Zur Frage der teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs des § 1643 Abs. 3 Satz 1 BGB
BGH v. 4.9.2024 - IV ZB 37/23
Der Sachverhalt:
Der Beteiligte zu 1) erstrebt eine Klärung der Erbfolge im Verfahren über die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses. Der Beteiligte zu 1) ist der Witwer der am 19.4.2022 verstorbenen Erblasserin, die Beteiligten zu 2) und 3) sind die gemeinsamen Kinder. Zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin erwartete der Beteiligte zu 3) mit seiner Ehefrau ein Kind (im Folgenden: Beteiligter zu 4), das am 3.10.2022 geboren worden ist. Die Erblasserin und der Beteiligte zu 1) hatten unter dem 12.12.2014 einen notariell beurkundeten Erbvertrag geschlossen, der u.a. folgende Regelungen enthält:
"§ 3
Gegenseitige Erbeinsetzung
Wir setzen uns gegenseitig, der Erstversterbende den Überlebenden, zum alleinigen und unbeschränkten Erben ein, unabhängig davon, ob und welche Pflichtteilsberechtigte beim Tode des Erstversterbenden von uns vorhanden sind.
§ 4
Erbfolge nach dem Längstlebenden
1. Jeder von uns beruft sowohl für den Fall, dass er der Längstlebende von uns ist, als auch für den Fall, dass wir gleichzeitig versterben, zu seinen Erben unsere gemeinschaftlichen Kinder, welche zur Zeit sind:
a) Felix Léon Oliver Christian F , geboren am 1.8.1997,
b) Jeanette Chloé Carlotta F , geboren am 25.4.2000,
- zu gleichen Teilen -.
2. Sollte eines unserer gemeinschaftlichen Kinder vor dem Längstlebenden sterben oder aus einem sonstigen Grunde nicht Erbe werden und Abkömmlinge hinterlassen, sollen diese an seine Stelle treten. Sind Abkömmlinge nicht vorhanden, tritt Anwachsung im Verhältnis der Erbeinsetzung ein."
Die Beteiligten zu 1) bis 3) schlugen für sich sowie der Beteiligte zu 3) und seine Ehefrau für den damals gezeugten, aber noch ungeborenen Beteiligten zu 4) durch notariell beglaubigte Erklärungen gegenüber dem Nachlassgericht die Erbschaft aus dem Berufungsgrund der gewillkürten Erbenstellung aus. Ferner erklärten die Beteiligten zu 1) bis 3), die Erbschaft aus dem Berufungsgrund der gesetzlichen Erbenstellung anzunehmen. Hintergrund der Ausschlagungen sei, dass der Anfall der Erbschaft mit einem Nachlasswert von rd. 1,26 Mio. € allein bei dem Beteiligten zu 1) zu einer enormen Erbschaftssteuerbelastung geführt hätte, weshalb es im Interesse aller Beteiligten liege, das Vermögen im Wege der gesetzlichen Erbfolge möglichst für die Familie zu erhalten. Andererseits wolle der Beteiligte zu 1) die gemeinsamen Kinder bereits am Nachlass ihrer Mutter teilhaben lassen. Am 25.10.2022 beantragte der Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, das auf der Grundlage der gesetzlichen Erbfolge ihn als Erben zu 1/2 und die Beteiligten zu 2) und 3) als Erben zu je 1/4 nach der Erblasserin ausweisen sollte.
Das AG Nachlassgericht wies darauf hin, dass es die für den Beteiligten zu 4) erklärte Ausschlagung als nicht wirksam erachte und wies den Antrag auf Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses zurück. Eine daraufhin beantragte familiengerichtliche Genehmigung der Ausschlagungserklärung hat das AG nicht erteilt, da der Nachlasswert für den Beteiligten zu 4) einen wirtschaftlichen Vorteil bedeute. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Nachlassgerichts wies das OLG zurück. Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1) hob der BGH den Beschluss des OLG auf und wies das AG - Nachlassgericht - an, dem Beteiligten zu 1) ein Europäisches Nachlasszeugnis mit dem Inhalt zu erteilen, dass die Erblasserin von dem Beteiligten zu 1) zu 1/2 und von den Beteiligten zu 2) und 3) zu je 1/4 beerbt worden ist.
Die Gründe:
Das OLG hat zu Unrecht angenommen, dass die Beteiligten zu 1) bis 3) nicht gesetzliche Erben nach der Erblasserin geworden sind. Dementsprechend ist dem Antrag des Beteiligten zu 1) auf Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses stattzugeben.
