Arbeitszeiterfassung – Nun liegt auch ein NRW-Erlass zur Durchführung des Arbeitszeitgesetzes vor
Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS) hat den Bezirksregierungen in Form eines Erlasses Vorgaben zur Durchführung des Arbeitszeitgesetzes gemacht. Enthalten sind Handlungshilfen für die Umsetzungen der aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.9.2022 – 1 ABR 22/21 (ArbRB 2023, 9 [Hülbach]) – wonach Arbeitgeber verpflichtet sind, ein System einzuführen, mit dem Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeit einschließlich der Überstunden erfasst werden kann. Der Erlass soll so lange gelten, bis eine gesetzliche Änderung des Arbeitszeitgesetzes in Kraft tritt. Am 19.4.2023 wurde der Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes veröffentlicht (s. Blog-Beitrag v. 19.4.2023).
1. Inhalt
In dem Erlass, der sich an die Bezirksregierungen Arnsberg, Detmold, Düsseldorf, Köln und Münster richtet, verweist das MAGS auf die folgenden wesentlichen Punkte:
- In der Kontrollpraxis sind Betriebe bei Betriebsbesichtigungen darauf hinzuweisen, dass der Arbeitgeber ein System zur vollständigen Arbeitszeiterfassung vorhalten muss, welches auch tatsächlich anzuwenden ist.
- Bei einer fehlenden Arbeitszeitaufzeichnung kann diese nach § 22 Abs. 2 ArbSchG angeordnet werden. Eine unmittelbare Ahndung einer fehlenden Arbeitszeitaufzeichnung ohne vorherige Anordnung kann nach derzeitiger Rechtslage nicht erfolgen.
- Sollten bei der Überwachung Verstöße gegen die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Aufzeichnungspflicht festgestellt werden, so ist – unter Anwendung des Ermessenspielraums – der Arbeitgeber auf die verbindliche Dokumentationspflicht hinzuweisen oder die Dokumentationspflicht entsprechend anzuordnen. Bei Missachtung der Anordnung ist dann auch eine Ahndung der Verstöße vorzunehmen.
- Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Aufzeichnungspflicht bleibt die angekündigte Änderung des Arbeitszeitgesetzes abzuwarten. Das Bundesarbeitsgericht hat keine Formvorgaben gemacht; d. h. bis auf Weiteres genügt für die Aufzeichnung der Arbeitszeiten neben anderen Formen („Stechuhr“, digitale Erfassung, Erfassungs-„App“) auch die (hand‑) schriftliche Form.
- Auch ein betriebliches Arbeitszeitmodell, das Beschäftigten weitgehende Gestaltungsfreiheit bei der Verteilung ihrer Arbeitszeit gibt und auf eine ständige Kontrolle der Einhaltung der Vertragsarbeitszeiten bewusst verzichtet (Vertrauensarbeitszeit), ist weiterhin zulässig, solange die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten vollständig erfasst und die arbeitszeitgesetzlichen Grenzen eingehalten werden. Die Verantwortung für den Arbeitsschutz bleibt auch bei Vertrauensarbeitszeitmodellen beim Arbeitgeber, der bei Anhaltspunkten für Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz wirksame Gegenmaßnahmen ergreifen muss.
- Bis zu einer Änderung des Arbeitszeitgesetzes wird davon ausgegangen, dass die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nicht für die in § 18 ArbZG genannten Personen, z. B. Leitende Angestellte, gilt.
Im Gegensatz zum Referentenentwurf der Bundesregierung setzt dieser Erlass die Entscheidung des BAG vom 13.8.2023 gleichsam eins zu eins um. Insbesondere ist von Bedeutung, dass auch nach Ansicht des Ministeriums bei einem Verstoß gegen die Arbeitszeiterfassung keine rechtliche Grundlage für eine sofortige Bußgeldanordnung besteht. Außerdem soll lediglich unter Anwendung des gebotenen Ermessensspielraums eine Anordnung der Aufsichtsbehörde möglich sein. Erst wenn diese getroffen und dann vom Arbeitgeber nicht beachtet wird, kann eine Ordnungswidrigkeit vorliegen.