Anspruch auf variable Geschäftsführer-Vergütung trotz Abberufung?
Häufig besteht ein wesentlicher Bestandteil der „Total Compensation“ von Geschäftsführern und Vorständen aus einer variablen Vergütung. Die Anstellungsverträge von Geschäftsführern sehen in vielen Fällen jedoch eine Kopplung der variablen Vergütung an die Organstellung vor. Endet die Organstellung, endet damit auch der Anspruch auf die variable Vergütung und zwar unabhängig von dem Schicksal des Anstellungsverhältnisses.
Mit der Zulässigkeit einer solchen Kopplungsklausel befasste sich vor kurzem das OLG München (Urt. v. 3.5.2023 – 7 U 2865/21, GmbHR 2023, 1098). Dort hatte eine Geschäftsführerin, die abberufen und deren Anstellungsverhältnis ordentlich gekündigt worden war, auf Zahlung ihrer variablen Vergütung geklagt. Ihr Anstellungsvertrag enthielt eine Klausel, wonach ihr ein Anspruch auf variable Vergütung nur während ihrer Bestellung zur Geschäftsführerin zustand. Das OLG München sah in dieser Klausel eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 u. 2 BGB und sprach der ehemaligen Geschäftsführerin die variable Vergütung dem Grunde nach zu. Denn nach dem in § 38 Abs. 1 GmbHG verankerten Trennungsprinzip sei zwar die Bestellung zum Geschäftsführer jederzeit widerruflich; die Abberufung solle jedoch keinen Einfluss auf den Vergütungsanspruch des Geschäftsführers haben. Hänge die variable Vergütung wie in diesem Fall von der Bestellung zum Geschäftsführer ab, habe die Abberufung jedoch Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch und benachteilige den ehemaligen Geschäftsführer aufgrund des Verstoßes gegen das Trennungsprinzip unangemessen.
Die Entscheidung des OLG München überzeugt nicht. Das OLG München stützt sein Ergebnis zunächst auf den angeblich in § 38 Abs. 1 GmbHG enthaltenen Grundgedanken, wonach ein Geschäftsführer zwar jederzeit abberufen werden könne, eine solche Abberufung aber keinen Einfluss auf seinen Vergütungsanspruch hat. Richtig ist, dass sich ein Widerruf der Bestellung zum Geschäftsführer nach § 38 Abs. 1 GmbHG aufgrund des Trennungsprinzips nicht per se auf das Anstellungsverhältnis und die im Anstellungsvertrag niedergelegten Ansprüche auswirkt. Unzutreffend ist jedoch die Ansicht, die Abberufung dürfe sich aufgrund eines in § 38 Abs. 1 GmbHG enthaltenen „Grundgedankens“ nicht auf die Vergütungsansprüche des Geschäftsführers auswirken. Ein solcher „Grundgedanke“ ist dem GmbHG nicht zu entnehmen.
Schon nach dem Wortlaut des § 38 Abs. 1 GmbHG lässt die Abberufung „Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen“ unberührt. Der Gesetzeswortlaut überlässt das Schicksal der Geschäftsführervergütung beim Widerruf der Bestellung also dem Inhalt des der Geschäftsführertätigkeit zugrunde liegenden Anstellungsvertrag. Und auch den Gesetzesmaterialien zu § 38 GmbHG ist ein Wille des Gesetzgebers zur Fortzahlung aller Vergütungskomponenten ungeachtet des Inhalts des Anstellungsvertrags nicht zu entnehmen. Deshalb hatte das LG Düsseldorf schon 2010 (Urt. v. 23.12.2010 – 15 O 276/10) festgestellt, dass die Koppelung der variablen Vergütung an die Organstellung keine unangemessene Benachteiligung von Geschäftsführern darstelle.
Zwar gerät die Gesellschaft grundsätzlich in Annahmeverzug, wenn sie den Geschäftsführer nicht beschäftigt. Der Annahmeverzug tritt jedoch nicht ein, wenn der Schuldner außerstande ist, die Leistung zu bewirken, § 297 BGB. Knüpft die variable Vergütung an die Organstellung und die damit verbundenen Handlungsbefugnisse an, kann der Geschäftsführer nach Abberufung und dem daraus folgenden Wegfall seiner Handlungsbefugnisse die für den Anspruch auf variable Vergütung notwendige Leistung nicht mehr erbringen.
Anders zu bewerten wäre eine Kopplungsklausel hingegen, wenn die variable Vergütung nicht (nur) eine Gegenleistung für die Organtätigkeiten darstellen würde, sondern an solche Leistungen anknüpft, die nichts mit der Bestellung zum Geschäftsführer zu tun haben. Zu denken ist zum Beispiel an die bei internationalen Matrixorganisationen häufig vorkommende parallele Leitung eines Geschäftsbereichs neben der Geschäftsführertätigkeit. Knüpft die variable Vergütung an die Leitung des Geschäftsbereichs und nicht an die Organtätigkeit an, wäre der Wegfall der variablen Vergütung bei Abberufung unbillig. Für die Frage der Zulässigkeit von Kopplungsklauseln kommt es daher entscheidend auf die damit vergütete Gegenleistung an.