Änderung der Rechtsprechung des BAG zu Ausschlussfristen
Vertragsklauseln, die nur in außergewöhnlichen, von den Vertragspartnern bei Vertragsabschluss nicht für regelungsbedürftig gehaltenen Fällen gegen das Gesetz verstoßen, hat das BAG bislang als wirksam angesehen, da eine am Sinn und Zweck solcher Klauseln orientierte Auslegung ergebe, dass derartige Ausnahmefälle von der Klausel gar nicht erfasst werden sollen (BAG vom 20.6.2013 - 8 AZR 280/12, ArbRB 2013, 363 [Schäder]).
An dieser Rechtsprechung hält der 8. Senat allerdings nicht weiter fest. Vielmehr werden von einer pauschalen Ausschlussklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder vorformulierten Vertragsbedingungen, wonach ausnahmslos alle Ansprüche verfallen, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, wenn sie nicht innerhalb bestimmter Fristen vom Anspruchsinhaber geltend gemacht und eingeklagt werden, auch Ansprüche wegen einer vorsätzlichen Vertragsverletzung und einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung erfasst. Der Wortlaut einer Ausschlussklausel, wonach „alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben“ verfallen können, beziehe auch Ansprüche wegen einer vorsätzlichen Vertragsverletzung und einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung mit ein. Erfasst seien danach alle Ansprüche, welche die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehung gegeneinander haben. Etwas anderes folge auch nicht aus dem Umstand, dass nach § 202 Abs. 1 BGB die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden könne und dass diese Bestimmung nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen erfasse und dass eine Klausel, die hiergegen verstoße, nach § 134 BGB nichtig sei. Denn bei einer pauschalen Verfallklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, von der nach ihrem Wortlaut ausnahmslos alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfasst werden, könne gerade nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien solche Ansprüche nicht einbeziehen wollten, die zur Nichtigkeit bzw. zur Unwirksamkeit der Verfallklausel führen. Andernfalls würde den Parteien - entgegen dem unmissverständlichen Wortlaut der Klausel - generell der Wille unterstellt, sich mit ihren Regelungen stets im Rahmen dessen zu halten, was nach den geltenden Gesetzen zulässig sei. Eine solche Annahme sei aber auch vor dem Hintergrund der vom Gesetzgeber mit § 306 BGB geschaffenen Bestimmung, deren Rechtsfolgen nicht nur dann zur Anwendung kommen, wenn sich die Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen aus den §§ 307 bis 309 BGB ergebe, sondern auch dann, wenn eine Klausel gegen sonstige Verbote verstoße, nicht gerechtfertigt. Eine Auslegung dahin, dass Ansprüche wegen einer vorsätzlichen Vertragsverletzung und einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung nicht erfasst würden, lasse sich schließlich auch nicht damit begründen, dass es sich bei einem vorsätzlichen Vertragsverstoß und einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis um einen außergewöhnlichen, von den Vertragspartnern bei Vertragsabschluss nicht für regelungsbedürftig gehaltenen Fall handele. Allein daraus, dass die Arbeitsvertragsparteien mit vorsätzlichen Vertragsverletzungen oder vorsätzlichen unerlaubten Handlungen in besonders schwerer Weise gegen die ihnen aufgrund des Arbeitsvertrags oder aufgrund gesetzlicher Bestimmungen obliegenden Verpflichtungen verstoßen, folge nicht, dass es sich hierbei um einen außergewöhnlichen Vorgang handelt, der aus Sicht der Arbeitsvertragsparteien von vornherein keiner Regelung bedürfe. Vielmehr ginge es auch bei vorsätzlichen Handlungen um Verhaltensweisen, die im Arbeitsleben erfahrungsgemäß immer wieder vorkommen können.
Auch dann, wenn eine Klausel gegen sonstige Verbote verstößt, führt dies mangels Teilbarkeit der Klausel zu ihrem vollständigen Fortfall unter Aufrechterhaltung des Vertrags im Übrigen. An ihre Stelle treten nach § 306 Abs. 2 BGB die gesetzlichen Vorschriften und damit das Verjährungsrecht, das nach den Wertungen des Gesetzgebers für den Regelfall einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen bereithält.
Der Verwender muss eine solche Klausel nicht nach den Grundsätzen über die personale Teilunwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegen sich gelten lassen. Dies gilt unabhängig davon, ob in dem Verstoß gegen § 202 Abs. 1 BGB zudem eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB liegt und ob die Klausel darüber hinaus ggf. aus anderen Gründen nach den §§ 307 bis 309 BGB unwirksam ist. Die Grundsätze der personalen Teilunwirksamkeit finden dann, wenn eine Klausel wegen eines Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB i.V.m. § 134 BGB nichtig ist, keine Anwendung. Entsprechend dem ihm immanenten Vertragserhaltungsgedanken berücksichtigt § 306 Abs. 1 BGB, dass Klauseln nur teilweise unwirksam sein können und ordnet den Wegfall der Bestimmungen nur „insoweit“ an, als diese der Inhaltskontrolle nicht standhalten. Von der Frage nach der Teilbarkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung, die sich danach beantwortet, ob die Klausel neben einem unwirksamen Bestandteil auch unbedenkliche, sprachlich und inhaltlich abtrennbare Bestandteile enthält, ist die Frage zu unterscheiden, ob die Grundsätze der personalen Teilunwirksamkeit einer Klausel Anwendung finden. Eine Verfallklausel, die für beide Vertragsparteien gleichermaßen den Verfall etwaiger gegenseitiger Ansprüche vorsieht, kann sprachlich nicht in zwei Verfallklauseln, die den Verfall etwaiger Ansprüche jeweils nur für eine der Parteien anordnet, geteilt werden.
Diese - bislang noch wenig beachtete - Entscheidung des 8. Senats des BAG (Urt. v. 26.11.2020 - 8 AZR 58/20, ArbRB 2021, 132 [Hülbach]) wird die Vertragsgestaltung beeinflussen, aber könnte vor allem manchen Rechtsstreit beeinflussen.
RA FAArbR Axel Groeger, Bonn www.redeker.de