Aufwendungen für arbeitsgerichtliche Vergleiche können als Werbungskosten geltend gemacht werden
BFH 9.2.2012, VI R 23/10Der Kläger war über sieben Jahre lang im Vertriebswesen der Firma Y beschäftigt. Nachdem im September 2003 das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Y beendet worden war, erhob die Y im Oktober 2005 vor dem ArbG Klage auf Schadenersatz i.H.v. 929.648 €. Der frühere Arbeitgeber des Klägers führte zur Begründung an, der Kläger habe gegen Entgelt konkrete Geschäftschancen an Konkurrenten verraten und daher gegen die arbeitsvertraglich vereinbarte Schweigepflicht verstoßen.
Das arbeitsgerichtliche Verfahren wurde im Streitjahr 2007 mit einem Vergleich beendet, der alle Ansprüche jeglicher Art zwischen der Y und dem Kläger erledigte. Der Kläger machte im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr bei den Lohneinkünften u.a. die Schadenersatzzahlung von 60.000 € als nachträgliche Werbungskosten geltend. Das Finanzamt ließ diese Aufwendungen dagegen unberücksichtigt.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Die Gründe:
Die bisherigen Feststellungen des FG trafen nicht dessen Würdigung, dass die streitbefangenen Aufwendungen für den arbeitsgerichtlichen Vergleich nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.
Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen und liegen nach ständiger BFH-Rechtsprechung vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den Einnahmen ein objektiver Zusammenhang besteht. Ein solcher objektiver steuerrechtlich anzuerkennender wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Aufwendungen des Steuerpflichtigen und dessen einkommensteuerrechtlich relevanter Erwerbssphäre besteht in der Regel bei bürgerlich-rechtlichen oder arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, die das Arbeitsverhältnis betreffen und deshalb der Einkunftsart der nichtselbständigen Arbeit zuzurechnen sind. Es spricht somit regelmäßig eine Vermutung dafür, dass diese Aufwendungen einen den Werbungskostenabzug rechtfertigenden hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang zu den Lohneinkünften aufweisen.
Entgegen der Auffassung des FG schließt nicht allein schon der subjektive Handlungsvorwurf des Arbeitgebers, demzufolge der Kläger gegen seine Schweigepflicht verstoßen und Betriebsgeheimnisse verraten habe, den objektiven Zusammenhang zwischen den Aufwendungen des Klägers und dessen Berufstätigkeit aus. Die Aufwendungen für die Rechtsverteidigung des Klägers stehen insbesondere auch dann in einem objektiven Zusammenhang mit dessen Berufstätigkeit, wenn er sich gegen unberechtigte Anschuldigungen und Vorwürfe seines Arbeitgebers zur Wehr setzt, dessen vermeintliche Schadenersatzansprüche bestreitet und dem Kläger dadurch entsprechende Aufwendungen entstehen.
Entsprechendes gilt für die auf den Vergleich hin durch den Kläger geleisteten Zahlungen. Entgegen der Auffassung des FG lässt sich die Vergleichszahlung angesichts der von beiden Prozessbeteiligten mit dem Vergleich gleichsam eingeräumten Ungewissheit über das arbeitsrechtliche Rechtsverhältnis oder die Verwirklichung des Anspruchs nicht als ein den Handlungsvorwurf einräumendes (Zu-)Geständnis begreifen. Wenn schon eine Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a StPO nicht die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass die zur Last gelegte Straftat verübt worden war, gilt dies erst recht für eine vergleichsweise Erledigung eines rein zivilrechtlichen, nämlich arbeitsgerichtlichen Verfahrens.
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