Bitte schreib ordentlich!
Das muss ich meinen beiden älteren Söhnen manchmal sagen, damit die Lehrer überhaupt in der Lage sind, ihre Ausführungen zu lesen. Auch wir Anwälte werden gelegentlich durch Gerichte daran erinnert, so etwa im Zusammenhang mit der Unterschriftsleistung unter Schriftsätzen. Eine Unterschrift setzt nach der Rechtsprechung einen individuellen Schriftzug voraus, der sich – ohne lesbar sein zu müssen – als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt. Unter diesen Voraussetzungen kann selbst ein vereinfachter, von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichneter Namenszug als Unterschrift anzuerkennen sein. (BAG v. 25.2.2015 – 5 AZR 849/13, Rz. 19). Anders als meine Söhne müssen wir Anwälte also nicht einmal lesbar schreiben.
Aber auch Arbeitgeber müssen bei der Unterschrift unter ein Arbeitszeugnis Sorgfalt walten lassen und ordentlich schreiben. Hiermit musste sich das LAG Hamm (v. 27.7.2016 – 4 Ta 118/16) befassen. Der Arbeitgeber hatte durch eine – angeblich infolge Schlüsselbeinbruchs – abweichende Unterschrift des Geschäftsführers den Zeugnisanspruch nicht erfüllt. Nachdem der Geschäftsführer dann wieder richtig schreiben konnte, hatte er erneut das Zeugnis unterzeichnet. Dieses trug dann auch die übliche Unterschrift des Geschäftsführers. Der Schriftzug kreuzte aber in einem Winkel von ca. 30 Grad von links oben nach rechts unten den unter den Zeugnistext maschinenschriftlich eingesetzten Firmennamen sowie nach zwei Leerzeilen die Namenswiedergabe des Geschäftsführers der Schuldnerin nebst Zusatz "Geschäftsführung". (LAG, a.a.O., Rz. 16) Das durfte nach Auffassung das LAG Hamm nicht sein. Denn „eine quer zum Zeugnistext verlaufende Unterschrift begründet regelmäßig Zweifel an dessen Ernsthaftigkeit und verstößt damit gegen § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Zwecksetzung des Unterzeichnenden an.“ (dritter Leitsatz)
An der Stelle frage ich mich, ob das Landesarbeitsgericht nicht übertreibt. Ich sehe im Arbeitsalltag viele Unterschriften, durch welche die maschinenschriftlichen Namensbezeichnungen überschrieben werden. Auch ist die Unterschrift oft nicht parallel zum Text. Muss ich auch hier Hintergedanken und Zweifel haben?
Aber meinen Mandanten muss ich – wie meinen Söhnen – zukünftig sagen: „Schreib ordentlich“.
RA FAArbR Dr. Stefan Sasse, Magdeburg www.goehmann.de
Hinweis der Redaktion: Im aktuellen Heft des Arbeits-Rechtsberaters lesen Sie einen Aufsatz von VRLAG Dr. Michael Horcher über prozessuale Fragen zum Zeugnisanspruch. Der Beitrag ist frei abrufbar für Abonnenten der Zeitschrift sowie im Rahmen eines kostenlosen Tests des Berater-Moduls Arbeitsrecht.