15.03.2023

Zur Reichweite der Haftung des Halters eines Anhängers

Auch wenn der Fahrer des Pkw, der die Kontrolle über das von ihm geführte Fahrzeug verloren hatte, den Unfallablauf maßgeblich bestimmt haben mag, ist das Schadensgeschehen bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung durch den Anhänger (mit)geprägt worden und auch seinem Betrieb zuzurechnen. Gefahr wird vom Schutzzweck des § 7 Abs. 1 StVG a.F. bzw. § 19 Abs. 1 Satz 1 StVG n.F. erfasst.

BGH v. 7.2.2023 - VI ZR 87/22
Der Sachverhalt:
Am Unfalltag, dem 9.9.2017 gegen 22:45 Uhr, kam der bei der Beklagten versicherte Fahrer eines Pkw in einer Linkskurve nach rechts von der Fahrbahn ab und stieß gegen ein Gebäude sowie gegen einen bei der Beklagten versicherten Anhänger. Durch den Aufprall rollte der Anhänger nach vorne und stieß gegen das bei der Klägerin versicherte Gebäude. Hierdurch wurden das Eingangstor zum Grundstück sowie die Fassade des Gebäudes beschädigt. Die Klägerin erstattete dem Gebäudeeigentümer die für die Beseitigung der Schäden entstandenen Kosten. Später nahm sie den beklagten Haftpflichtversicherer aus übergegangenem Recht aufgrund eines Unfallereignisses auf Ersatz materiellen Schadens in Anspruch.

Das AG hat der Klage stattgegeben. Das LG hat sie abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Urteil des LG aufgehoben und die Berufung zurückgewiesen.

Gründe:
Entgegen der Auffassung des LG sind die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG a.F. zu bejahen. Die Beschädigung des bei der Klägerin versicherten Gebäudes ist beim Betrieb des bei der Beklagten versicherten Anhängers eingetreten.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts haben sich in dem Schadensgeschehen die von dem Anhänger ausgehenden Gefahren ausgewirkt. Auch wenn der Fahrer des Pkw, der die Kontrolle über das von ihm geführte Fahrzeug verloren hatte, den Unfallablauf maßgeblich bestimmt haben mag, ist das Schadensgeschehen bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung durch den Anhänger (mit)geprägt worden und auch seinem Betrieb zuzurechnen. Gefahr wird vom Schutzzweck des § 7 Abs. 1 StVG a.F. bzw. § 19 Abs. 1 Satz 1 StVG n.F. erfasst.

Eine Zurechnung des entstandenen Gebäudeschadens zum Betrieb des bei der Beklagten versicherten Anhängers ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht deshalb zu verneinen, weil der Fahrer des Pkw, der die Kontrolle über das von ihm geführte Fahrzeug verloren hatte, das Unfallgeschehen maßgeblich bestimmt habe. Diesem Umstand kann bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge im Rahmen eines etwaigen Gesamtschuldnerinnenausgleichs der Schädiger gem. § 426 Abs. 1, § 254 Abs. 1 BGB Bedeutung zukommen. Er rechtfertigt aber nicht die Annahme, dass es an dem im Rahmen der Gefährdungshaftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang zwischen dem eingetretenen Gebäudeschaden und dem Betrieb des Anhängers fehle.

Die Haftung der Beklagten kann schließlich auch nicht mit der Erwägung verneint werden, der im Streitfall eingetretene Schaden hätte in gleicher Weise durch einen an derselben Stelle befindlichen Müllcontainer mit Rollen verursacht werden können. Die Bestimmungen in § 7 Abs. 1 StVG a.F. und § 19 Abs. 1 Satz 1 StVG n.F. beschränken die Einstandspflicht des Halters nicht auf fahrzeugspezifische Gefahren in dem Sinne, dass sie nur Schäden erfassten, die allein durch ein Fahrzeug bzw. einen zum Mitführen durch ein Kraftfahrzeug bestimmten Anhänger verursacht werden können.

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