Ablösesummen in der Privatwirtschaft? Fußballprofis sind auch „nur“ Arbeitnehmer
In den verschiedenen Fußballligen Europas sorgen immer wieder Spielerwechsel für Medieninteresse, bei denen der neue Verein des Spielers, d.h. dessen neuer Arbeitgeber, dem bisherigen Verein, d.h. dem bisherigen Arbeitgeber, eine hohe Ablösesumme zahlt, um den Spieler verpflichten zu können. Erwähnt wird oft in diesem Zusammenhang die Ablösesumme von angeblich über 90 Millionen Euro, die Real Madrid für den Spieler Ronaldo an Manchester United gezahlt haben soll. Die kommende Fußballweltmeisterschaft wird außerdem dazu beitragen, den „Marktwert“ vieler Spieler zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum es überhaupt zur Zahlung von Ablösesummen kommt und ob diese auch in der Privatwirtschaft im „normalen“ Arbeitsverhältnis denkbar sind.
Fußballprofis schließen mit ihrem Arbeitgeber lediglich einen zeitlich befristeten Vertrag. Dementsprechend sieht § 11 Nr. 1. des Mustervertrags der Deutschen Fußballliga (veröffentlicht unter dfb.de) vor, dass das Vertragsverhältnis mit dem 30. Juni bzw. mit dem Ende eines bestimmten Spieljahres sein Ende finden wird. Bei einem solchen befristeten Vertrag ist nach § 15 Abs. 3 TzBfG eine ordentliche Kündigung nur möglich, wenn dies einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist. Eine derartige Vereinbarung wird in den Spielerverträgen aber gerade nicht vorgenommen. Der Mustervertrag der Deutschen Fußballliga macht dies noch einmal besonders deutlich, indem in § 11 Nr. 2 lediglich ein von den Parteien vereinbarter Aufhebungsvertrag oder eine wirksame fristlose Kündigung als Grund für eine vorzeitige Beendigung des Vertrags genannt werden. Auf diesem Weg kann der Verein sicher sein, dass der Spieler ihm bis zu dem vereinbarten Befristungsende zur Verfügung steht, mag sich dessen Marktwert aufgrund guter Leistung, z.B. während der Weltmeisterschaft, zwischenzeitlich auch erheblich erhöht haben.
Sofern ein anderer Verein – und der Spieler – dennoch vor Ablauf der Befristung ein Vertragsverhältnis eingehen wollen, wird der bisherige Verein zu einer vorzeitigen Vertragsauflösung im Wege eines Aufhebungsvertrags mit dem Spieler regelmäßig nur dann bereit sein, wenn der neue Arbeitgeber des Spielers ihm hierfür eine Entschädigung zahlt. Dies ist die Ablösesumme (vgl. BAG v. 25.4.2013 - 8 AZR 453/12).
Unabhängig von der Höhe einer solchen Entschädigung ist der Arbeitgeber regelmäßig nicht gezwungen, sich auf eine solche vorzeitige Vertragsauflösung einzulassen. Er kann auch gegenüber dem Spieler auf Vertragsdurchführung bestehen. Ein Beispiel hierfür ist das Vertragsverhältnis zwischen dem Verein Borussia Dortmund und dem Spieler Robert Lewandowski, der mit Beginn der Saison 2014/2015 zu Bayern München wechselt. Trotz angeblicher Angebote auf Zahlung einer erheblichen Ablösesumme durch den Verein Bayern München spielt der Spieler Lewandowski bis zum Ablauf der Befristung bei Borussia Dortmund. Er konnte dann „ablösefrei“ wechseln, da es keiner vorzeitigen Vertragsauflösung – und damit keines Anreizes hierzu durch Zahlung einer Entschädigung – mehr bedurfte.
Der Verein kann sich allerdings in dem Vertrag mit dem Spieler bereits verpflichten, einer vorzeitigen Vertragsbeendigung mit dem Spieler zuzustimmen, wenn eine Ablösesumme in einer bestimmten Höhe durch einen anderen Verein gezahlt wird. Man spricht in der Praxis hier von einer „festgeschriebenen Ablösesumme“. So soll nach Medienangaben zB. der Spieler Messi in seinem Vertrag mit dem FC Barcelona eine solche festgeschriebene Ablösesumme in Höhe von 250 Millionen € vereinbart haben. Ist nun ein anderer Verein bereit, eine solche Ablösesumme zu zahlen, ist der bisherige Arbeitgeber des Spielers verpflichtet, einen entsprechenden Aufhebungsvertrag zu schließen.
Diese Grundsätze zum Sinn und Zweck einer Ablösesumme können auf andere Bereiche der Privatwirtschaft übertragen werden. Im Hinblick auf die demographische Entwicklung und den Fachkräftemangel werden allgemein mögliche neue Arbeitgeber häufiger interessiert sein, Arbeitnehmer eines anderen Arbeitgebers vor Ablauf der Kündigungsfrist, die der Arbeitnehmer mit seiner Arbeitgeber im Vertrag für eine Eigenkündigung vereinbart hat, vorzeitig für sich tätig werden zu lassen. In derartigen Fällen ist es möglich, dass sich der bisherige Arbeitgeber gegenüber dem neuen Arbeitgeber zu einer vorzeitigen Vertragsauflösung nur dann bereit erklärt, wenn der neue Arbeitgeber an ihn eine in der Höhe auszuhandelnde Entschädigung zahlt. Eine solche Vereinbarung in der Privatwirtschaft würde dann ebenfalls eine Ablösesumme beinhalten.
Denkbar ist sogar, dass ein Arbeitnehmer, mit dem ein Arbeitgeber eine sehr lange Frist für eine Eigenkündigung vereinbaren will, hierzu nur bereit ist, wenn im Gegenzug im Vertrag eine feste Entschädigung enthalten ist, bei deren Zahlung durch einen anderen Arbeitgeber der jetzige Arbeitgeber zu einer vorzeitigen einvernehmlichen Vertragsauflösung verpflichtet. Allerdings wird man in der Praxis verlangen müssen, dass der Zeitpunkt, zu dem eine solche einvernehmliche Beendigung dann in Betracht kommt, im Vertrag genau fixiert ist, um dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu genügen.
Diese Gestaltungsmöglichkeiten in der Privatwirtschaft zeigen, dass auch Fußballprofis „nur“ normale Arbeitnehmer sind.
Professor Dr. Wolfgang Kleinebrink, Vereinigung Bergischer Unternehmerverbände (VBU®) e.V. Wuppertal