24.05.2024

Zur Prüfung des Zeitkorridors des Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-VO

Im Falle von Flugverbindungen ist bei der Prüfung des Zeitkorridors des Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-Verordnung auf die planmäßige Abflugszeit am Ausgangs-Flughafen, nicht auf diejenige am Umstiege-Flughafen abzustellen. Durch eine "Verfrühung" des Anschlussflugs verringern sich die Unannehmlichkeiten für den Fluggast in der Regel, da er weniger Zeit am Umsteige-Flughafen verbringen muss.

AG Köln v. 10.4.2024 - 149 C 606/23
Der Sachverhalt:
Die Reisenden hatten die von der Beklagten auszuführenden Flugverbindungen N01, planmäßig 16:00 Uhr - 16:15 Uhr (Lokalzeit) und N02, planmäßig 18:15 Uhr - 19:50 Uhr (Lokalzeit) gebucht. N01 wurde pünktlich durchgeführt. N02 wurde von der Beklagten annulliert. Den Fluggästen wurde von der Beklagten eine Ersatzbeförderung angeboten. Die Entfernung betrug, berechnet nach der Großkreismethode, 1.374 km.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 30.5.2023 unter Fristsetzung bis zum 13.6.2023 erfolglos zur Zahlung der streitgegenständlichen Ausgleichsleistungen auf. Die Reisenden hatten zuvor die streitgegenständlichen Ausgleichsansprüche an sie abgetreten. Die Beklagte behauptete, N02 habe aufgrund Blitzschlags annulliert werden müssen und frühere Beförderungs-Möglichkeiten als die vorgenommene Ersatzbeförderung habe es nicht gegeben. Sie war ferner der Ansicht, sie könne sich auf den Anspruchs-Ausschluss nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-VO berufen.

Das AG hat die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf 2.000 € aus Art. 7 Abs. 1 lit. a), Art. 5 Abs. 1 c) Fluggastrechte-VO i.V.m. § 398 BGB aufgrund der Annullierung des Anschlussflugs N02 betreffend die Fluggäste. Denn die Beklagte hatte die Fluggäste rechtzeitig i.S.v. Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-VO ersatzbefördert.

Die Fluggäste sollten planmäßig um 19:50 Uhr ihr Ziel erreichen und kamen dort um 21:30 Uhr - mithin mit einer Verspätung von weniger als zwei Stunden - an. Aber auch hinsichtlich der Abflugzeit waren die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-VO eingehalten. Denn es kommt im Falle des annullierten Anschlussflugs nicht auf eine "Verfrühung" am Umsteige-Flughafen, sondern auf eine "Verfrühung" am Ausgangs-Flughafen an. Für eine solche Betrachtung spricht bereits, dass auch bei der Frage der Anwendbarkeit der Fluggastrechte-VO bei einheitlicher Buchung auf die gesamte Flug-Verbindung abgestellt wird und gerade keine Aufspaltung nach einzelnen Teilflügen stattfindet (EuGH, Urt. v. 24.02.2022 - C-451/20).

Auch die Systematik der Vorschrift spricht gegen ein Abstellen auf die "Verfrühung" am Umsteige-Flughafen. Denn in der Konsequenz müsste dem Fluggast dann auch im umgekehrten Fall der volle Ausgleichs-Anspruch zustehen, wenn also das ausführende Luftfahrtunternehmen den Zubringer-Flug annulliert, der Fluggast aber den deutlich später stattfindenden Anschlussflug noch erreicht, weil der "Ersatz-Zubringerflug" früher - indes über zwei Stunden nach der planmäßigen Landung des ursprünglichen Zubringerflugs - den Umsteige-Flughafen erreicht als der planmäßig durchgeführte Anschlussflug dort startet. Dies ist allerdings durch das Wort "Endziel" in der vorgenannten Vorschrift gerade ausgeschlossen. Insbesondere aber sprechen Sinn und Zweck der Vorschrift gegen eine Auslegung, wie sie die Klägerseite vertrat.

Bei der streitgegenständlichen Vorschrift geht es gerade darum, dass eine erhebliche Vorverlegung eines Fluges in gleicher Weise wie dessen Verspätung für die Fluggäste zu schwerwiegenden Unannehmlichkeiten führen kann, da eine solche Vorverlegung ihnen die Möglichkeit nimmt, frei über ihre Zeit zu verfügen und ihre Reise oder ihren Aufenthalt nach Maßgabe ihrer Erwartungen zu gestalten. Dies ist hiernach insbesondere dann der Fall, wenn ein Fluggast, der alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat, aufgrund der Vorverlegung des von ihm gebuchten Fluges das Flugzeug nicht nehmen kann. Es ist auch dann der Fall, wenn die neue Abflugzeit den Fluggast zwingt, erhebliche Anstrengungen zu unternehmen, um seinen Flug zu erreichen.

Eine solche Unannehmlichkeit besteht aber gerade nicht, wenn es lediglich am Umsteige-Flughafen zu einer Vorverlegung in Form einer Umbuchung kommt. Denn in diesem Fall konnte der Fluggast durch die Vorverlegung keinerlei Schwierigkeiten haben, seinen Flug zu erreichen, denn der Zubringer-Flug ist ja - wie im vorliegenden Fall - gerade pünktlich - und nicht etwa verfrüht - durchgeführt worden. Im Gegenteil verringern sich die Unannehmlichkeiten für den Fluggast durch die "Verfrühung" des Anschlussflugs sogar, indem er weniger Zeit am Umsteige-Flughafen verbringen muss.

Mehr zum Thema:

Aufsatz
Die Entwicklung des Reiserechts der Luftbeförderung einschließlich der EU-Fluggastrechte-VO im Jahr 2022
Charlotte Achilles-Pujol, MDR 2023, 1023

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