19.10.2016

Ab in den Urlaub

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Detlef Grimm

Das BAG ist in mehr als 30-jähriger Rechtsprechung der Auffassung, dass der Arbeitnehmer für nicht genommenen und damit nach § 7 Abs. 3 BUrlG zum Jahresende verfallenen Urlaub keinen Schadensersatzanspruch hat, wenn er den Urlaub beim Arbeitgeber im Urlaubsjahr nicht geltend gemacht hat. Nach dem LAG Berlin-Brandenburg (v. 12.6.2014 – 21 Sa 221/14) und dem LAG München (v. 6.5.2015 – 8 Sa 982/14) hat nun auch das LAG Köln (Urteil v. 22.4.2016 – 4 Sa 1095/15) entschieden, dass der Arbeitgeber von sich heraus verpflichtet ist, den Urlaubsanspruch auch ohne ein Urlaubsverlangen des Arbeitnehmers zu erfüllen. Tut er das nicht, muss er aus dem Gesichtspunkt der von ihm zu vertretenen Möglichkeit (§§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 283, 275 Abs. 1 BGB) Schadensersatz an den Arbeitnehmer leisten.

Nach § 249 BGB schuldet der Arbeitgeber Naturalrestitution. Daher tritt an die Stelle des ursprünglichen Urlaubsanspruchs ein Ersatzurlaubsanspruch (HWK-Schinz, 7. Auflage 2016, § 7 BUrlG, Rz. 131). Der Schadensersatzanspruch unterliegt weder gesetzlichen noch etwaigen tariflichen Befristungen. Ist der Arbeitnehmer ausgeschieden, ist er in Geld zu entschädigen, § 251 BGB (BAG v. 26.6.1986 – 8 AZR 75/83).

Die LAG‘e leiten ihre Rechtsauffassung, wonach Urlaubsgewährung autonome Pflicht des Arbeitgebers ist, aus Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie RL 2003/88/EG des Rates ab. Der Urlaubsanspruch diene dem Gesundheitsschutz. Daher müsse der Arbeitgeber seinen Pflichten zum Gesundheitsschutz auch ohne vorherige Aufforderung nachkommen und damit Urlaub gegenüber den Mitarbeitern erfüllen, d.h. wohl im Ergebnis anordnen. Auch das LAG Köln bezieht sich dazu auf das Urteil des EuGH in der Bollacke-Entscheidung (EuGH v. 12.6.2014 – C 118/13, Rz. 27 f).

Man wird die weitere Entwicklung abwarten müssen und insbesondere, ob das BAG seine tradierte Rechtsauffassung ändert. Gegen die Auffassung der drei LAG'e kann eingewandt werden, dass Arbeitszeitrecht öffentliches Recht ist, Urlaubsansprüche arbeitsvertraglich begründet sind und damit durch das Leistungsstörungsrecht nach § 286 BGB hinreichend geschützt sind (HWK-Schinz, § 7 BUrlG, Rz. 122). Schinz aaO. weist zutreffend darauf hin, dass das Unionsrecht nicht den Arbeitnehmer schützt, der seinen Anspruch realisiert aber untätig bleibt (so EuGH v. 22.4.2010 - Rs. C-486/08 - Tirol).

Es besteht jedenfalls das greifbare Risiko, dass der Arbeitgeber sich nicht mehr darauf verlassen kann, dass der Urlaubsanspruch durch Zeitablauf erlischt, wenn die Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag im Urlaubsjahr stellen. Gegen das Urteil des LAG München ist Revision beim BAG unter Az. 9 AZR 541/15 eingelegt worden; gegen das Urteil des LAG Köln unter dem Az. 9 AZR 423/16. Die Frage wird also geklärt werden.

Da die Resturlaubsansprüche zum Stichtag 31.12. regelmäßig Rückstellungsbedarf erzeugen, ist es nun umso sinnvoller, die Mitarbeiter zur Urlaubnahme anzuhalten und ggfls. Urlaub anzuordnen aufzufordern und damit zu erfüllen. Dazu bleiben noch gute zwei Monate Zeit.

PS: Wie ich nun (21.10.2016) sehe, hat jüngst das LAG Düsseldorf (v. 25.7.2016 - 9 Sa 31/16) die Rspr. des BAG bestätigt und sich gegen die drei anderen LAG gestellt: "Erforderlich ist deshalb ein vorhergehendes Urlaubsverlangen des Arbeitnehmers, weil dem Arbeitgeber nicht die Pflicht obliegt, dem Arbeitnehmer Urlaub zu erteilen. "  Auch hier ist Revision zum BAG zugelassen worden, weil die Angelegenheit wegen der divergierenden Rspr. der LAG'e grundsätzliche Bedeutung habe.

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