Zur Vertretung von Eigentümergemeinschaften ohne Verwalter
BGH v. 16.9.2022 - V ZR 180/21
Der Sachverhalt:
Die früheren Kläger zu 1) und 2) sowie die Beklagten bildeten die Klägerin zu 3), eine verwalterlose Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Den Klägern zu 1) und 2), die über eine knappe Mehrheit der Stimmen verfügen, gehören gemeinsam zwei Einheiten. Die Beklagten waren bis Ende April 2021 gemeinsame Eigentümer der beiden anderen Einheiten.
In der Eigentümerversammlung vom 19.11.2019 war mit den Stimmen der Kläger zu 1) und 2) zu TOP 1 die Sanierung des Daches und zu TOP 2 die Erhebung einer Sonderumlage von 100.000 € mit Fälligkeit zum 31.12.2019 beschlossen worden. Die allein gegen den Beschluss zu TOP 1 gerichtete Anfechtungsklage der Beklagten hatte in der Berufungsinstanz Erfolg. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der hiesigen Kläger zu 1) und 2) (dort Beklagte) hob der Senat das Urteil mit Beschluss vom 7.4.2022 (V ZR 165/21) auf und verwies die Sache an das LG zurück.
In dem vorliegenden Verfahren hat das AG die zunächst noch von den Klägern zu 1) und 2) erhobene Klage auf Zahlung der Sonderumlage an die GdWE abgewiesen. Dagegen haben die Kläger zu 1) und 2) Berufung eingelegt. Mit einem am 1.4.2021 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz haben sie die Klage im Wege des Parteiwechsels dahingehend geändert, dass nunmehr die GdWE Klägerin ist. Danach veräußerten die Beklagten ihre beiden Einheiten; die Umschreibung im Grundbuch ist am 28.4.2021 erfolgt. Das LG hat der geänderten Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Ohne Erfolg wandte sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht den Parteiwechsel auf Klägerseite als sachdienlich zugelassen hatte (§ 533 ZPO i.V.m. § 263 ZPO). Ob anders als bei der Zulassung eines Parteiwechsels auf Beklagtenseite eine Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht gem. § 268 ZPO ausgeschlossen ist, ist nicht entscheidungserheblich, weil die Zulassung des Parteiwechsels jedenfalls nicht zu beanstanden ist. Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf verwiesen, dass die Rechtsverteidigung der Beklagten durch den Klägerwechsel nicht beeinträchtigt wird; die Klage richtet sich unverändert auf das von Anfang an verfolgte Ziel, nämlich die Zahlung der anteiligen Sonderumlage auf das Gemeinschaftskonto.
Zutreffend ist ferner die Annahme des Berufungsgerichts, dass die GdWE wirksam vertreten ist. Hat die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer keinen Verwalter, so wird sie bei einer gegen einzelne Wohnungseigentümer gerichteten Klage durch die übrigen Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten. Verbleibt nur ein Wohnungseigentümer, der keinem Vertretungsverbot unterliegt, vertritt er den klagenden Verband allein (Fortführung von Senat, Urt. v. 8.7.2022 - V ZR 202/21).
Darauf, dass ein Beschluss der GdWE über die Erhebung der Zahlungsklage offenkundig nicht gefasst worden ist, kommt es für die Zulässigkeit der Klage im Ergebnis nicht an. In einer verwalterlosen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bedarf die Erhebung einer gegen einen einzelnen Wohnungseigentümer gerichteten Klage auf anteilige Zahlung einer beschlossenen Sonderumlage keiner auf die Klageerhebung bezogenen Beschlussfassung. Erhebt der Verwalter im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Klage gegen einzelne Wohnungseigentümer, sind Beschränkungen seiner Vertretungsmacht im Innenverhältnis, die die Befugnis zur Klageerhebung betreffen, jedenfalls im Grundsatz nicht zu überprüfen.
Schließlich war es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Klage in der Sache als begründet angesehen hat. Der zu TOP 2 gefasste Beschluss vom 19.11.2019 begründet die anteilige Zahlungspflicht der Beklagten. Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Wohnungseigentümer die Beitragsvorschüsse zu leisten, die während der Dauer seiner Mitgliedschaft in der Eigentümergemeinschaft aufgrund von wirksam beschlossenen Wirtschaftsplänen oder Sonderumlagen fällig werden (sog. "Fälligkeitstheorie").
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Die früheren Kläger zu 1) und 2) sowie die Beklagten bildeten die Klägerin zu 3), eine verwalterlose Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Den Klägern zu 1) und 2), die über eine knappe Mehrheit der Stimmen verfügen, gehören gemeinsam zwei Einheiten. Die Beklagten waren bis Ende April 2021 gemeinsame Eigentümer der beiden anderen Einheiten.
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In dem vorliegenden Verfahren hat das AG die zunächst noch von den Klägern zu 1) und 2) erhobene Klage auf Zahlung der Sonderumlage an die GdWE abgewiesen. Dagegen haben die Kläger zu 1) und 2) Berufung eingelegt. Mit einem am 1.4.2021 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz haben sie die Klage im Wege des Parteiwechsels dahingehend geändert, dass nunmehr die GdWE Klägerin ist. Danach veräußerten die Beklagten ihre beiden Einheiten; die Umschreibung im Grundbuch ist am 28.4.2021 erfolgt. Das LG hat der geänderten Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Ohne Erfolg wandte sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht den Parteiwechsel auf Klägerseite als sachdienlich zugelassen hatte (§ 533 ZPO i.V.m. § 263 ZPO). Ob anders als bei der Zulassung eines Parteiwechsels auf Beklagtenseite eine Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht gem. § 268 ZPO ausgeschlossen ist, ist nicht entscheidungserheblich, weil die Zulassung des Parteiwechsels jedenfalls nicht zu beanstanden ist. Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf verwiesen, dass die Rechtsverteidigung der Beklagten durch den Klägerwechsel nicht beeinträchtigt wird; die Klage richtet sich unverändert auf das von Anfang an verfolgte Ziel, nämlich die Zahlung der anteiligen Sonderumlage auf das Gemeinschaftskonto.
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