Arbeitszeitverlängerungen über 10 Stunden nur im Ausnahmefall
Immer wieder taucht in der Praxis das Bedürfnis nach einer Arbeitszeitverlängerung über 10 Stunden auf. Das ArbZG enthält hierzu Ausnahmeregelungen. Diese werden aber restriktiv angewandt, wie eine Entscheidung des VGH München v. 13.03.2014 – 22 ZB 14.344 – verdeutlicht.
Ausgangspunkt ist die Zielsetzung des § 1 ArbZG, der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer. Relevant für die Auslegung sind auch die unionsrechtlichen Vorgaben nach Art. 17, 18 der RL 2003/88/EG. Danach müssen Abweichungen von den allgemeinen Arbeitszeitregelungen auf das unbedingt Erforderliche begrenzt werden.
Ausnahmsweise kann die zuständige Arbeitsschutzbehörde in außergewöhnlichen Fällen, insbesondere Notfällen die Arbeitszeitgrenzen verlängern, § 14 Abs. 1 ArbZG. Ein solcher Notfall lag im konkreten Fall aber nicht vor.
Hier ging es darum, dass wegen des anstehenden Winterreifen-Wechsels ein Reifenfachhandel die Arbeitszeit seiner Reifenmonteure auf mehr als 10 Stunden täglich verlängern wollte. Das war in den Vorjahren vom damals noch zuständigen Gewerbeaufsichtsamt genehmigt worden. Eine Ausnahmebewilligung nach § 15 ArbZG wurde für die Folgejahre verweigert, mit einer aus meiner Sicht zutreffenden Begründung.
Dabei stützt sich der VGH München darauf, dass nach den berufsgenossenschaftlichen Informationen (BGl 884, sichere Reifenmontage) die Leistungsgrenze für körperlich anstrengende Montagearbeiten mit Blick auf die Hand- und Arm-Vibrationsbelastungen durch die Schlagschrauber bereits nach sieben Stunden erreicht sei. Weil dies so sei und weil der klagende Reifenfachdienst organisatorische Maßnahmen wie etwa Samstagsarbeit und die Einstellung von Hilfskräften für Zusatzarbeiten (beispielsweise Ein- und Auslagern der Reifen) nicht genutzt habe, habe angesichts der konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Gesundheitsschutz Vorrang.
Außerdem qualifiziere § 3 Abs. 2 LärmVibrationsArbSchVG Lärm und Vibration bei der Reifenmontage als eine spezifische Gesundheitsgefährdung. Dies bedinge, dass Anträge auf Bewilligungsentscheidungen generell voraussetzten, dass eine Gefährdungsbeurteilung vorliege, die insbesondere auch die Auswirkungen von verlängerten Arbeitszeiten berücksichtige (so ausdrücklich HWK-Gäntgen, 6. Auflage 2014, § 15 ArbZG, Rz. 5, dort auch zu den weiteren Rahmenbedingungen solcher Ausnahmebewilligungen unter Bezug auf MAGS NRW, § 15 Nr. 1.2).
Der gut begründeten Entscheidung ist nichts hinzuzufügen, sieht man einmal von der Schlussbemerkung ab, dass Ausnahmebewilligungen nach § 15 ArbZG eine „echte“ Ausnahme darstellen und die Antragstellung sorgfältig vorbereitet sein muss.