Betriebsräte müssen sich an das BDSG halten
Beweisverwertungsverbote bei unzulässiger Datenerhebung werden intensiv diskutiert. Meist ist es dabei der Arbeitgeber, der bei der Kontrolle und Überwachung seiner Mitarbeiter die Vorgaben des § 32 BDSG missachtet. Besonders brisant wird es jedoch, wenn sich nicht der Arbeitgeber, sondern der Betriebsrat dem Vorwurf unzulässiger Datenerhebung ausgesetzt sieht. Eine solche Konstellation hatte das LAG Berlin-Brandenburg jüngst zu entscheiden (Beschluss vom 15. Mai 2014 – 18 TaBV 828/12 und 18 TaBV 830/12).
Aus der ZPO folgen keine ausdrücklichen Beweisverwertungsverbote. Aus § 286 ZPO iVm. Art. 103 Abs. 2 GG ergibt sich vielmehr die Verpflichtung der Gerichte, den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen. Das „Recht auf Beweis“ genießt damit sogar Verfassungsrang! Grundsätzlich sind die ordentlichen, wie auch arbeitsgerichtlichen Gerichte also dazu befugt, auch Erkenntnisse zu verwerten, die sich eine Prozesspartei in rechtswidriger Weise verschafft hat.
Dieser Grundsatz kann jedoch im Einzelfall mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs.1, Art. 2 Abs. 1 GG) der betroffenen Person kollidieren. Der Richter steht den Verfahrensbeteiligten im Prozess in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber und ist deshalb nach Art. 1 Abs. 3 GG grundrechtsgebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet. In diesem Spannungsfeld hat das BAG im „Spind-Urteil“ (Urteil vom 20. Juni 2013 – 2 AZR 546/12 –, BAGE 145, 278-295 = ArbRB 2014, 70 [Jacobi]) entschieden, dass Gerichte die mit Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht erlangten Beweise nur verwerten dürfen, wenn eine „Abwägung der beteiligten Belange ergibt, dass das Interesse an einer Verwertung der Beweise trotz der damit einhergehenden Rechtsverletzung das Interesse am Schutz der Daten überwiegt.“ Das BAG misst dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hier viel Gewicht bei: „Das allgemeine Interesse an einer funktionstüchtigen Rechtspflege und das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, reichen dabei für sich betrachtet nicht aus, dem Verwertungsinteresse den Vorzug zu geben. Dafür bedarf es zusätzlicher Umstände. Sie können etwa darin liegen, dass sich der Beweisführer mangels anderer Erkenntnisquellen in einer Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage befindet.“
Dass auch der Betriebsrat an diese Voraussetzungen gebunden ist, hat das LAG Berlin-Brandenburg nun erstmals entschieden. In dem Fall hatte der Betriebsrat Screenshots von E-Mails der Arbeitnehmer zum Beweis vorgelegt, die er unter Missachtung von § 4 Abs. 1 BDSG ohne rechtliche Grundlage und ohne vorherige Einwilligung der betroffenen Arbeitnehmer erlangt hat. Die E-Mails stammten aus einem „Funktions- und Auftragspostfach“, zu dem der Betriebsrat keinen Zugang hatte.
Der Betriebsrat wollte mit den E-Mails den Beweis darüber führen, dass die Arbeitnehmer auch außerhalb ihrer Arbeitszeit dienstliche E-Mails bekämen und bearbeiteten. Diese Handhabe würde der geltenden Betriebsvereinbarung „Arbeitszeit“ widersprechen. Aus seiner Sicht waren die E-Mails nicht rechtswidrig erlangt und deshalb auch vor Gericht verwertbar. Ihm stünde ein dem Auskunftsrecht aus § 80 BetrVG spiegelbildliches Zugriffsrecht zu.
Das LAG Berlin-Brandenburg verneint dies und unterstellt die fraglichen Screenshots der Mails einem Beweisverwertungsverbot. Der Betriebsrat befand sich bei der Informationsbeschaffung gerade nicht in einer Beweisnotlage, die ausnahmsweise das Interesse an der Beweisführung gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht überwiegen ließe. Schließlich hätte er seinen Auskunftsanspruch aus § 80 Abs. 2 BetrVG gegenüber der Arbeitgeberin geltend machen können. Dabei steht dem Betriebsrat kein Selbsthilferecht zu: Erfüllt der Arbeitgeber den Anspruch nicht, muss er diesen vor Gericht geltend machen. Hier lag der Fall überdies so, dass der Betriebsrat sein Informationsrecht erst gar nicht geltend gemacht hat, sondern direkt eigenmächtig vorgegangen ist.
Das heimliche Vorgehen des Betriebsrats intensiviert zusätzlich seine Eingriffsqualität. Da der Betriebsrat die Beschäftigten auch hätte fragen können oder in Beisein der Account-Inhaber die Mails hätte abrufen können, hätte ihm jedenfalls ein milderes Mittel zur Verfügung gestanden.
Das LAG Berlin-Brandenburg nutzt die Gelegenheit, um klarzustellen, dass der Betriebsrat keine Sonderbehandlung vor Gericht genießt. Dies ist konsequent. Es wäre doch geradezu widersinnig, dem Betriebsrat weitgehende Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht derjenigen Arbeitnehmer zuzubilligen, deren Interessen zu schützen er sich verpflichtet hat. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, gerade in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung hat durch den Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg eine erneute Stärkung erfahren. Denn effektiv geschützt wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht erst, wenn der strenge materiell-rechtliche Datenschutz durch ein aus etwaigen Verstößen folgendes prozessrechtliches Beweisverwertungsverbot flankiert wird.
Wir dürfen nun gespannt sein, wie das BAG im anhängigen Rechtsbeschwerdeverfahren 1 ABR 52/14 entscheiden wird.
Im Übrigen: Auch die weiteren vorgebrachten Beweise konnten das Gericht nicht von der Rechtsauffassung des Betriebsrats überzeugen: Die angehörten Zeugen haben an die konkreten E-Mails und den Zeitpunkt, zu dem sie diese gelesen haben, nachvollziehbar keine Erinnerung mehr gehabt.