Die Beteiligten zu 1) bis 3) haben ihr Erbe aus dem Berufungsgrund der gewillkürten Erbeinsetzung wirksam ausgeschlagen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Auslegung des Erbvertrags vom 12.12.2014 durch das OLG der Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht standhält. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine wirksame Ausschlagung der - zugunsten der Beteiligten zu 2) und 3) unterstellt - gewillkürten Erbenstellung durch die Beteiligten zu 1) bis 3) liegen vor. Entgegen der Ansicht des OLG steht dem Eintritt der gesetzlichen Erbfolge nicht entgegen, dass das Erbe aufgrund der wirksamen Ausschlagungen aus dem Berufungsgrund der gewillkürten Erbeinsetzung durch die Beteiligten zu 1) bis 3) dem Beteiligten zu 4) angesichts eines ihm erbvertraglich zugewendeten Ersatzerbrechts (§ 2096 BGB) angefallen ist.
Es kann offenbleiben, ob dem Erbvertrag zu entnehmen ist, dass auch die weiterhin verfügte Ersatzerbenregelung in § 4 Abs. 2 des Erbvertrages zugunsten etwaiger Abkömmlinge der Kinder für den Erbfall nach dem Erstversterbenden und auch für den Fall einer "lenkenden" Ausschlagung gelten sollte. Eine solche Auslegung unterstellt, haben die Eltern des Beteiligten zu 4) für diesen wirksam die Ausschlagung der Erbschaft erklärt. Einer familiengerichtlichen Genehmigung bedurfte es dafür nicht. Gem. §§ 1643 Abs. 2 Satz 1, 1822 Nr. 2 BGB in der bis zum 31.12.2022 geltenden und hier noch maßgeblichen Fassung (a.F.) bzw. § 1643 Abs. 1, 1851 Nr. 1 BGB in der derzeit geltenden Fassung bedürfen die Eltern für die Ausschlagung einer Erbschaft für das Kind einer Genehmigung des Familiengerichts, wobei Maßstab für deren Erteilung das Kindeswohl ist (§ 1697a BGB). § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. bzw. § 1643 Abs. 3 Satz 1 BGB trifft eine hiervon abweichende Regelung für den Fall, dass die Erbschaft dem Minderjährigen erst infolge der Ausschlagung seines sorgeberechtigten Elternteils anfällt und dieser Elternteil nicht neben dem Kind berufen war. Das gilt auch für ein zum Ausschlagungszeitpunkt noch ungeborenes Kind (§ 1912 Abs. 2 BGB in der bis zum 31.12.2022 geltenden und hier noch maßgeblichen Fassung bzw. § 1810 BGB in der derzeit geltenden Fassung), wie hier für den Beteiligten zu 4). Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelung von der Genehmigungspflicht sind ihrem Wortlaut nach erfüllt. Denn - eine im Erbvertrag geregelte Ersatzerbenstellung zugunsten des Beteiligten zu 4) unterstellt - ist die Erbschaft diesem erst durch die Ausschlagung des Beteiligten zu 3) und sorgeberechtigten Elternteils angefallen, welcher nicht neben diesem berufen war (vgl. § 1643 Abs. 2 Satz 2 a.E. BGB a.F. bzw. § 1643 Abs. 3 Satz 1 a.E. BGB).
Entgegen der Auffassung des OLG kommt eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs des § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. bzw. § 1643 Abs. 3 Satz 1 BGB für den Fall, dass - wie hier - ein als gewillkürter Erbe berufener Elternteil für sich im eigenen Namen - beschränkt auf diesen Berufungsgrund gem. § 1948 Abs. 1 BGB - und als vertretungsberechtigter Elternteil für das - hier unterstellt - als Ersatzerbe (§ 2096 BGB) eingesetzte Kind die gewillkürte Erbschaft bei werthaltigem Nachlass ausschlägt, um die gesetzliche Erbfolge zu ermöglichen, bei welchem er selbst, nicht jedoch sein Kind - hier der Beteiligte zu 4) - als Erbe zum Zuge kommt, und um sodann das gesetzliche Erbe für sich anzunehmen (sog. lenkende Ausschlagung), nicht in Betracht.
Eine ausnahmsweise zulässige richterliche Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Ob eine derartige Lücke besteht, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrundeliegenden Regelungsabsicht zu beurteilen. Das Gesetz muss, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig sein. Nach diesem Maßstab gebieten weder der Gesetzgeberwille und die Entstehungsgeschichte der Norm noch Sinn und Zweck der Regelung zur Befreiung vom Genehmigungserfordernis für den Fall, dass die Erbschaft dem Minderjährigen erst infolge der Ausschlagung seines sorgeberechtigten Elternteils eintritt, eine Beschränkung ihres Anwendungsbereichs, wie sie das OLG vorgenommen hat.
