Zur Rückerstattung der Reisekosten bei pandemiebedingtem Rücktritt
EuGH v. 29.2.2024 - C-584/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger buchte im Januar 2020 bei dem beklagten Reiseunternehmen Kiwi Tours eine Reise nach Japan, die vom 3.-12.4.2020 stattfinden und 6.148 € kosten sollte. Am 31.1.2020 leistete er eine Anzahlung von 1.230 €. Mit Schreiben vom 1.3.2020 trat der Verbraucher wegen der vom Corona-Virus ausgehenden Gesundheitsgefährdung von der Reise zurück. Die Beklagte erstellte daraufhin eine Stornorechnung über weitere 307 €, die der Kläger bezahlte. Am 26.3.2020 erließ Japan ein Einreiseverbot. Der Kläger verlangte hierauf Rückzahlung der geleisteten Beträge. Da die Beklagte dem nicht nachkam, nahm der Kläger die Beklagte vor den deutschen Gerichten in Anspruch.
Das AG gab der Klage statt; das LG wies sie ab. Das LG machte geltend, man habe zum Zeitpunkt des Rücktritts nicht vom Vorliegen "unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände" i.S.v. § 651h Abs. 3 BGB ausgehen können. Der Verbraucher sei daher nicht berechtigt gewesen, von diesem Pauschalreisevertrag ohne Zahlung einer Rücktrittsgebühr zurückzutreten. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und möchte vom EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens wissen, ob nach dem Unionsrecht für die Beurteilung der Berechtigung des Rücktritts vom betreffenden Pauschalreisevertrag nur jene unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände maßgeblich sind, die im Zeitpunkt des Rücktritts bereits aufgetreten sind, oder ob auch unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände zu berücksichtigen sind, die nach dem Rücktritt, aber noch vor dem geplanten Beginn der Reise tatsächlich auftreten.
Die Gründe:
Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2015/2302 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen ist dahin auszulegen, dass für die Feststellung, ob "unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände" aufgetreten sind, die im Sinne dieser Bestimmung die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen", nur die Situation zu berücksichtigen ist, die zu dem Zeitpunkt bestand, zu dem der Reisende vom Reisevertrag zurückgetreten ist.
Würde man stattdessen die Möglichkeit, dieses Recht auszuüben, von Entwicklungen abhängig machen, die nach der Rücktrittserklärung eintreten, würde dies zu fortdauernder Unsicherheit führen, die erst zu dem für den Beginn der Pauschalreise vorgesehenen Zeitpunkt beseitigt würde.
Zwar könnte es den Schutz des betreffenden Reisenden verbessern, wenn für die Ausübung des in Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2015/2302 verankerten Rechts, von einem Pauschalreisevertrag ohne Zahlung einer Rücktrittsgebühr zurückzutreten, Entwicklungen, die nach dem Rücktritt von diesem Vertrag, aber vor Beginn der betreffenden Pauschalreise eintreten, als entscheidend angesehen und die Durchführung des Vertrags letztlich tatsächlich verhindern würden. Es könnte jedoch auch umgekehrt dazu kommen, dass sich nach dem Rücktritt vom Vertrag herausstellt, dass die Pauschalreise infolge einer unerwarteten Verbesserung der betreffenden Situation doch noch durchführbar ist. In diesem Fall würde dem Reisenden das Recht genommen, von seinem Pauschalreisevertrag ohne Zahlung einer Rücktrittsgebühr zurückzutreten, und zwar auch dann, wenn er sich zum Zeitpunkt des Rücktritts von seinem Reisevertrag auf eine realistische Prognose der Wahrscheinlichkeit einer solchen Verhinderung gestützt hat.
Im vorliegenden Fall geht aus den Erläuterungen des BGH hervor, dass der betreffende Reisende im Ausgangsrechtsstreit unter Berufung auf die fortschreitende Ausbreitung von Covid-19 oder sogar die Entstehung einer Covid-19-Pandemie als "unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände" i.S.v. Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2015/2302 ohne Zahlung einer Rücktrittsgebühr von seinem Pauschalreisevertrag zurücktreten wollte.
