18.03.2013

Abmahnung bei außerordentlicher Kündigung

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Ulrich Boudon

Das BAG hat mit Urt. v. 25.10.2012 - 2 AZR 495/11 - entschieden, dass grundsätzlich  jede Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung eine Abmahnung voraussetzt. Nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gelte dies nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten sei oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handele, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich auch für den Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen sei.

Das Problem: Dem Kläger oblag als Chefarzt die fachliche Leitung der Operationsabteilung wie auch die Verantwortung für die Hygiene. Wenn er Operationen durchführte, nahm er den schnurlosen Handapparat seines Diensttelefons wie auch sein privates Mobiltelefon mit in den Operationssaal. Telefonate im Operationssaal waren nicht grundsätzlich untersagt. Die Nutzung des Diensttelefons auch während laufender Operationen kannte und duldete das Krankenhaus. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand fest, dass der Kläger auch rein private Anrufe auf seinem Mobiltelefon während laufender Operationen geführt hatte, teilweise bei offenem Operationsfeld, indem Mitarbeiter des Operationsteams ihm das Handy ans Ohr hielten.

Die Entscheidung des Gerichts: Die fristlose wie auch die ordentliche Kündigung waren unwirksam. Auch das BAG stellt zwar eine erhebliche Vertragspflichtverletzung durch das Führen privater Telefongespräche im Operationssaal fest, selbst angesichts der Tatsache, dass diese nicht kategorisch untersagt waren. Jedoch sei eine Abmahnung ausreichend und erforderlich gewesen. Das Landesarbeitsgericht hatte noch angenommen, es habe zwar einer Abmahnung nicht bedurft, jedoch hatte es im Rahmen der Interessenabwägung das Interesse des Klägers als stärker angesehen. Nachdem die Beklagte nicht ein generelles Verbot ausgesprochen hatte, während einer Operation zu telefonieren und dienstliche Telefonate während laufender Operationen zumindest geduldet worden seien, erscheine das vertragswidrige Verhalten des Klägers in einem milderen Licht, denn mit privaten Telefonaten sei keine gößere Beeinträchtigung der ärztlichen Konzentration und Gefahr für die Sterilität der Umgebung verbunden, als mit dienstlich veranlassten. Unter diesen Umständen hätte eine Abmahnung eine Änderung im Verhalten des Klägers in der Zukunft bewirken können. Auch liege für den Kläger keine erkennbar so schwerwiegende Pflichtverletzung vor, dass ihre einmalige Hinnahme unzumutbar gewesen wäre.

Konsequenzen für die Praxis: Das BAG bestätigt im konkreten Einzelfall seine ständige Rechtsprechung, dass bei der verhaltensbedingten Kündigung, insbesondere der außerordentlichen, eine Bewertung des Einzelfalles unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen hat. Dabei sind das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragsverletzung, der Grad des Verschuldens, eine mögliche Wiederholungsgefahr, der störungsfreie Verlauf und die Dauer des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen.

Beraterhinweis: Fehlen klare Dienstanweisungen zur Frage der Nutzung von IT am Arbeitsplatz, kann sich dies bei der Frage der Erforderlichkeit einer Abmahnung, spätestens aber im Rahmen der Interessenabwägung zu Lasten des Arbeitgebers auswirken.

RA FAArbR Dr. Ulrich Boudon, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln

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