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Der Beteiligte zu 1) erstrebt eine Klärung der Erbfolge im Verfahren über die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses. Der Beteiligte zu 1) ist der Witwer der am 19.4.2022 verstorbenen Erblasserin, die Beteiligten zu 2) und 3) sind die gemeinsamen Kinder. Zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin erwartete der Beteiligte zu 3) mit seiner Ehefrau ein Kind (im Folgenden: Beteiligter zu 4), das am 3.10.2022 geboren worden ist. Die Erblasserin und der Beteiligte zu 1) hatten unter dem 12.12.2014 einen notariell beurkundeten Erbvertrag geschlossen, der u.a. folgende Regelungen enthält:
"§ 3
Gegenseitige Erbeinsetzung
Wir setzen uns gegenseitig, der Erstversterbende den Überlebenden, zum alleinigen und unbeschränkten Erben ein, unabhängig davon, ob und welche Pflichtteilsberechtigte beim Tode des Erstversterbenden von uns vorhanden sind.
§ 4
Erbfolge nach dem Längstlebenden
1. Jeder von uns beruft sowohl für den Fall, dass er der Längstlebende von uns ist, als auch für den Fall, dass wir gleichzeitig versterben, zu seinen Erben unsere gemeinschaftlichen Kinder, welche zur Zeit sind:
a) Felix Léon Oliver Christian F , geboren am 1.8.1997,
b) Jeanette Chloé Carlotta F , geboren am 25.4.2000,
- zu gleichen Teilen -.
2. Sollte eines unserer gemeinschaftlichen Kinder vor dem Längstlebenden sterben oder aus einem sonstigen Grunde nicht Erbe werden und Abkömmlinge hinterlassen, sollen diese an seine Stelle treten. Sind Abkömmlinge nicht vorhanden, tritt Anwachsung im Verhältnis der Erbeinsetzung ein."
Die Beteiligten zu 1) bis 3) schlugen für sich sowie der Beteiligte zu 3) und seine Ehefrau für den damals gezeugten, aber noch ungeborenen Beteiligten zu 4) durch notariell beglaubigte Erklärungen gegenüber dem Nachlassgericht die Erbschaft aus dem Berufungsgrund der gewillkürten Erbenstellung aus. Ferner erklärten die Beteiligten zu 1) bis 3), die Erbschaft aus dem Berufungsgrund der gesetzlichen Erbenstellung anzunehmen. Hintergrund der Ausschlagungen sei, dass der Anfall der Erbschaft mit einem Nachlasswert von rd. 1,26 Mio. € allein bei dem Beteiligten zu 1) zu einer enormen Erbschaftssteuerbelastung geführt hätte, weshalb es im Interesse aller Beteiligten liege, das Vermögen im Wege der gesetzlichen Erbfolge möglichst für die Familie zu erhalten. Andererseits wolle der Beteiligte zu 1) die gemeinsamen Kinder bereits am Nachlass ihrer Mutter teilhaben lassen. Am 25.10.2022 beantragte der Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, das auf der Grundlage der gesetzlichen Erbfolge ihn als Erben zu 1/2 und die Beteiligten zu 2) und 3) als Erben zu je 1/4 nach der Erblasserin ausweisen sollte.
Das AG Nachlassgericht wies darauf hin, dass es die für den Beteiligten zu 4) erklärte Ausschlagung als nicht wirksam erachte und wies den Antrag auf Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses zurück. Eine daraufhin beantragte familiengerichtliche Genehmigung der Ausschlagungserklärung hat das AG nicht erteilt, da der Nachlasswert für den Beteiligten zu 4) einen wirtschaftlichen Vorteil bedeute. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Nachlassgerichts wies das OLG zurück. Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1) hob der BGH den Beschluss des OLG auf und wies das AG - Nachlassgericht - an, dem Beteiligten zu 1) ein Europäisches Nachlasszeugnis mit dem Inhalt zu erteilen, dass die Erblasserin von dem Beteiligten zu 1) zu 1/2 und von den Beteiligten zu 2) und 3) zu je 1/4 beerbt worden ist.
Die Gründe:
Das OLG hat zu Unrecht angenommen, dass die Beteiligten zu 1) bis 3) nicht gesetzliche Erben nach der Erblasserin geworden sind. Dementsprechend ist dem Antrag des Beteiligten zu 1) auf Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses stattzugeben.
