07.01.2016

Arbeits- und Sozialrecht - das ändert sich vorerst noch nicht!

Portrait von Axel Groeger
Axel Groeger

Der Referentenentwurf des BMAS für den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 17.11.2015 (siehe dazu Dr. Katharina Loth in der Rubrik "Gesetzgebung" auf www.arbrb.de) ist in aller Munde und das mit Recht. Denn das BMAS hat ihn noch vor der Ressortabstimmung als Diskussionsentwurf veröffentlicht und er enthält mit einem neuen § 611a BGB erstmals eine Legaldefinition des Arbeitsvertrages.

Was Alfred Hueck zu Zeiten Henry Fords und der Industrie 2.0 noch in einem Satz zusammenfassen konnte und auch in Zeiten der Industrie 3.0 noch weithin unproblematisch zu beurteilen war, ist in vielen Bereichen der Industrie 4.0 -  aber nicht nur dort, sondern auch und vor allem im tertiären Bereich (Dienstleistungssektor) - inzwischen mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden. Normativ ist zwischen dem Arbeits- und dem Sozialversicherungsrecht zu unterscheiden, diese Unterscheidung setzt sich in den unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten und damit bei der Zuständigkeit der Gerichte fort (der Streit um die Erteilung sowie die Änderung einer erteilten Arbeitsbescheinigung ist hierfür ein signifikantes Beispiel). Ausdruck dieser normativen Trennung ist auch § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung "die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis". Ein Arbeitsverhältnis ist also keineswegs eine notwendige, aber eine hinreichende Voraussetzung für eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn. Eine Beschäftigung kann also normativ und auch rechtstatsächlich, ohne dass ein Arbeitsverhältnis besteht, ausgeübt werden (der Fremdgeschäftsführer einer GmbH ist hierfür nur ein Beispiel).

Nach § 611a Abs. 3 BGB-E soll gleichwohl das Bestehen eines Arbeitsvertrages widerleglich vermutet werden, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund nach § 7a SGB IV insoweit das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt hat. Auch wenn, was die Begründung des Referentenentwurfs angibt, in 95 % der Fälle eine Beschäftigung auf der Grundlage eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt wird, wird hier meines Erachtens das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Dem Gesetzgeber ist sicher eine gewisse Typisierung erlaubt und ihm ist es auch verfassungsrechtlich mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot nicht untersagt, Typusbegriffe wie z.B. den der Beschäftigung zu verwenden (HWK/Ricken, Arbeitsrecht-Kommentar, 6. Auflage 2014, §§ 7, 7a SGB IV Rd. 3). Ob jedoch ein allgemeiner empirischer, tätigkeitsunabhängiger und branchenübergreifender Befund eine hinreichende Anknüpfungstatsache für eine normative Vermutungsregelung, mit der eine Beweislastverteilung einhergeht, sein kann, ist doch fraglich. Hinzu kommt, dass damit eine genuine Aufgabe der Rechtsprechung teilweise von der Dritten auf die Zweite Gewalt, nämlich die Clearingstelle bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, verlagert würde. Traut das BMAS der Clearingstelle der DRV Bund eine sorgfältigere Prüfung mit einer höheren Richtigkeitsgewähr zu als den Arbeitsgerichten? Auch wenn die Rechtsprechung teilweise zu nicht konsistenten Ergebnissen kommt, ist sie für die verbindliche Entscheidung von Einzelfällen besser berufen. Auch Typusbegriffe dürfen nicht schematisch angewendet oder lediglich als Topos missverstanden werden, sondern müssen - gerade im Bereich der restlichen 5 % - zunächst von ihrem Sinn her erfasst und sodann einzelfallbezogen auf einen konkreten Lebenssachverhalt (Einzelfall) angewendet werden. Der Wortlaut des Gesetzentwurfs knüpft im Übrigen lediglich an die Entscheidung der DRV Bund an, nicht an ihre Rechtmäßigkeit oder die Bestandskraft.  Was wäre, wenn die Entscheidung später in einem sozialgerichtlichen Verfahren aufgehoben würde?

Bis zu einer gesetzlichen Regelung bleibt es somit bei einer eigenständigen Prüfung durch die Arbeitsgerichte. Dass in Fällen, in denen eine Tätigkeit sowohl auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages als auch auf der Grundlage eines anderen Rechtsverhältnisses, insbesondere eines freien Dienstvertrages erbracht werden kann, der getroffenen vertraglichen Vereinbarung eine wesentliche Bedeutung zukommt, hat das BAG zuletzt 2015 wiederholt entschieden. Auch das BSG sieht im Übrigen die von den Beteiligten geschlossenen Vereinbarungen bei der Prüfung, ob eine Beschäftigung vorliegt, als rechtlich relevant an.

RA FAArbR Axel Groeger, Bonn www.redeker.de

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