09.07.2014

Zur rechtlichen Beurteilung eines Mischmietverhältnisses

Lässt sich ein Überwiegen der gewerblichen Nutzung nicht feststellen, sind vorrangig die für die Wohnraummiete geltenden Vorschriften anzuwenden. Andernfalls würden die zum Schutz des Wohnraummieters bestehenden zwingenden Sonderregelungen unterlaufen.

BGH 9.7.2014, VIII ZR 376/13
Der Sachverhalt:
Die Kläger sind Vermieter eines mehrstöckigen Hauses in Berlin. Sie hatten im November 2006 mit den Beklagten einen Mietvertrag abgeschlossen. Darin wurde es den Mietern gestattet, die Räume im Erdgeschoss als Hypnosepraxis zu nutzen. Im Februar 2012 kündigten die Kläger das Mietverhältnis ohne Angaben von Kündigungsgründen zum 30.9.2012. Nachdem die Beklagten der Kündigung widersprochen hatten, erhoben die Kläger Räumungsklage.

Das LG hatte das Mietverhältnis als Wohnraummiete eingeordnet und die Klage mangels sachlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger verurteilte das KG die Beklagten zur Räumung und Herausgabe des Hauses. Im Gegensatz zum LG hatte es das Mietverhältnis als Gewerberaummiete eingestuft und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, ein Mischmietverhältnis, wie es hier gegeben sei, unterliege insgesamt entweder dem Wohnraum- oder dem Gewerberaummietrecht, je nachdem, welcher Vertragszweck nach dem Parteiwillen bei Vertragsschluss überwiege.

Infolgedessen sei im vorliegenden Fall ausschlaggebend, dass die Beklagten in einem Teil der Mieträume mit dem Betrieb der Hypnosepraxis ihren Lebensunterhalt bestritten. Dies mache die freiberufliche Nutzung zum vorherrschenden Vertragszweck. Dem stehe auch nicht die Verteilung der Flächen auf die verschiedenen Nutzungszwecke entgegen. Denn die für die gewerbliche Nutzung und die für die Wohnnutzung vorgesehenen Flächen seien gleich groß. Da die gewerbliche Nutzung den Schwerpunkt des Mietverhältnisses bilde, sei - anders als bei der Wohnraummiete - für eine Kündigung des Mietverhältnisses kein berechtigtes Interesse erforderlich.

Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Räumungsklage ab.

Die Gründe:
Die Kläger haben gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe des Hauses.

Zwar war das Berufungsgericht zutreffend von einem Mischmietverhältnis, also einem einheitlichen Mietverhältnis über Wohn- und Geschäftsräume, ausgegangen, dessen Beurteilung sich wegen der von den Parteien gewollten Einheitlichkeit entweder nach den Bestimmungen der Wohnraummiete oder nach den Vorschriften der Geschäftsraummiete richtet. Ebenfalls zutreffend hatte das KG für die rechtliche Einordnung des Mietverhältnisses auf den überwiegenden Vertragszweck bei Vertragsabschluss abgestellt.

Allerdings hatte das Berufungsgericht zu Unrecht den vorherrschenden Vertragszweck allein deswegen in der Nutzung zu freiberuflichen Zwecken gesehen, weil die Mieter in den angemieteten Räumen eine Hypnosepraxis betreiben und damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Denn das Bestreiten des Lebensunterhalts durch eine freiberufliche oder gewerbliche Nutzung stellt kein sachgerechtes Kriterium für die Bestimmung des überwiegenden Nutzungszwecks dar. Es besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz dahin, dass bei einem Mischmietverhältnis die Schaffung einer Erwerbsgrundlage Vorrang vor der Wohnnutzung hat. Dass das Wohnen als wesentlicher Aspekt des täglichen Lebens generell hinter der Erwerbstätigkeit des Mieters zurücktreten soll, lässt sich weder mit der Bedeutung der Wohnung als - grundrechtlich geschütztem - Ort der Verwirklichung privater Lebensvorstellungen, noch mit dem Stellenwert, dem das Wohnen in der heutigen Gesellschaft zukommt, in Einklang bringen.

Bei der gebotenen Einzelfallprüfung sind vielmehr alle auslegungsrelevanten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wobei etwa der Verwendung eines auf eine der beiden Nutzungsarten zugeschnittenen Vertragsformulars, dem Verhältnis der für die jeweilige Nutzungsart vorgesehen Flächen und der Verteilung der Gesamtmiete auf die einzelnen Nutzungsanteile Indizwirkung zukommen kann. Lässt sich hingegen ein Überwiegen der gewerblichen Nutzung nicht feststellen, sind vorrangig die für die Wohnraummiete geltenden Vorschriften anzuwenden. Andernfalls würden die zum Schutz des Wohnraummieters bestehenden zwingenden Sonderregelungen unterlaufen.

Da die Auslegung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft war und weitere Feststellungen nicht zu erwarten waren, hat der Senat die gebotene Vertragsauslegung selbst vorgenommen und entschieden, dass hier u.a. wegen des auf die Wohnraummiete zugeschnittenen Mietvertragsformulars, der für Gewerberaummietverhältnisse untypischen unbestimmten Vertragslaufzeit sowie wegen der Vereinbarung einer einheitlichen Miete ohne Umsatzsteuerausweis von einem Wohnraummietverhältnis auszugehen war.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
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BGH PM Nr. 109 vom 9.7.2014
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