12.05.2016

Berechnung des Annahmeverzugslohns - Neues und Bekanntes aus Erfurt

Portrait von Axel Groeger
Axel Groeger

Geht ein Arbeitnehmer während des Annahmeverzugs des Arbeitgebers einer anderweitigen Beschäftigung nach, ist nur der kausal erziele Zwischenverdienst auf den Anspruch aus § 615 S. 1 BGB nach § 11 KSchG oder nach § 615 S. 2 BGB anzurechnen. Beträgt die Arbeitszeit im ersten Arbeitsverhältnis 20 Stunden und beläuft sich die Arbeitszeit im zweiten, während des Annahmeverzugs begründeten Arbeitsverhältnisses ebenfalls auf 20 Stunden, kann fraglich sein, ob eine Anrechnung erfolgt, weil beide Tätigkeiten auch parallel ausgeübt werden könnten (HWK/Krause, 7. Auflage 2016, § 615 BGB Rz. 90). Evident ist dies, wenn die zweite Tätigkeit bereits vor Beginn des Annahmeverzugs begründet wurde. Wenn im ursprünglichen Arbeitsverhältnis 12 Stunden wöchentlich gearbeitet wurde und im später aufgenommenen 17 Stunden, ist der daraus erzielte Verdienst nur zu 12/17 anzurechnen, weil ausschließlich das anzurechnen ist, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung desjenigen Teils seiner Arbeitskraft erwirbt, die er dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen verpflichtet war. Also ist Zwischenverdienst auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs in dem Umfang anzurechnen, wie er dem Verhältnis der beim Arbeitgeber ausgefallenen Arbeitszeit zu der im neuen Dienstverhältnis geleisteten entspricht.

Dieser sehr konkreten und feinsinnigen Betrachtung zuwiderlaufend hält das BAG in derselben Entscheidung an seiner Rechtsprechung fest, dass der anderweitige Verdienst des Arbeitnehmers auf die Vergütung für die gesamte Dauer des Annahmeverzugs anzurechnen ist und nicht nur auf die Vergütung für den jeweiligen Zeitabschnitt, in dem der anderweitige Erwerb gemacht wurde. Für die erforderliche Vergleichsberechnung soll eine Gesamtberechnung vorgenommen werden (BAG vom 24.2.2016 - 5 AZR 425/15; zur a.A. siehe Nachweise bei HWK/Krause, § 615 BGB Rz. 89). Das dogmatische Fundament, auf dem diese Rechtsprechung beruht, ist meines Erachtens brüchig - warum sollen Ansprüche aus einzelnen Zeitabschnitten verjähren können, wenn nach Beendigung des Annahmeverzuges eine Gesamtberechnung erfolgen soll? Wird dann der Zwischenverdienst für diese Zeitabschnitte in die Gesamtberechnung einbezogen oder ausgeklammert? Das "Prinzip" der Gesamtberechnung gibt - Gott sei Dank sehr selten - Anlass zu dem Missverständnis, dass es nur diese Gesamtberechnung gäbe; dann hätte es der Arbeitgeber in der Hand, den Zahltag ad infinitum hinauszuschieben. Ob dieser Rechtsprechung wohl das gleiche Schicksal droht, wie der Rechtsprechung zu anderen grundlegenden Fragen wie dem Verfall von Urlaubsansprüchen oder der Tarifeinheit? Zumindest gehört sie auf den Prüfstand des BAG!

RA FAArbR Axel Groeger www.redeker.de

Zurück