Zur Wirksamkeit des die Abtretung eines Grundschuldrückgewähranspruchs betreffenden formularmäßigen Zustimmungsvorbehalts der Bank
BGH v. 14.1.2022 - V ZR 255/20
Der Sachverhalt:
Der zwischenzeitlich verstorbene S (nachfolgend Sicherungsgeber) bestellte der Rechtsvorgängerin der beklagten Bank (nachfolgend einheitlich: Beklagte) 1997 eine Buchgrundschuld i.H.v. 300.000 DM an seinem Grundstück als Sicherheit für ein ihm gewährtes Darlehen. Die Grundschuld wurde in das Grundbuch unter der laufenden Nr. 4 eingetragen. In der notariellen Bestellungsurkunde heißt es, dass die Abtretung der Rückgewähransprüche einschließlich der Ansprüche auf Zahlung eines Übererlöses der Zustimmung der Beklagten bedürfe. Im Jahr 2001 bestellte der Sicherungsgeber zu Gunsten des Klägers zur Sicherung eines Darlehens eine Grundschuld über 600.000 DM, welche in das Grundbuch unter der laufenden Nr. 6 eingetragen wurde. In der Bestellungsurkunde trat der Sicherungsgeber dem Kläger seine Ansprüche auf die Rückübertragung vorrangiger Grundschulden ab.
Das durch die Grundschuld gesicherte Darlehen der Beklagten wurde 2005 abgelöst. Eine Löschung oder Rückgewähr der Grundschuld erfolgte nicht. 2014 trat der Sicherungsgeber seinen Rückgewähranspruch nochmals an den Kläger ab. 2017 pfändete die Ehefrau des zu diesem Zeitpunkt verstorbenen Sicherungsgebers den auf dessen unbekannte Erben übergegangenen Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld. Die Beklagte erkannte diesen Anspruch in einer Drittschuldnererklärung an. 2018 betrieb eine gegenüber beiden Grundschulden vorrangige Gläubigerin die Zwangsversteigerung des Grundstücks. Die Verteilung des Erlöses führte zur vollständigen Befriedigung der betreibenden Gläubigerin. Zu Gunsten der Beklagten wurde ein Betrag von rd. 224.000 € beim AG hinterlegt. Der Kläger nimmt die Beklagte in der Hauptsache auf Freigabe des hinterlegten Betrages zu seinen Gunsten in Anspruch.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Dem Kläger steht ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Freigabe des beim AG hinterlegten Betrages gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB nicht zu, weil der Sicherungsgeber den Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld aufgrund des in der Grundschuldbestellungsurkunde enthaltenen Zustimmungsvorbehalts ohne Zustimmung der Beklagten nicht wirksam an den Kläger abtreten konnte (§ 399 Alt. 2 BGB).
Gemessen an diesen Grundsätzen benachteiligt der für die Abtretung des Grundschuldrückgewähranspruchs von der Bank formularmäßig ausbedungene Zustimmungsvorbehalt den mit dem Grundstückseigentümer personen-identischen Sicherungsgeber nicht unangemessen. Der Senat hat bereits entschieden, dass der für die Abtretung des Rückgewähranspruchs von der Bank ausbedungene Zustimmungsvorbehalt den Sicherungsgeber jedenfalls dann nicht unangemessen benachteiligt, wenn die Grundschuld nicht von dem Grundstückseigentümer, sondern von einem Dritten als Sicherheit gegeben wird. Offengelassen hat der Senat, ob die Klausel auch dann wirksam ist, wenn der Sicherungsgeber zugleich Grundstückseigentümer ist. Er entscheidet die Frage nunmehr dahin, dass ein Zustimmungsvorbehalt für die Abtretung des Rückgewähranspruchs auch dann wirksam ist, wenn Sicherungsgeber und Grundstückseigentümer personenidentisch sind.
Es bedarf keiner ausdrücklichen Einräumung eines Anspruchs des Sicherungsgebers auf Zustimmung des Sicherungsnehmers für den Fall eines berechtigten Interesses des Sicherungsgebers in den AGB, damit der formularmäßige Zustimmungsvorbehalt der Inhaltskontrolle am Maßstab des § 9 Abs. 1 AGBG a.F. standhält. Teilweise wird zwar angenommen, dass die formularmäßige Vereinbarung eines Zustimmungsvorbehalts nur wirksam ist, wenn dem Sicherungsgeber für den Fall eines berechtigten Interesses ausdrücklich ein Anspruch auf Zustimmung des Sicherungsnehmers eingeräumt wird, insbesondere für den Fall der Veräußerung des Grundstücks, weil ein Erwerber, der keinen Rückgewähranspruch hat, dem Risiko ausgesetzt ist, die Löschung einer übernommenen Grundschuld nicht erreichen zu können, obwohl er die gesicherten Ansprüche befriedigt hat. Die Verweisung auf einen ohnehin bestehenden Anspruch nach Treu und Glauben genüge nicht, da Kreditinstitute derartige Ansprüche in Einschränkung ihrer AGB nicht ohne weiteres anerkennen. Diese Auffassung teilt der Senat jedoch nicht.
