16.09.2015

Clinch um das Bett für den Betriebsrat

Portrait von Detlef Grimm
Detlef Grimm

Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für Schulungsveranstaltungen (abgeleitet aus § 40 Abs. 1 BetrVG) steht häufig im Mittelpunkt arbeitsgerichtlicher Beschlussverfahren. Das BAG hat im Beschluss vom 27.5.2015 – 7 ABR 26/13 entschieden, dass Hotelkosten zu übernehmen sind, wenn die Schulung nur 44 Kilometer vom Betriebsort stattfindet, die Übernachtung nicht Gegenstand des Betriebsratsbeschlusses war, aber nach der Genehmigung des Arbeitgebers veränderte Umstände eingetreten sind. Hier waren es „außergewöhnliche Wetterverhältnisse“, die aufgrund durchgehender Eis- und Schneeglätte zu außergewöhnlichen Straßenverhältnissen mit verlängerten Fahrzeiten und einem „besonderen Unfallrisiko“ geführt hatten.

Ausgangspunkt ist die Frage, ob die Hotelübernachtung bzw. die Kosten erforderlich waren. Dabei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die Revisionsinstanz kann die Feststellung der Tatsacheninstanz nur eingeschränkt überprüfen, nämlich dahingehend, ob der Rechtsbegriff selbst verkannt war, Denkgesätze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt waren oder wesentliche Umstände bei der Würdigung übersehen worden waren.

Hier hatte der Betriebsrat ursprünglich – nachdem der Personalleiter darum gebeten hatte, möglichst keine Hotelkosten anfallen zu lassen – beschlossen, täglich zur Schulung an- und abzureisen. Später fiel der Entschluss, zu übernachten; die Genehmigung des Arbeitgebers hierzu war aber nicht eingeholt worden.

Das LAG hat die Kosten der Übernachtung am Schulungsort aufgrund der nachträglichen Entscheidung des Betriebsrats für erforderlich gehalten, weil die tägliche An- und Abreise zum Schulungsort aufgrund der Witterungs- und Straßenbedingungen nicht zumutbar gewesen sei. Zwar sei Ausgangspunkt der Kostenerstattung der für die Schulungsteilnahme erforderliche Betriebsratsbeschluss in Bezug auf ein konkretes Betriebsratsmitglied und die konkrete, nach Zeitpunkt und Ort bestimmte Schulung (vgl. BAG 12.01.2011 – 7 ABR 94/09).

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Das LAG hatte aber weiter ausgeführt – und das BAG stimmt zu –, dass das Betriebsratsmitglied an den Beschluss nicht gebunden ist, wenn sich – wie hier – zwischen dem Beschluss und dem Beginn der Schulungsveranstaltung die für die Beurteilung der Erforderlichkeit maßgebenden Umstände gravierend ändern, auch wenn erhebliche Kosten (hier ca. 314,00 € für die vier Übernachtungen) anfallen. Dabei weist das BAG darauf hin, dass das beteiligte Betriebsratsmitglied die Schulungsteilnahme sicherstellen musste, was angesichts der Witterungsverhältnisse schon für die Übernachtung gesprochen hätte. Auch sei bei den Verkehrsverhältnissen (rund um Köln!) die tägliche An- und Abreise schon bei normalen Witterungsbedingungen an der Grenze der Zumutbarkeit gewesen. Erst recht habe dies bei den Witterungsbedingungen gegolten.

Mit gewisser Süffisanz behandelt das BAG die Revisionsrüge, die Beweiswürdigung durch das LAG Köln sein fehlerhaft gewesen. Das LAG habe – so der Arbeitgeber - nur eine Wetterstation (Flughafen Köln-Wahn) interpretiert. Die Eisglätte habe in der Zeit vom 07. bis 10.12.2010, zum Zeitpunkt der Schulung also, nur „stellenweise“ bestanden. Hierzu zieht das BAG die weiteren Erkenntnisse der vom LAG eingeholten Auskunft des Deutschen Wetterdienstes heran. Es habe durchgehend Schneeglätte bestanden. Auch seien vergleichbare Schneehöhen und Temperaturen herangezogen worden, weshalb im gesamten Raum um Köln Schnee- und/oder Eisglätte bestanden habe. Für die Beweiswürdigung bedürfe es nach § 286 Abs. 1 ZPO auch keiner absoluten Sicherheit, sondern „ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit genügt, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen“ (so schon BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 865/13, Rn. 44). Schließlich habe es keiner Feststellung der konkreten (!) Straßenverhältnisse auf der Verkehrsroute des Betriebsratsmitglieds bedurft.

Auf den weiteren Ausbau der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 BetrVG in diesem Betrieb!

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