02.06.2020

Aufsichtsratswahlen trotz Corona-Pandemie?

Portrait von Detlef Grimm
Detlef Grimm

In vielen mitbestimmten Unternehmen laufen Aufsichtsratsmandate inmitten der Corona-Pandemie aus. Eigentlich müssten nun Neuwahlen durchgeführt werden. Doch viele Arbeitnehmer befinden sich in Kurzarbeit oder im Home-Office und würden Ausschreibungen und Bekanntmachungen zur Wahl gar nicht mitbekommen. Was also tun? Der Deutsche Gewerkschaftsbund bzw. seine Hans-Böckler-Stiftung hat schon am 25.3.2020 eine klare Empfehlung veröffentlicht.

Aufsichtsratsmandate sind zeitlich befristet. Auch für Arbeitnehmervertreter, die nach dem DrittelbG oder dem MitbestG in den Aufsichtsrat gewählt wurden, richtet sich die Dauer der Amtszeit nach den Satzungsregeln der Gesellschaft. Läuft die Amtszeit ab, erlischt das Aufsichtsratsmandat von selbst, und der Amtsträger verliert seine Rechte. Wurden bis dahin keine Neuwahlen durchgeführt, ist der Aufsichtsratsposten von nun an unbesetzt. Deshalb müssen Neuwahlen eigentlich rechtzeitig und turnusmäßig eingeleitet werden.

Die Durchführung der Aufsichtsratswahl während der Corona-Pandemie stößt jedoch auf erhebliche praktische Bedenken:

• Die Stimmabgabe muss grundsätzlich persönlich im Betrieb erfolgen. Der Wahlvorstand kann nicht generell die Briefwahl anordnen (BAG, Beschluss vom 27.01.1993, Az. 7 ABR 37/92, Leitsatz 3). Bei persönlicher Stimmabgabe kann es dabei leicht zu großen Personenansammlungen mit hohem Ansteckungsrisiko kommen.

• Die Wahl muss rechtzeitig bekannt gemacht werden. Dies erfolgt üblicherweise durch Aushänge, die so erfolgen müssen, dass sie von allen Mitarbeitern eingesehen werden können. Allerdings befinden sich derzeit viele Mitarbeiter im Home-Office oder in Kurzarbeit und können von betrieblichen Aushängen keine Kenntnis nehmen. Wird keine andere geeignete (z.B. informationstechnische) Methode der Bekanntgabe eingerichtet, ergibt sich ein erhebliches Risiko dass Gerichte die Wahl deshalb für ungültig erklären, sollte die Wahl angefochten werden.

• Da die Betriebsöffentlichkeit durch die Abwesenheit vieler Mitarbeiter und Hygieneregeln gestört ist, wären Wahlwerbung und Wahlkämpfe nur sehr eingeschränkt möglich.

Zwar hat der Gesetzgeber in Reaktion auf die Corona-Pandemie mehrere Sondergesetze erlassen. Gerade diese Problematik hat er allerdings nicht geregelt. Lediglich für Mitglieder des Aufsichtsrates einer Genossenschaft enthält § 3 Abs. 5 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie vom 27.03.2020 eine Spezialregelung und legt fest, dass hier die Mandatsträger auch nach Ablauf ihrer Amtszeit bis zur Bestellung eines Nachfolgers im Amt bleiben. Für andere Gesellschaftsformen gilt dies nicht.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat eine klare Empfehlung bekanntgegeben: Unternehmen sollten die Aufsichtsratswahlen verschieben und bereits anberaumte Aufsichtsratswahlen abbrechen.

Um zu verhindern, dass Aufsichtsratsmandate in der Zwischenzeit auslaufen, empfiehlt der DGB, einen Antrag auf Ergänzung des Aufsichtsrats nach § 104 AktG zu stellen. Auf einen solchen Antrag hin bestellt das zuständige AG (Registergericht) von Amts wegen Aufsichtsratsmitglieder, bis wieder die in der Gesellschaftssatzung vorgesehene Zahl erreicht ist. Die Antragsteller können dem Gericht bei der Antragstellung vorschlagen, genau dieselben Aufsichtsratsmitglieder erneut zu bestellen, deren Amtszeit eigentlich gerade auslaufen würde. Üblicherweise folgen die Gerichte solchen Vorschlägen. Auf diese Weise lässt sich die Amtszeit des Aufsichtsrats über die satzungsmäßig vorgesehene Zeit verlängern.

Antragsberechtigt ist neben der Geschäftsführung des Unternehmens auch der (Gesamt-)Betriebsrat. Am besten stimmt die Geschäftsführung mit den Arbeitnehmervertretern in Aufsichts- und Betriebsrat ein einheitliches Vorgehen ab. Die Geschlechterquote und der Gruppenproporz (etwa nach §§ 7 Abs. 1 und Abs. 2 und 15 Abs. 2 MitbestG) ist zu beachten.

 

Dr. Detlef Grimm               Dr. Jonas Singraven

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