der JVA inhaftiert ist, besaß bei Eheschließung keine abgeschlossene Ausbildung und hat während der Ehe nie einen festen Beruf ausgeübt, sondern lediglich über kurze Zeiträume Hilfstätigkeiten ausgeführt. Er ist seit Jahren drogenabhängig und befand sich häufig über längere Zeiträume in Entzugskliniken und Therapien.

Die Antragstellerin war bis zu einer nun vorliegenden Erkrankung durchgehend voll berufstätig. Sie zahlte für den Antragsgegner Geldstrafen ab und wurde wegen Benutzung ihres PKWs durch den Antragsgegner, der nicht über eine Fahrerlaubnis verfügt, selbst strafrechtlich belangt. Im Dezember 2019 hatte die Antragstellerin die Scheidung beantragt. Der Scheidungsantrag wurde dem Antragsgegner am 14.2.2020 in der JVA zugestellt.

Die Antragstellerin geht von einer Trennung im Frühjahr 2018 und aus und behauptet, die Trennungsabsicht auch dem Antragsgegner mitgeteilt zu haben. Schließlich sei sie damals aus der Ehewohnung ausgezogen und habe bei ihrer Tochter gelebt. Der Antragsgegner ist dem Begehren entgegengetreten. Die Ehe sei nicht gescheitert. Die Antragstellerin habe ihm niemals deutlich zu verstehen gegeben, dass sie nicht mehr mit ihm leben wolle. Sie habe ihn bereits zweimal in der Haft besucht und ihn finanziell unterstützt.

Das Familiengericht hat die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Das OLG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners und die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.

Die Gründe:
Die Voraussetzungen für eine Scheidung liegen vor.

Die eheliche Lebensgemeinschaft im Sinne einer häuslichen Gemeinschaft besteht seit der Inhaftierung des Antragsgegners im Mai 2019 nicht mehr. Vom Trennungswillen der Antragstellerin hat der Antragsgegner spätestens mit Zugang des Scheidungsantrags zur Stellungnahme im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren im Dezember 2019 Kenntnis erlangt. Nach Zugang dieses Antrags musste er davon ausgehen, dass die Antragstellerin die eheliche Gemeinschaft nicht weiter aufrechterhalten und geschieden werden wollte; dass die Antragstellerin ihn nach diesem Zeitpunkt noch in der JVA besucht hat, hat er nicht behauptet.

Die Antragstellerin hat durchgehend bekundet, dass sie nicht bereit ist, die eheliche Lebensgemeinschaft mit dem Antragsgegner wieder herzustellen und nach wie vor geschieden werden will. Die gegenteilige Auffassung des Antragsgegners steht der Scheidung nicht entgegen, weil auch die Abkehr nur eines Ehegatten von der ehelichen Lebensgemeinschaft zur Folge hat, dass eine Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft nicht erwartet werden kann (§ 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Das Familiengericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Herabsetzung oder gar einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit nach § 27 Satz 1 und 2 VersAusglG zutreffend verneint. Die Härteklausel ermöglicht keine generelle Korrektur des Versorgungsausgleichs, sondern greift nur im Einzelfall ein, wenn nach Abwägung sämtlicher Lebensumstände der Ehegatten ein Ausgleich oder eine Beschränkung des Ausgleichs zwingend geboten ist. Die vom Ehepartner mitgetragene Erwerbslosigkeit rechtfertigt regelmäßig weder die Beschränkung noch den Wegfall des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG.
Justizportal Rheinland-Pfalz
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