Auswechseln von Kündigungsgründen im Prozess unzulässig?
Ich möchte Ihr Augenmerk auf ein Urteil des LAG Düsseldorf (v. 24.06.2015 – 7 Sa 1243/14) richten. Danach soll ein Auswechseln der Kündigungsgründe im Arbeitsgerichtsprozess dann unzulässig sein, wenn die Kündigung „einen völlig anderen Charakter“ erhält. Konkret hatte der Arbeitgeber zunächst verhaltensbedingt gekündigt, dann die Kündigung als betriebsbedingte Kündigung im Prozess gerechtfertigt.
Besonders interessant ist der Fall deshalb, weil der Arbeitgeber zunächst eine betriebsbedingte Kündigung avisiert hatte. Es traten dann Spannungen zum Arbeitnehmer auf, die den Arbeitgeber zur außerordentlichen, wahrscheinlich auch hilfsweise fristgerechten Kündigung veranlasst hatten. Das LAG Düsseldorf hat es abgelehnt, die bereits in I. Instanz zur Begründung nachgeschobenen (vielleicht besser formuliert: in der Begründung ergänzten) Kündigungsgründe zu prüfen. Die Kündigung erhalte einen „völlig anderen“ Charakter.
======================== Anzeige:
Meines Erachtens ist die Entscheidung falsch, weil der Arbeitgeber die Kündigung sozial rechtfertigen muss. Dazu gilt § 1 KSchG. Welchen Grund er hierzu vorträgt, ist irrelevant, sofern die Kündigung als solche sozial gerechtfertigt ist. Hier bestanden im Hinblick auf die Vorgeschichte auch keine Anhaltspunkte, dass die spätere Begründung konstruiert worden war. Natürlich muss der Arbeitgeber auch die Betriebsratsanhörung ordnungsgemäß durchführen und kann sich nur auf das berufen, was er dem Betriebsrat als Kündigungsgrund mitgeteilt hat.
Das LAG Düsseldorf betritt mit der Entscheidung Neuland, insofern dürfen wir gespannt sein, was das BAG – sollte die zugelassene Revision durchgeführt werden – dazu sagen wird. Der BGH jedenfalls lässt bei GmbH-Geschäftsführern das Nachschieben „beliebiger Gründe“ zu (BGH v. 01.12.2003 – II ZR 161/02; so auch OLG Düsseldorf v. 24.02.2012 – 16 U 177/10; Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, § 35, Rn. 235).