Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen nach dem GeschGehG? Und keine Unterlassungsverfügung bei Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung
LAG Baden-Württemberg vom 18.8.2021 (4 SaGa 1/21): - Interne Preiskalkulation können ein Geschäftsgeheimnis i. S. d. § 6 GeschGehG sein. - Eine angemessene Sicherung kann auch über eine IT-Richtlinie oder ein „need to know“-Prinzip erfolgen. - Eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Nutzung eines Geschäftsgeheimnisses scheidet mangels Begehungs- oder Wiederholungsgefahr aus, wenn aufgrund der eidesstattlichen Versicherung des Verfügungsbeklagten feststeht, dass dieser gar nicht mehr im Besitz des Geschäftsgeheimnisses ist. Im Einzelnen: [...]
Ich möchte Sie auf das Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 18.8.2021 (4 SaGa 1/21) hinweisen.
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Eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Nutzung eines Geschäftsgeheimnisses scheidet mangels Begehungs- oder Wiederholungsgefahr aus, wenn aufgrund der eidesstattlichen Versicherung des Verfügungsbeklagten feststeht, dass dieser gar nicht mehr im Besitz des Geschäftsgeheimnisses ist. Der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bedarf es in diesen Fällen nicht.
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(Anschluss an LAG Rheinland-Pfalz 25. Januar 2021 - 3 SaGa 8/20).
Der Arbeitnehmer versandte eine vertrauliche Preiskalkulation des Arbeitgebers an seine private E-Mail-Adresse. Der Arbeitgeber beantragte daraufhin im Wege der einstweiligen Verfügung, dem Arbeitnehmer aufzugeben, es zu unterlassen hat, die Preiskalkulation in irgendeiner Form zu verwenden oder zu nutzen.
Der Arbeitnehmer hatte jedoch gegenüber dem Arbeitgeber bereits an Eides statt versichert, dass er alle in seinem Besitz befindlichen Dokumente endgültig und unwiederbringlich gelöscht, nicht an Dritte weitergeleitet sowie keine Ausdrucke gemacht habe.
Das Gericht sah die interne Preiskalkulation als ein Geschäftsgeheimnis i. S. d. § 6 GeschGehG an. Die Preiskalkulation sei auch über die IT-Richtlinie und das beim Arbeitgeber geltende „need to know“- Prinzips angemessen gesichert gewesen.
Bei der Frage, ob Geheimhaltungsmaßnahmen i. S. d. § 2 Nr. 1b GeschGehG angemessen sind, ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Nicht erforderlich ist ein optimaler Schutz. Ob ein angemessener Schutz vorliegt, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Bei der Bewertung der Angemessenheit können zum Beispiel folgende Aspekte berücksichtigt werden:
- Wert des Geschäftsgeheimnisses und dessen Entwicklungskosten
- Natur der Information
- Bedeutung für das Unternehmen
- Größe des Unternehmens
- die üblichen Geheimhaltungsmaßnahmen in dem Unternehmen
- die Art der Kennzeichnung der Informationen
- vereinbarte vertragliche Regelungen mit Arbeitnehmern und Geschäftspartnern, u. a. auch Nutzungs-RL
- Geltung eines „need to know“-Prinzips
Das LAG verneinte aber die zum Erlass der einstweiligen Verfügung erforderliche Begehungs- oder Wiederholungsgefahr. Durch Versicherung an Eides statt habe der Arbeitnehmer glaubhaft gemacht, dass er nicht mehr im Besitz der streitgegenständlichen Dokumente sei. Ein etwaiger Anspruch auf Unterlassung der Nutzung bzw. Offenlegung der erlangten Daten entfällt daher bereits deshalb, weil die zu verbietenden Handlungen nicht mehr möglich sind.
Geben Arbeitnehmende eine entsprechende eidesstattliche Versicherung ab, wird es voraussichtlich wenig Erfolg haben, einen Anspruch auf Unterlassen gerichtlich durchzusetzen. Ansprüche auf Schadensersatz bleiben hingegen möglich, sofern ein konkreter Schaden nachweisbar ist. Dieser Nachweis gestaltet sich in der Praxis jedoch oftmals schwierig.
Haben Arbeitnehmende Geschäftsgeheimnisse verletzt, kann es – unter Berücksichtigung der dargestellten Rechtsprechung – u. U. ratsam sein, die Daten zu löschen und dies an Eides statt zu versichern, um Arbeitgebenden so „den Wind aus den Segeln zu nehmen“. Bei der Formulierung einer eidesstattlichen Versicherung handelt es sich jedoch um eine äußerst sensible und strafrechtlich relevante Angelegenheit, weshalb hier stets besondere Sorgfalt und ggf. Aufklärung des Mandanten geboten sind.