Ein die Abtretung des Grundschuldrückgewähranspruchs betreffender formularmäßiger Zustimmungsvorbehalt benachteiligt den Sicherungsgeber entgegen den Geboten von Treu und Glauben auch dann nicht unangemessen, wenn die AGB keinen Anspruch auf Zustimmung vorsehen. Der Sicherungsgeber ist dadurch hinreichend geschützt, dass die Bank ihre Zustimmung nicht unbillig verweigern darf; diese auf Treu und Glauben beruhende Einschränkung, die der BGH für andere Geschäftsbereiche anerkannt hat, gilt für einen auf Grundschuldrückgewähransprüche bezogenen Zustimmungsvorbehalt gleichermaßen.
Daher hat der Sicherungsgeber jedenfalls dann einen Anspruch auf Zustimmung, wenn ein schützenswertes Interesse der Bank an der Verweigerung der Zustimmung nicht besteht oder seine berechtigten Belange an der Abtretbarkeit des Rückgewähranspruchs überwiegen. Zudem ist der Sicherungsnehmer aus dem Sicherungsvertrag verpflichtet, auf die Interessen des Sicherungsgebers Rücksicht zu nehmen. In ergänzender Auslegung des Sicherungsvertrages ergibt sich daher ebenfalls ein Zustimmungsanspruch, sofern nicht eigene berechtigte Interessen des Sicherungsnehmers entgegenstehen. Ob darüber hinaus eine generelle Zustimmungspflicht des Sicherungsnehmers besteht, erscheint zweifelhaft, bedarf aber für die Beurteilung der Wirksamkeit des formularmäßigen Zustimmungsvorbehalts keiner Entscheidung.
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Der zwischenzeitlich verstorbene S (nachfolgend Sicherungsgeber) bestellte der Rechtsvorgängerin der beklagten Bank (nachfolgend einheitlich: Beklagte) 1997 eine Buchgrundschuld i.H.v. 300.000 DM an seinem Grundstück als Sicherheit für ein ihm gewährtes Darlehen. Die Grundschuld wurde in das Grundbuch unter der laufenden Nr. 4 eingetragen. In der notariellen Bestellungsurkunde heißt es, dass die Abtretung der Rückgewähransprüche einschließlich der Ansprüche auf Zahlung eines Übererlöses der Zustimmung der Beklagten bedürfe. Im Jahr 2001 bestellte der Sicherungsgeber zu Gunsten des Klägers zur Sicherung eines Darlehens eine Grundschuld über 600.000 DM, welche in das Grundbuch unter der laufenden Nr. 6 eingetragen wurde. In der Bestellungsurkunde trat der Sicherungsgeber dem Kläger seine Ansprüche auf die Rückübertragung vorrangiger Grundschulden ab.
Das durch die Grundschuld gesicherte Darlehen der Beklagten wurde 2005 abgelöst. Eine Löschung oder Rückgewähr der Grundschuld erfolgte nicht. 2014 trat der Sicherungsgeber seinen Rückgewähranspruch nochmals an den Kläger ab. 2017 pfändete die Ehefrau des zu diesem Zeitpunkt verstorbenen Sicherungsgebers den auf dessen unbekannte Erben übergegangenen Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld. Die Beklagte erkannte diesen Anspruch in einer Drittschuldnererklärung an. 2018 betrieb eine gegenüber beiden Grundschulden vorrangige Gläubigerin die Zwangsversteigerung des Grundstücks. Die Verteilung des Erlöses führte zur vollständigen Befriedigung der betreibenden Gläubigerin. Zu Gunsten der Beklagten wurde ein Betrag von rd. 224.000 € beim AG hinterlegt. Der Kläger nimmt die Beklagte in der Hauptsache auf Freigabe des hinterlegten Betrages zu seinen Gunsten in Anspruch.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Dem Kläger steht ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Freigabe des beim AG hinterlegten Betrages gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB nicht zu, weil der Sicherungsgeber den Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld aufgrund des in der Grundschuldbestellungsurkunde enthaltenen Zustimmungsvorbehalts ohne Zustimmung der Beklagten nicht wirksam an den Kläger abtreten konnte (§ 399 Alt. 2 BGB).