Die Beteiligten zu 1) bis 3) haben ihr Erbe aus dem Berufungsgrund der gewillkürten Erbeinsetzung wirksam ausgeschlagen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Auslegung des Erbvertrags vom 12.12.2014 durch das OLG der Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht standhält. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine wirksame Ausschlagung der - zugunsten der Beteiligten zu 2) und 3) unterstellt - gewillkürten Erbenstellung durch die Beteiligten zu 1) bis 3) liegen vor. Entgegen der Ansicht des OLG steht dem Eintritt der gesetzlichen Erbfolge nicht entgegen, dass das Erbe aufgrund der wirksamen Ausschlagungen aus dem Berufungsgrund der gewillkürten Erbeinsetzung durch die Beteiligten zu 1) bis 3) dem Beteiligten zu 4) angesichts eines ihm erbvertraglich zugewendeten Ersatzerbrechts (§ 2096 BGB) angefallen ist.
Es kann offenbleiben, ob dem Erbvertrag zu entnehmen ist, dass auch die weiterhin verfügte Ersatzerbenregelung in § 4 Abs. 2 des Erbvertrages zugunsten etwaiger Abkömmlinge der Kinder für den Erbfall nach dem Erstversterbenden und auch für den Fall einer "lenkenden" Ausschlagung gelten sollte. Eine solche Auslegung unterstellt, haben die Eltern des Beteiligten zu 4) für diesen wirksam die Ausschlagung der Erbschaft erklärt. Einer familiengerichtlichen Genehmigung bedurfte es dafür nicht. Gem. §§ 1643 Abs. 2 Satz 1, 1822 Nr. 2 BGB in der bis zum 31.12.2022 geltenden und hier noch maßgeblichen Fassung (a.F.) bzw. § 1643 Abs. 1, 1851 Nr. 1 BGB in der derzeit geltenden Fassung bedürfen die Eltern für die Ausschlagung einer Erbschaft für das Kind einer Genehmigung des Familiengerichts, wobei Maßstab für deren Erteilung das Kindeswohl ist (§ 1697a BGB). § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. bzw. § 1643 Abs. 3 Satz 1 BGB trifft eine hiervon abweichende Regelung für den Fall, dass die Erbschaft dem Minderjährigen erst infolge der Ausschlagung seines sorgeberechtigten Elternteils anfällt und dieser Elternteil nicht neben dem Kind berufen war. Das gilt auch für ein zum Ausschlagungszeitpunkt noch ungeborenes Kind (§ 1912 Abs. 2 BGB in der bis zum 31.12.2022 geltenden und hier noch maßgeblichen Fassung bzw. § 1810 BGB in der derzeit geltenden Fassung), wie hier für den Beteiligten zu 4). Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelung von der Genehmigungspflicht sind ihrem Wortlaut nach erfüllt. Denn - eine im Erbvertrag geregelte Ersatzerbenstellung zugunsten des Beteiligten zu 4) unterstellt - ist die Erbschaft diesem erst durch die Ausschlagung des Beteiligten zu 3) und sorgeberechtigten Elternteils angefallen, welcher nicht neben diesem berufen war (vgl. § 1643 Abs. 2 Satz 2 a.E. BGB a.F. bzw. § 1643 Abs. 3 Satz 1 a.E. BGB).
Entgegen der Auffassung des OLG kommt eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs des § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. bzw. § 1643 Abs. 3 Satz 1 BGB für den Fall, dass - wie hier - ein als gewillkürter Erbe berufener Elternteil für sich im eigenen Namen - beschränkt auf diesen Berufungsgrund gem. § 1948 Abs. 1 BGB - und als vertretungsberechtigter Elternteil für das - hier unterstellt - als Ersatzerbe (§ 2096 BGB) eingesetzte Kind die gewillkürte Erbschaft bei werthaltigem Nachlass ausschlägt, um die gesetzliche Erbfolge zu ermöglichen, bei welchem er selbst, nicht jedoch sein Kind - hier der Beteiligte zu 4) - als Erbe zum Zuge kommt, und um sodann das gesetzliche Erbe für sich anzunehmen (sog. lenkende Ausschlagung), nicht in Betracht.
Eine ausnahmsweise zulässige richterliche Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Ob eine derartige Lücke besteht, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrundeliegenden Regelungsabsicht zu beurteilen. Das Gesetz muss, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig sein. Nach diesem Maßstab gebieten weder der Gesetzgeberwille und die Entstehungsgeschichte der Norm noch Sinn und Zweck der Regelung zur Befreiung vom Genehmigungserfordernis für den Fall, dass die Erbschaft dem Minderjährigen erst infolge der Ausschlagung seines sorgeberechtigten Elternteils eintritt, eine Beschränkung ihres Anwendungsbereichs, wie sie das OLG vorgenommen hat.
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Döll in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023
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