17.09.2017

Arbeitsvertrag und freier Dienstvertrag - keine Inkompatibilität

Portrait von Axel Groeger
Axel Groeger

Kann jemand für denselben Arbeitgeber bzw. Dienstberechtigten (im konkreten Fall als Musikschullehrerin) sowohl als Arbeitnehmerin als auch als freie Mitarbeiterin tätig sein? Die Klägerin ist seit 1986 auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages, der eine Beschäftigung der Klägerin als Musikschullehrerin mit 50 % der Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten vorsieht, für das beklagte Land tätig. Daneben erteilte sie Musikunterricht aufgrund eines „Dienstvertrags“ in zeitlich unterschiedlichem Umfang. Unabhängig davon, ob die Klägerin Unterricht auf der Grundlage des Arbeitsvertrags oder auf der Grundlage des „Dienstvertrags“ erteilt, schließen die von ihr unterrichteten Musikschüler mit dem beklagten Land gleichlautende Unterrichtsverträge.

Der Umstand, dass die Parteien über die Tätigkeit als Musikschullehrerin einmal einen Arbeitsvertrag und darüber hinaus einen freien Dienstvertrag geschlossen haben, steht der Annahme, dass es sich wirklich um einen freien Dienstvertrag handelt, nicht entgegen. Die tarifvertragliche Regelung des § 2 Abs. 2 TV-L, die auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, gibt kein anderes Ergebnis vor. Gemäß § 2 Abs. 2 TV-L dürfen mehrere Arbeitsverhältnisse zu demselben Arbeitgeber nur begründet werden, wenn die jeweils übertragenen Tätigkeiten nicht in einem unmittelbaren Sachzusammenhang stehen; andernfalls gelten sie als ein Arbeitsverhältnis. Mehrere Arbeitsverhältnisse zu demselben Arbeitgeber lagen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die revisionsrechtlich nicht zu beanstanden waren, im Streitfall nicht vor. Die Parteien verbindet ein Arbeitsverhältnis und ein freies Dienstverhältnis.

Es ist rechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen, dass jemand zur selben Person in einem Arbeitsverhältnis und darüber hinaus in einem Dienstverhältnis steht. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das dem Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsvertrags zustehende Weisungsrecht nicht für die Tätigkeiten gilt, die der Vertragspartner aufgrund des Dienstverhältnisses schuldet. Wollte man anders entscheiden, beschnitte dies in unzulässiger Weise die verfassungsrechtlich verbürgte Vertragsfreiheit der Parteien. Denn es stände nicht länger in ihrer Rechtsmacht, neben einem Arbeitsverhältnis ein Dienstverhältnis zu begründen. Für eine derartige Einschränkung der Vertragsfreiheit, die sich in der Praxis nicht nur zulasten des beklagten Landes, sondern auch zulasten der Klägerin auswirkte, fehlt es an der erforderlichen Rechtsgrundlage (BAG, Urt. v. 27.6.2017 - 9 AZR 851/16).

RA FAArbR Axel Groeger, Bonn www.redeker.de

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