07.01.2020

100 Jahre Betriebsverfassung – Ein Grund, zu feiern?

Portrait von Johannes Schipp
Johannes Schipp

Betriebliche Mitbestimmung ist herausfordernd. Gerade viele kleinere Unternehmen tun sich mitunter schwer damit, dass sie für bestimmte Fragen die Zustimmung eines Betriebsrats benötigen. Die Rechtsprechung des BAG gibt ein beredtes Zeugnis davon, dass betriebliche Mitbestimmung nicht immer konfliktfrei abläuft. Sie kann konstruktiv, aber auch sehr destruktiv ausgeübt werden. Sie ist aber auf Konsens ausgerichtet. Der wird auch erreicht, notfalls in der Einigungsstelle. Und hat das geschadet?

Betriebliche Mitbestimmung hat eine lange Tradition. Am 4.2.2020 jährt sich zum 100. Mal der Tag, zu dem das Betriebsrätegesetz, der Vorläufer unseres heutigen Betriebsverfassungsrechts, in Kraft trat. Seitdem gibt es – mit Ausnahme einiger Jahre während der Nazi-Herrschaft – betriebliche Mitbestimmung in Deutschland. Was so lange hält, kann gar nicht so schlecht sein. Sie war vielmehr Erfolgsgarant einer aufstrebenden Wirtschaftsnation und hat den sozialen Frieden in unserem Land gefördert.

Dennoch: Betriebliche Mitbestimmung sollte kein Sakrileg sein, das unabänderlich ohne Ansehung fortschreitender Entwicklungen durchzuhalten ist. Die digitale Revolution führt zu Umwälzungen, auf die ein Betriebsverfassungsrecht, das die Menschen noch erreichen soll, reagieren muss. Wenn betriebliche Strukturen verschwimmen und sich technische Entwicklungen praktisch im Sekundentakt vollziehen, drohen altbewährte Instrumente zu versagen. Wie soll Mitbestimmung noch funktionieren, wenn Software in eng getakteten Rhythmen verändert wird und auch nicht zu erwarten steht, dass deren Entwickler auf die vielleicht berechtigten Wünsche einzelner Betriebsräte reagieren werden? Wie kann ein Betriebsrat noch auf die Arbeitszeitgestaltung einwirken, wenn Arbeitsprozesse in einer vernetzten Wertschöpfungskette digital über Unternehmensgrenzen hinweg gesteuert werden? Es geht also jetzt darum, das Betriebsverfassungsrecht zukunftsfähig zu machen.

Die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein wird diesen brennenden Fragen im Rahmen des 4. Deutschen Arbeitsrechtstags vom 28.1. bis zum 30.1.2020 in Berlin nachgehen. Vertreter aus Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, Unternehmen, Betriebsräten, der Politik, der Gerichtsbarkeit und nicht zuletzt der Anwaltschaft werden darüber diskutieren, wie das Betriebsverfassungsrecht fortzuentwickeln ist, um auch künftig eine dem Wohlstand unserer Gesellschaft fördernde Mitgestaltung der betrieblichen Arbeitsbedingungen zu sichern.

RA FAArbR Dr. Johannes Schipp Vorsitzender des geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im DAV

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