Mehr zum Thema:
Aufsatz:
Die Entwicklung des Reiserechts der Luftbeförderung einschließlich der EU-Fluggastrechte-VO im Jahr 2021
Charlotte Achilles-Pujol, MDR 2023, 65
Aktionsmodul Zivilrecht:
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Der Kläger buchte im Januar 2020 bei dem beklagten Reiseunternehmen Kiwi Tours eine Reise nach Japan, die vom 3.-12.4.2020 stattfinden und 6.148 € kosten sollte. Am 31.1.2020 leistete er eine Anzahlung von 1.230 €. Mit Schreiben vom 1.3.2020 trat der Verbraucher wegen der vom Corona-Virus ausgehenden Gesundheitsgefährdung von der Reise zurück. Die Beklagte erstellte daraufhin eine Stornorechnung über weitere 307 €, die der Kläger bezahlte. Am 26.3.2020 erließ Japan ein Einreiseverbot. Der Kläger verlangte hierauf Rückzahlung der geleisteten Beträge. Da die Beklagte dem nicht nachkam, nahm der Kläger die Beklagte vor den deutschen Gerichten in Anspruch.
Das AG gab der Klage statt; das LG wies sie ab. Das LG machte geltend, man habe zum Zeitpunkt des Rücktritts nicht vom Vorliegen "unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände" i.S.v. § 651h Abs. 3 BGB ausgehen können. Der Verbraucher sei daher nicht berechtigt gewesen, von diesem Pauschalreisevertrag ohne Zahlung einer Rücktrittsgebühr zurückzutreten. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und möchte vom EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens wissen, ob nach dem Unionsrecht für die Beurteilung der Berechtigung des Rücktritts vom betreffenden Pauschalreisevertrag nur jene unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände maßgeblich sind, die im Zeitpunkt des Rücktritts bereits aufgetreten sind, oder ob auch unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände zu berücksichtigen sind, die nach dem Rücktritt, aber noch vor dem geplanten Beginn der Reise tatsächlich auftreten.
Die Gründe:
Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2015/2302 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen ist dahin auszulegen, dass für die Feststellung, ob "unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände" aufgetreten sind, die im Sinne dieser Bestimmung die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen", nur die Situation zu berücksichtigen ist, die zu dem Zeitpunkt bestand, zu dem der Reisende vom Reisevertrag zurückgetreten ist.
Würde man stattdessen die Möglichkeit, dieses Recht auszuüben, von Entwicklungen abhängig machen, die nach der Rücktrittserklärung eintreten, würde dies zu fortdauernder Unsicherheit führen, die erst zu dem für den Beginn der Pauschalreise vorgesehenen Zeitpunkt beseitigt würde.
Zwar könnte es den Schutz des betreffenden Reisenden verbessern, wenn für die Ausübung des in Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2015/2302 verankerten Rechts, von einem Pauschalreisevertrag ohne Zahlung einer Rücktrittsgebühr zurückzutreten, Entwicklungen, die nach dem Rücktritt von diesem Vertrag, aber vor Beginn der betreffenden Pauschalreise eintreten, als entscheidend angesehen und die Durchführung des Vertrags letztlich tatsächlich verhindern würden. Es könnte jedoch auch umgekehrt dazu kommen, dass sich nach dem Rücktritt vom Vertrag herausstellt, dass die Pauschalreise infolge einer unerwarteten Verbesserung der betreffenden Situation doch noch durchführbar ist. In diesem Fall würde dem Reisenden das Recht genommen, von seinem Pauschalreisevertrag ohne Zahlung einer Rücktrittsgebühr zurückzutreten, und zwar auch dann, wenn er sich zum Zeitpunkt des Rücktritts von seinem Reisevertrag auf eine realistische Prognose der Wahrscheinlichkeit einer solchen Verhinderung gestützt hat.
Im vorliegenden Fall geht aus den Erläuterungen des BGH hervor, dass der betreffende Reisende im Ausgangsrechtsstreit unter Berufung auf die fortschreitende Ausbreitung von Covid-19 oder sogar die Entstehung einer Covid-19-Pandemie als "unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände" i.S.v. Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2015/2302 ohne Zahlung einer Rücktrittsgebühr von seinem Pauschalreisevertrag zurücktreten wollte.
Aufsatz:
Die Entwicklung des Reiserechts der Luftbeförderung einschließlich der EU-Fluggastrechte-VO im Jahr 2021
Charlotte Achilles-Pujol, MDR 2023, 65
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