Gemessen an diesen Grundsätzen benachteiligt der für die Abtretung des Grundschuldrückgewähranspruchs von der Bank formularmäßig ausbedungene Zustimmungsvorbehalt den mit dem Grundstückseigentümer personen-identischen Sicherungsgeber nicht unangemessen. Der Senat hat bereits entschieden, dass der für die Abtretung des Rückgewähranspruchs von der Bank ausbedungene Zustimmungsvorbehalt den Sicherungsgeber jedenfalls dann nicht unangemessen benachteiligt, wenn die Grundschuld nicht von dem Grundstückseigentümer, sondern von einem Dritten als Sicherheit gegeben wird. Offengelassen hat der Senat, ob die Klausel auch dann wirksam ist, wenn der Sicherungsgeber zugleich Grundstückseigentümer ist. Er entscheidet die Frage nunmehr dahin, dass ein Zustimmungsvorbehalt für die Abtretung des Rückgewähranspruchs auch dann wirksam ist, wenn Sicherungsgeber und Grundstückseigentümer personenidentisch sind.
Es bedarf keiner ausdrücklichen Einräumung eines Anspruchs des Sicherungsgebers auf Zustimmung des Sicherungsnehmers für den Fall eines berechtigten Interesses des Sicherungsgebers in den AGB, damit der formularmäßige Zustimmungsvorbehalt der Inhaltskontrolle am Maßstab des § 9 Abs. 1 AGBG a.F. standhält. Teilweise wird zwar angenommen, dass die formularmäßige Vereinbarung eines Zustimmungsvorbehalts nur wirksam ist, wenn dem Sicherungsgeber für den Fall eines berechtigten Interesses ausdrücklich ein Anspruch auf Zustimmung des Sicherungsnehmers eingeräumt wird, insbesondere für den Fall der Veräußerung des Grundstücks, weil ein Erwerber, der keinen Rückgewähranspruch hat, dem Risiko ausgesetzt ist, die Löschung einer übernommenen Grundschuld nicht erreichen zu können, obwohl er die gesicherten Ansprüche befriedigt hat. Die Verweisung auf einen ohnehin bestehenden Anspruch nach Treu und Glauben genüge nicht, da Kreditinstitute derartige Ansprüche in Einschränkung ihrer AGB nicht ohne weiteres anerkennen. Diese Auffassung teilt der Senat jedoch nicht.
Ein die Abtretung des Grundschuldrückgewähranspruchs betreffender formularmäßiger Zustimmungsvorbehalt benachteiligt den Sicherungsgeber entgegen den Geboten von Treu und Glauben auch dann nicht unangemessen, wenn die AGB keinen Anspruch auf Zustimmung vorsehen. Der Sicherungsgeber ist dadurch hinreichend geschützt, dass die Bank ihre Zustimmung nicht unbillig verweigern darf; diese auf Treu und Glauben beruhende Einschränkung, die der BGH für andere Geschäftsbereiche anerkannt hat, gilt für einen auf Grundschuldrückgewähransprüche bezogenen Zustimmungsvorbehalt gleichermaßen.
Daher hat der Sicherungsgeber jedenfalls dann einen Anspruch auf Zustimmung, wenn ein schützenswertes Interesse der Bank an der Verweigerung der Zustimmung nicht besteht oder seine berechtigten Belange an der Abtretbarkeit des Rückgewähranspruchs überwiegen. Zudem ist der Sicherungsnehmer aus dem Sicherungsvertrag verpflichtet, auf die Interessen des Sicherungsgebers Rücksicht zu nehmen. In ergänzender Auslegung des Sicherungsvertrages ergibt sich daher ebenfalls ein Zustimmungsanspruch, sofern nicht eigene berechtigte Interessen des Sicherungsnehmers entgegenstehen. Ob darüber hinaus eine generelle Zustimmungspflicht des Sicherungsnehmers besteht, erscheint zweifelhaft, bedarf aber für die Beurteilung der Wirksamkeit des formularmäßigen Zustimmungsvorbehalts keiner Entscheidung.
- Kommentierung | BGB
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Wenzel in Erman, BGB, 16. Aufl. 2020 - Aktionsmodul Zivilrecht
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