Zur Wirksamkeit der Abtretung des Anspruchs eines Mieters an einen Inkassodienstleister auf Rückerstattung zu viel gezahlter Miete
BGH v. 30.3.2022 - VIII ZR 121/21
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GmbH, die über eine Registrierung gem. § 10 RDG für den Bereich der Inkassodienstleistungen verfügt und aus abgetretenem Recht des Mieters einer Wohnung der beklagten Vermieterin gegenüber Ansprüche wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Begrenzung der Miethöhe (§ 556d BGB i.V.m. der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28.4.2015, in Kraft getreten am 1.6.2015) geltend macht. Die Mieterin wohnt seit November 2017 in einer 51,47 qm große Wohnung der Beklagten, die gemäß der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt. Die vertraglich vereinbarte Nettokaltmiete beläuft sich auf monatlich 1.055 €.
Die Klägerin bietet über eine Internetseite u.a. die Möglichkeit an, sie durch Klicken eines Buttons, der die Aufschrift "Mietsenkung beauftragen" trägt, mit der außergerichtlichen Durchsetzung von Forderungen sowie etwaiger Feststellungsbegehren gegen ihren Vermieter "im Zusammenhang mit der sog. Mietpreisbremse" zu beauftragen. Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin die Erteilung näher bezeichneter Auskünfte im Zusammenhang mit den Regelungen über die "Mietpreisbremse" verlangt und die Rückzahlung von 198 € Miete für einen - nicht näher bezeichneten - Monat sowie die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten von 731,55 €, jeweils nebst Zinsen, begehrt.
Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Sie hielten die Abtretung der streitgegenständlichen Ansprüche des Mieters an die Klägerin gem. § 134 BGB, § 2 Abs. 1, §§ 3, 5, 10 RDG für nichtig, weil die Klägerin durch ihre Tätigkeiten gegen das RDG verstoße. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Urteil das LG aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gründe:
Das LG hat rechtsfehlerhaft angenommen, die Klägerin sei gegenüber der Beklagten für die geltend gemachten Ansprüche nicht aktiv legitimiert, weil die Abtretung der hier streitgegenständlichen Forderungen an die Klägerin wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 3 RDG) nach § 134 BGB nichtig sei.
Die von der Klägerin, die als Inkassodienstleisterin bei der zuständigen Behörde registriert ist, für den Mieter erbrachten Tätigkeiten sind durch die nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF erteilte Befugnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen im Bereich der Inkassodienstleistungen (noch) gedeckt. Dies hat der Senat bereits vor der Verkündung des Berufungsurteils durch seine Urteile vom 8.4.2020 (VIII ZR 130/19), vom 6.5.2020 (VIII ZR 120/19) sowie vom 27.5.2020 (VIII ZR 31/19; VIII ZR 121/19; VIII ZR 128/19; VIII ZR 129/19), die auch der für den Streitfall zuständigen Berufungskammer zugrunde liegen, bekräftigt.
Anders als das LG meinte, kann eine Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF nicht damit begründet werden, die Rückforderung einer von dem Mieter an den Vermieter unter Vorbehalt gezahlten überhöhten Miete könne nicht mehr als eigenständige Inkassodienstleistung i.S.d. RDG beurteilt werden, wenn der Auftrag des Mieters an die für ihn handelnde Klägerin darüber hinausgehend laute, für ihn die "Mietpreisbremse" bei dem Vermieter durchzusetzen und die im Wohnungsmietvertrag vereinbarte Miete auf das höchstzulässige Maß herabzusetzen. Zu Unrecht stellt das LG darauf ab, unter den gegebenen Umständen falle die Rückforderung der überhöhten Miete wirtschaftlich nur unerheblich ins Gewicht, so dass die Tätigkeit der Klägerin im Wesentlichen auf die Abwehr von Ansprüchen gerichtet sei.
Diese Argumentation ist rechtsfehlerhaft und verschließt sich der Rechtsprechung des Senats, der in seinem grundlegenden Urteil vom 27.11.2019 (VIII ZR 285/18) entschieden hat, dass eine Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF (auch) nicht aus dem Umstand folgt, dass die Klägerin in ihrem Rügeschreiben die Vermieterin zusätzlich dazu aufgefordert hat, künftig von dem Mieter nicht mehr die von der Klägerin als überhöht gerügte Miete zu verlangen, sondern diese auf den zulässigen Höchstbetrag herabzusetzen. Diese Aufforderung ist nicht als eine - einem registrierten Inkassodienstleister nicht gestattete - Maßnahme der Anspruchsabwehr anzusehen. Denn es handelt sich bei ihr nicht um eine Reaktion auf ein Verlangen der Vermieterin, sondern um eine in engem Zusammenhang mit der von der Klägerin zulässigerweise erhobenen Rüge und dem von ihr geltend gemachten Anspruch auf Rückerstattung zu viel gezahlter Miete stehende Maßnahme, die letztlich dazu dient, für die Zukunft die Geltendmachung weitergehender Rückzahlungsansprüche des Mieters entbehrlich zu machen.
