Zur Frage der Mithaftung nicht angeschnallter Mitfahrer für die Verletzungen von Fahrzeuginsassen
OLG Köln v. 27.8.2024 - 3 U 81/23
Der Sachverhalt:
Der Versicherungsnehmer der Klägerin war mit seinem Audi A5 Coupé auf einer Landstraße unterwegs. Er war stark alkoholisiert (Blutalkoholkonzentration: 1,76 Promille) und fuhr mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit (150 bis 160 km/h statt zulässiger 70 km/h), als ihm der mit drei Insassinnen besetzte Skoda Citigo entgegenkam. Auf dem Beifahrersitz des Skoda saß die damals 36 Jahre alte Geschädigte, dahinter auf der Rückbank die nicht angeschnallte 38-jährige Beklagte. Der Audi kam von der Fahrbahn ab und stieß mit dem Skoda zusammen. Der Versicherungsnehmer der Klägerin verstarb bei dem Unfall, die Insassen des Skoda erlitten schwere Verletzungen.
Die Klägerin nimmt die Beklagte als behauptete Mitverursacherin der Verletzungen der Geschädigten auf Erstattung von 70 % der von ihr bisher an diese in sechsstelliger Höhe erbrachten Leistungen sowie für künftige Zahlungen in Anspruch. Sie verweist auf Sachverständigengutachten, wonach die Nichteinhaltung der Gurtpflicht durch die Beklagte dazu geführt habe, dass deren Knie im Zeitpunkt des Aufpralls in die Rückenlehne des Beifahrersitzes eingedrungen seien und erhebliche Verletzungen der Geschädigten im Bereich der Lendenwirbelsäule und des Brustkorbs verursacht hätten.
Das LG wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen. Gegen die Entscheidung ist die Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH statthaft.
Die Gründe:
Das LG hat eine Mithaftung der Beklagten für die unfallbedingten Verletzungen der Geschädigten vorliegend zu Recht abgelehnt.
Die von § 21a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 StVO geregelte Gurtpflicht stellt eine drittschützende Norm i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB dar, weil die Fahrzeuginsassen gerade auch vor den Folgen der Verletzung durch nicht angeschnallte andere Mitfahrer bewahrt werden sollen. Der BGH geht von einem Mitverschulden des Geschädigten bei Verletzung der eigenen Gurtpflicht aus: dieses gilt auch für Verletzungen anderer Fahrzeuginsassen.
Die gesetzliche Begründung für die Einführung der Gurtpflicht auf den Vordersitzen aus dem Jahre 1975 stellt darauf ab, dass gerade auch aus Zusammenstößen von Fahrzeuginsassen erhebliche Gefahren herrührten. Die Gurtpflicht wurde im darauffolgenden Jahrzehnt auf sämtliche Fahrzeuginsassen ausgedehnt und bußgeldbewehrt. Das hier zugrunde gelegte, weite Verständnis des Schutzzwecks der Gurtpflicht dient der Verkehrssicherheit und dem Schutz der individuellen Rechte aller Verkehrsteilnehmer; es steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG sowie anderer Obergerichte zur Bußgeldbewehrung der Gurtpflicht. Ebenso fügt es sich in das haftungsrechtliche Gesamtsystem ein.
Vorliegend konnte jedoch offenbleiben, ob bei dem Unfall die Knie der Beklagten in die Rückenlehne des Beifahrersitzes eingedrungen waren und dies zu den Wirbelsäulenverletzungen der Geschädigten geführt hat. Angesichts des strafwürdigen, grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Verhalten des Versicherungsnehmers der Klägerin tritt eine mögliche Mithaftung der nicht angeschnallten Beklagten zurück. Hierzu war auf die von der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe zur Höhe der Mithaftung des Verletzten bei Nichteinhaltung der Gurtpflicht im Falle eigener Verletzungen zurückzugreifen und von einem vergleichbaren Ausnahmefall auszugehen.
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OLG Köln PM vom 11.9.2024
Der Versicherungsnehmer der Klägerin war mit seinem Audi A5 Coupé auf einer Landstraße unterwegs. Er war stark alkoholisiert (Blutalkoholkonzentration: 1,76 Promille) und fuhr mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit (150 bis 160 km/h statt zulässiger 70 km/h), als ihm der mit drei Insassinnen besetzte Skoda Citigo entgegenkam. Auf dem Beifahrersitz des Skoda saß die damals 36 Jahre alte Geschädigte, dahinter auf der Rückbank die nicht angeschnallte 38-jährige Beklagte. Der Audi kam von der Fahrbahn ab und stieß mit dem Skoda zusammen. Der Versicherungsnehmer der Klägerin verstarb bei dem Unfall, die Insassen des Skoda erlitten schwere Verletzungen.
Die Klägerin nimmt die Beklagte als behauptete Mitverursacherin der Verletzungen der Geschädigten auf Erstattung von 70 % der von ihr bisher an diese in sechsstelliger Höhe erbrachten Leistungen sowie für künftige Zahlungen in Anspruch. Sie verweist auf Sachverständigengutachten, wonach die Nichteinhaltung der Gurtpflicht durch die Beklagte dazu geführt habe, dass deren Knie im Zeitpunkt des Aufpralls in die Rückenlehne des Beifahrersitzes eingedrungen seien und erhebliche Verletzungen der Geschädigten im Bereich der Lendenwirbelsäule und des Brustkorbs verursacht hätten.
Das LG wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen. Gegen die Entscheidung ist die Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH statthaft.
Die Gründe:
Das LG hat eine Mithaftung der Beklagten für die unfallbedingten Verletzungen der Geschädigten vorliegend zu Recht abgelehnt.
Die von § 21a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 StVO geregelte Gurtpflicht stellt eine drittschützende Norm i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB dar, weil die Fahrzeuginsassen gerade auch vor den Folgen der Verletzung durch nicht angeschnallte andere Mitfahrer bewahrt werden sollen. Der BGH geht von einem Mitverschulden des Geschädigten bei Verletzung der eigenen Gurtpflicht aus: dieses gilt auch für Verletzungen anderer Fahrzeuginsassen.
Die gesetzliche Begründung für die Einführung der Gurtpflicht auf den Vordersitzen aus dem Jahre 1975 stellt darauf ab, dass gerade auch aus Zusammenstößen von Fahrzeuginsassen erhebliche Gefahren herrührten. Die Gurtpflicht wurde im darauffolgenden Jahrzehnt auf sämtliche Fahrzeuginsassen ausgedehnt und bußgeldbewehrt. Das hier zugrunde gelegte, weite Verständnis des Schutzzwecks der Gurtpflicht dient der Verkehrssicherheit und dem Schutz der individuellen Rechte aller Verkehrsteilnehmer; es steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG sowie anderer Obergerichte zur Bußgeldbewehrung der Gurtpflicht. Ebenso fügt es sich in das haftungsrechtliche Gesamtsystem ein.
Vorliegend konnte jedoch offenbleiben, ob bei dem Unfall die Knie der Beklagten in die Rückenlehne des Beifahrersitzes eingedrungen waren und dies zu den Wirbelsäulenverletzungen der Geschädigten geführt hat. Angesichts des strafwürdigen, grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Verhalten des Versicherungsnehmers der Klägerin tritt eine mögliche Mithaftung der nicht angeschnallten Beklagten zurück. Hierzu war auf die von der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe zur Höhe der Mithaftung des Verletzten bei Nichteinhaltung der Gurtpflicht im Falle eigener Verletzungen zurückzugreifen und von einem vergleichbaren Ausnahmefall auszugehen.
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i) Nichtanlegen des Sicherheitsgurts
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