17.08.2017

Bundestagswahl, Parteien und Arbeitsrecht

Portrait von Detlef Grimm
Detlef Grimm

Bekanntlich wird nach der Wahl manches aus den Wahlprogrammen vergessen werden. Trotzdem möchte ich Ihnen eine Übersicht über die arbeitsrechtlichen Ankündigungen der Parteien geben.

Arbeitszeit: Die FDP will das Arbeitszeitrecht liberalisieren, indem der 8-Stunden-Tag mit der täglichen Höchstarbeitszeit von 8 bis 10 Stunden abgeschafft wird. Auch soll in nicht-sicherheitsbedeutsamen Arbeitssituationen die 11-Stunden-Ruhezeit aufgehoben werden. Kernaussage im Arbeitszeitrecht ist, dass nur eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 40 Stunden festgeschrieben ist. Die CDU will das Arbeitszeitrecht nur im Zusammenwirken der Tarifvertragsparteien (also tarifgebundener Unternehmen) liberalisieren, soweit die tägliche Höchstarbeitszeit und die Ruhezeit betroffen sind. Demgegenüber will die Linke die Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden begrenzen. Die Linke, die Grünen und die SPD wollen den Beschäftigten Wahlmöglichkeiten bei Arbeitszeit, Lage und Arbeitsort einräumen, selbstverständlich nur, sofern – arbeitsgerichtlich voll überprüfbare – betriebliche Belange des Arbeitgebers nicht entgegenstehen.

Die befristete Teilzeit mit Rückkehrrecht war gegen Ende der Legislaturperiode ein Thema geworden. Es verwundert nicht, dass alle Koalitionsparteien und auch die Grünen grundsätzlich eine solche befristete Teilzeit mit Rückkehrrecht auf die ursprüngliche Arbeitszeit befürworten. Die CDU will dies an eine bestimmte Betriebsgröße knüpfen. SPD und Grüne sehen keine Notwendigkeit dafür. Die FDP schweigt.

Atypische Arbeitsverhältnisse: Während die Gewerkschaften die Arbeit auf Abruf (§ 12 TzBfG) ganz abschaffen wollen, wollen die SPD, die Grünen und die Linke diese eingrenzen. Die Grünen schließen Arbeit auf Abruf aus, wenn die Tätigkeit mit „normalen“ Arbeitsverhältnissen erledigt werden kann. SPD, Grüne und Linke fordern die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung (§ 14 Abs. 2 TzBfG). Die „normale“, also an einen Sachgrund geknüpfte Befristung gem. § 14 Abs. 1 TzBfG soll nach Ansicht der Linken auf längstens ein Jahr zugelassen werden; SPD und Linke wollen die Sachgründe eingrenzen, wozu auch gehört, dass die Befristung begrenzt wird. Die CDU möchte immerhin „offenkundige Missbräuche“ abstellen, wohingegen die FDP schweigt.

Auch wenn Werkverträge in der vergangenen Legislaturperiode im Rahmen der Novelle des AÜG schon behandelt worden waren, will die SPD den Missbrauch von Werkverträgen weiter bekämpfen. Die Linke verlangt sogar eine Beweislastumkehr: Der Arbeitgeber muss darlegen und beweisen, dass kein Arbeitsverhältnis, sondern ein Werkvertrag vorliegt. Scheinselbstständigkeit (vgl. § 611 a BGB) soll nach Ansicht der Grünen „rechtssicher“ geregelt werden; zum ersten Mal wäre der Arbeitnehmerbegriff klar definiert, was aus meiner Sicht für die Arbeitsrechtswissenschaft einem Quantensprung bedeuten würde, auf den seit einem Jahrhundert gewartet wird.

Es überrascht nicht, dass die geringfügige Beschäftigung je nach Lager umstritten ist. Die Linke will die geringfügige Beschäftigung abschaffen, SPD und Grüne wollen den Weg in die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erleichtern und Missbrauch bekämpfen. Die CDU und die FDP wollen geringfügige Beschäftigung erleichtert zulassen.

Mindestlohn: Der Mindestlohn soll nach Ansicht der Linken auf 12,00 € erhöht werden. Bessere Kontrollen – wie die Linke fordert – dürften wohl nicht im Sinne der CDU sein, die viele bürokratische Hürden insbesondere in Landwirtschaft und Gastronomie sieht und diese zu Beginn der Legislaturperiode abbauen will. Andere widersprechen: Ausnahmen vom Mindestlohn (§ 22 MiLoG) sollen überprüft und eingeschränkt werden, so jedenfalls die Linke und die SPD.