Neue Gesichtspunkte, die Veranlassung geben könnten, von den die Senatsrechtsprechung tragenden Grundsätzen abzuweichen, hat das Berufungsgericht nicht aufgezeigt.
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Die Klägerin ist eine GmbH, die über eine Registrierung gem. § 10 RDG für den Bereich der Inkassodienstleistungen verfügt und aus abgetretenem Recht des Mieters einer Wohnung der beklagten Vermieterin gegenüber Ansprüche wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Begrenzung der Miethöhe (§ 556d BGB i.V.m. der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28.4.2015, in Kraft getreten am 1.6.2015) geltend macht. Die Mieterin wohnt seit November 2017 in einer 51,47 qm große Wohnung der Beklagten, die gemäß der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt. Die vertraglich vereinbarte Nettokaltmiete beläuft sich auf monatlich 1.055 €.
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Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Sie hielten die Abtretung der streitgegenständlichen Ansprüche des Mieters an die Klägerin gem. § 134 BGB, § 2 Abs. 1, §§ 3, 5, 10 RDG für nichtig, weil die Klägerin durch ihre Tätigkeiten gegen das RDG verstoße. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Urteil das LG aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gründe:
Das LG hat rechtsfehlerhaft angenommen, die Klägerin sei gegenüber der Beklagten für die geltend gemachten Ansprüche nicht aktiv legitimiert, weil die Abtretung der hier streitgegenständlichen Forderungen an die Klägerin wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 3 RDG) nach § 134 BGB nichtig sei.
Die von der Klägerin, die als Inkassodienstleisterin bei der zuständigen Behörde registriert ist, für den Mieter erbrachten Tätigkeiten sind durch die nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF erteilte Befugnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen im Bereich der Inkassodienstleistungen (noch) gedeckt. Dies hat der Senat bereits vor der Verkündung des Berufungsurteils durch seine Urteile vom 8.4.2020 (VIII ZR 130/19), vom 6.5.2020 (VIII ZR 120/19) sowie vom 27.5.2020 (VIII ZR 31/19; VIII ZR 121/19; VIII ZR 128/19; VIII ZR 129/19), die auch der für den Streitfall zuständigen Berufungskammer zugrunde liegen, bekräftigt.
Anders als das LG meinte, kann eine Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF nicht damit begründet werden, die Rückforderung einer von dem Mieter an den Vermieter unter Vorbehalt gezahlten überhöhten Miete könne nicht mehr als eigenständige Inkassodienstleistung i.S.d. RDG beurteilt werden, wenn der Auftrag des Mieters an die für ihn handelnde Klägerin darüber hinausgehend laute, für ihn die "Mietpreisbremse" bei dem Vermieter durchzusetzen und die im Wohnungsmietvertrag vereinbarte Miete auf das höchstzulässige Maß herabzusetzen. Zu Unrecht stellt das LG darauf ab, unter den gegebenen Umständen falle die Rückforderung der überhöhten Miete wirtschaftlich nur unerheblich ins Gewicht, so dass die Tätigkeit der Klägerin im Wesentlichen auf die Abwehr von Ansprüchen gerichtet sei.
Diese Argumentation ist rechtsfehlerhaft und verschließt sich der Rechtsprechung des Senats, der in seinem grundlegenden Urteil vom 27.11.2019 (VIII ZR 285/18) entschieden hat, dass eine Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der Klägerin nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF (auch) nicht aus dem Umstand folgt, dass die Klägerin in ihrem Rügeschreiben die Vermieterin zusätzlich dazu aufgefordert hat, künftig von dem Mieter nicht mehr die von der Klägerin als überhöht gerügte Miete zu verlangen, sondern diese auf den zulässigen Höchstbetrag herabzusetzen. Diese Aufforderung ist nicht als eine - einem registrierten Inkassodienstleister nicht gestattete - Maßnahme der Anspruchsabwehr anzusehen. Denn es handelt sich bei ihr nicht um eine Reaktion auf ein Verlangen der Vermieterin, sondern um eine in engem Zusammenhang mit der von der Klägerin zulässigerweise erhobenen Rüge und dem von ihr geltend gemachten Anspruch auf Rückerstattung zu viel gezahlter Miete stehende Maßnahme, die letztlich dazu dient, für die Zukunft die Geltendmachung weitergehender Rückzahlungsansprüche des Mieters entbehrlich zu machen.
Neue Gesichtspunkte, die Veranlassung geben könnten, von den die Senatsrechtsprechung tragenden Grundsätzen abzuweichen, hat das Berufungsgericht nicht aufgezeigt.
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