20.09.2018

Zurückbehaltungsrecht des Mieters bei unterlassener Mängelrüge

Ein Mieter kann ein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB - entgegen der Ansicht des BGH - auch an solchen Mieten geltend machen, die in dem Zeitpunkt, in dem der Mieter dem Vermieter Mängel anzeigt, bereits fällig sind.

LG Flensburg 20.2.2018, 1 S 88/17
Der Sachverhalt:

Die Beklagte mietete mit Vertrag vom 17.8.2015 die streitgegenständliche Wohnung zum 1.10.2015 von der Rechtsvorgängerin des Klägers. Der Kläger trat auf Grund Eigentumserwerbs zum 1.3.2016 als Vermieter in das bestehende Mietverhältnis ein. Im Mai oder Juni 2016 kam es zu einem Wasserschaden. Wasser lief aus der darüber liegenden Wohnung herunter und führte zu Schäden in der streitgegenständlichen Wohnung. In der Küche fielen die Tapeten ab, die Bodenleiste der Einbauküche wurde beschädigt, der Boden löste sich ab und es bildete sich Schimmel. Im Badezimmer fiel Putz ab und es bildete sich dort auch Schimmel.

Die Beklagte zahlte die Mieten für die Monate Januar und Februar 2017 nicht. Daraufhin erklärte der Kläger am 6.2.2017 die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses und forderte die Beklagte zur Räumung und Herausgabe der Wohnung auf. Mit Schreiben vom 16.2.2017 wies die Beklagte den Kläger auf die Feuchtigkeitsschäden hin.

Das AG wies die Räumungsklage des Klägers ab. Die dagegen eingelegte Berufung hatte vor dem LG keinen Erfolg. Die Revision wurde zugelassen.

Die Gründe:

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung, da die Kündigung das Mietverhältnis nicht beendet hat. Ein die außerordentliche Kündigung eines Mietverhältnisses rechtfertigender Mietrückstand ist bei Zahlungsrückstand zweier aufeinanderfolgender Mieten gegeben, wenn der Mieter mit der Entrichtung eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall im Zeitpunkt der Kündigungserklärung nicht gegeben gewesen. Ein solcher liegt gem. §§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit.) a), 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB vor, wenn der Rückstand die Miete für einen Monat übersteigt. Der Mietrückstand hat sich in diesem Zeitpunkt allenfalls auf einen Betrag von 198,38 € belaufen und damit eine Monatsmiete unterschritten.

Die Beklagte ist zum Einbehalt des Teils der Miete i.H.v. 780 € auf Grund der Einrede des nicht erfüllten Vertrags gem. § 320 Abs. 1 S. 1 berechtigt gewesen. Die Vorschrift ist auch anwendbar. Die in § 556b Abs. 1 BGB enthaltene Regelung statuiert keine echt Vorleistungspflicht, sondern beinhaltet eine bloße Fälligkeitsklausel, die die Anwendbarkeit des § 320 Abs. 1 S. 1 BGB nicht ausschließt. Die Höhe des Leistungsverweigerungsrechts muss dabei in einer angemessenen Relation zur Bedeutung des Mangels stehen. Da sich die Mängelbeseitigungskosten auf rd. 600 € belaufen, ist das Zurückbehaltungsrecht der Beklagten bei einem Druckaufschlag von 30 % mit 780 € als ausreichend bemessen. Die Einbehaltung eines geringeren Betrags scheint nicht angemessen, da es eines gewissen Drucks bedurfte. Im September 2017 konnte noch keine befriedigende Beseitigung der Mängel festgestellt werden.

Die Beklagte war auch berechtigt, sich auf ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 230 Abs. 1 S. 1 BGB zu berufen, da der Kläger seiner Gebrauchsüberlassungspflicht nicht im vollen Umfang nachgekommen ist. Entgegen der Ansicht des BGH kann ein Mieter das Leistungsverweigerungsrecht auch an solchen Mieten geltend machen, die in dem Zeitpunkt, in dem der Mieter dem Vermieter Mängel anzeigt, bereits fällig sind. Die Rechtsfolgen einer unterlassenen Mängelanzeige sind in § 536c Abs. 2 S. 1 BGB abschließend geregelt.

Eine unterlassene Mängelanzeige schließt nicht per se die Möglichkeit der Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechts aus. Das Minderungsrecht und das Leistungsverweigerungsrecht des Mieters stehen nebeneinander. Gem. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB hindert bereits das bloße objektive Bestehen des Leistungsverweigerungsrecht den Eintritt des Schuldnerverzugs. Der Geltendmachung einer Einrede bedarf es dabei nicht. Eine Korrektur über § 242 BGB ist nicht erforderlich, da der Vermieter durch die Regelung des § 536c Abs. 2 BGB ausreichend geschützt ist. Durch die begrenzte Höhe des Leistungsverweigerungsrechts ist auch der Zeitraum für die Unmöglichkeit der außerordentlichen Kündigung begrenzt, so dass auch da ein Missbrauchsschutz besteht.

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