Kollektives Arbeitsrecht: Die betriebliche Mitbestimmung soll nach Ansicht von SPD, Linke und Grünen weiter ausgebaut werden, die Grünen wollen beispielsweise ein Mitbestimmungsrecht bei der Arbeitsmenge. Auch die Linke befürwortet ein Mitbestimmungs- und ein „Veto“-Recht bei der Arbeitsmenge. Es ist für die Linke dann nur konsequent, dass ein solches Mitbestimmungsrecht auch bei Arbeitsorganisation und Personalbemessung sowie bei den wirtschaftlichen Fragen im Allgemeinen bestehen soll.

Die SPD will eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle durch IT-Systeme effektiver verhindern und dazu die Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG weiter ausbauen; ebenso soll die Mitbestimmung bei der Leiharbeit und beim Werkvertrag gestärkt werden.

Betriebsräte sollen bei Berufsbildungsmaßnahmen und bei der Weiterbildung initiativ werden können und nicht mehr nur reaktiv mitbestimmen (§§ 96 bis 98 BetrVG). Betriebsräte sollen besser geschützt werden, sowohl bei der täglichen Arbeit durch eine verstärkte Ahndung von Betriebsratsbehinderungen als auch bei der Wahl, so die SPD.

FDP und CDU haben offenbar keine Ideen in Bezug auf eine verschärfte betriebliche Mitbestimmung.

Das Tarifvertragswesen soll nach Ansicht der SPD und auch der Grünen gestärkt werden. Die SPD will Tarifverträge auch rückwirkend für allgemeinverbindlich erklären lassen. Tarifverträge sollen in Fällen des § 613 a BGB kollektivrechtlich (und damit nicht nur über § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB individualrechtlich) gelten.

Die Linke will dazu auch nach dem Betriebsübergang den jeweils in den Betrieb eintretenden Arbeitnehmern die Geltung der Tarifverträge rechtlich gewähren. Die Gewerkschaften sollen nach Ansicht der SPD und der Linken ein Verbandsklagerecht erhalten, soweit es um die Durchsetzung individualrechtlicher Ansprüche von Arbeitnehmern geht.

Das Thema Tarifbindung beschäftigt die SPD und wohl auch die CDU. Die SPD will tarifgebundenen Betrieben mehr Gestaltungsmöglichkeiten im Arbeitsrecht als Betrieben ohne Tarifbindung geben. Tarifgebundene Unternehmen sollen also gesetzlich privilegiert werden. Im Ansatz sieht dies auch die CDU so: „Zusätzliche Flexibilität, Spielräume und Experimentierräume sollen für Unternehmen entstehen, für die ein Tarifvertrag gilt oder angewendet wird oder in denen eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat erfolgt“. Dazu verweist die CDU auf das erfolgreiche Entgelttransparenzgesetz.

Arbeitskampf: Hier will die Linke das Streikrecht durch die Zulassung politischer Streiks stärken. Auch soll § 160 SGB III gestrichen werden. Ein Streikrecht soll auch für Beschäftigte in Kirchen, Diakonie und Caritas bestehen (das sehen die Gewerkschaften und die Grünen ebenso). Es überrascht nicht wirklich, dass FDP und CDU keine Ausweitungen der Arbeitskampfmöglichkeiten in ihr Programm aufnehmen.

Beschäftigtendatenschutz: Die Grünen, die Linke und die SDP möchten den Gesetzgebungsauftrag aus § 26 BDSG umgesetzt wissen und neue spezifische Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz schaffen. Die SPD und Linke wollen darüber hinaus Whistleblower – dazu gab es schon einige Gesetzesentwürfe – schützen. Forderungen der FDP und CDU bestehen nicht.

Hier scheint mir der gesetzgeberische Auftrag im Zusammenhang mit der Neuregelung zu § 26 BDSG noch am ehesten wahrscheinlich. Die Begründung zum neuen Beschäftigtendatenschutz hat herausgestellt, dass die Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten auf der Grundlage gesonderter Gesetze zulässig sein soll. Das betreffe insbesondere das Fragerecht bei der Begründung des Beschäftigungsverhältnisses, den expliziten Ausschluss von heimlichen Kontrollen im Beschäftigungsverhältnis, die Begrenzung der Lokalisierung von Beschäftigten sowie den Ausschluss von Dauerüberwachungen und die Verwendung biometrischer Daten zur Authentifizierungs- und Autorisierungszwecken. Auch macht es Sinn, Regelungen zur Videoüberwachung am Arbeitsplatz zu treffen, da § 4 BDSG nichts dazu regelt.

Alles weitere in der Berichterstattung nach der Bundestagswahl und dem Koalitionsvertrag, welche Partei auch immer ihn mit welcher Partei abschließen möge.

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