28.09.2017

"Der Alte" - Befristung in Fernsehserien

Portrait von Wienhold Schulte
Wienhold Schulte www.schulteundkarlsfeld.de

Auch wenn man nicht regelmäßig Fernsehserien sieht, geraten sie durch gerichtliche Entscheidungen auf unseren arbeitsrechtlichen „Schirm“. Die Schauspieler Pierre Sanoussi-Bliss in der Rolle des Kommissars „Axel Richter“ und Markus Böttcher in der seines Kommissarkollegen „Werner Riedmann“ waren vom ZDF befristet eingestellt worden, obwohl sie bereits seit Jahrzehnten – Böttcher seit 26 Jahren, Sanoussi-Bliss seit 18 Jahren – diese Rollen besetzt hatten.

Beide Schauspieler haben sich, als ihre beiden Kommissar-Rollen 2015 aus dem Drehbuch gestrichen wurden – immerhin wurden sie mit einem „Sektfrühstück“ in der letzten Folge verabschiedet – gegen ihren „Rauswurf“ durch offenbar rechtzeitig eingereichte Entfristungsklage vor dem Arbeitsgericht München zur Wehr gesetzt. Nachdem auch das LAG München bestätigt hatte, dass die Befristungen wirksam waren, hat der 7. Senat in den beiden Urteilen vom 30.8.2017 – 7 AZR 864/15 und 7 AZR 440/16 – die Revision der klagenden „Kommissare“ zurückgewiesen.

In der Pressemitteilung Nr. 36/17 hat der Senat nur die Entscheidung in der Sache Sanoussi-Bliss (Kommissar „Axel Richter“) erläutert und die relevanten Daten übermittelt. Danach war das Arbeitsverhältnis befristet - zuletzt vom 13./16.10.2014 bis zum 18.11.2014 für 16 Drehtage zur Produktion der Folgen Nr. 391 und 392. Der Kläger hatte geltend gemacht, dass eine unzulässige Kettenbefristung vorliege und der Befristung im Übrigen auch ein Sachgrund fehle.

Der Sachgrund des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG, Eigenart der Arbeitsleistung, erfordere eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung. Einerseits sei das Gestaltungsinteresse des Arbeitgebers durch die Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG, geprägt, andererseits gewähre Art. 12 Abs. 1 GG einen Mindestbestandsschutz des künstlerisch tätigen Arbeitnehmers. Beide Belange seien abzuwägen und diese Interessenabwägung sei Bestandteil der Sachgrundprüfung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG.

Im vorliegenden Fall hat der Senat den vom Sender umgesetzten künstlerischen Erwägungen den Vorrang gegenüber dem Bestandsschutz des langjährig in der jeweiligen Rolle angesetzten Schauspielers gegeben. Die kurzfristige Möglichkeit, das Format durch die Streichung der vom Kläger bekleideten Rolle fortzuentwickeln, liege im Kernbereich des künstlerischen Konzepts und der die Serie mitprägenden Rolle.

Damit liegt die Entscheidung des 7. Senats auf der Linie der Entscheidungen des Senats zur Befristung der Arbeitsverträge mit Beschäftigten, die auf das Programm der Rundfunk- und Fernsehanstalten Einfluss nehmen können. Die Rundfunkanstalt müsse den Erfordernissen eines vielfältigen Programms und des sich künftig ändernden Informationsbedürfnissen und Publikumsinteressen gerecht werden, vgl. BAG v. 4.12.2013 – 7 AZR 457/12, ArbRB online. Auch der 5. Senat, vgl. Urt. v. 8.11.2006 – 5 AZR 706/05, NZA 2007, 321 = ArbRB 2007, 100 (Ohle), hat in diesem Sinne der Arbeitgeberseite Recht gegeben.

Ob diese Grundsätze zumindest im Ergebnis auch für andere Bereiche, z.B. des Sports, im Zusammenhang mit der Prüfung einer Befristung nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG unter dem Gesichtspunkt des sog. Verschleißtatbestandes (s. hierzu Schewiola, ArbRB 2016, 279) übertragbar sind, ist noch nicht endgültig geklärt. Für die Befristung eines Fußballtrainervertrages hatte der 7. Senat noch mit Urt. v. 15.4.1999 – 7 AZR 437/97, NZA 2000, 102 = ArbRB online judiziert, dass die längere Ausübung desselben Berufs noch keinen Verschleißtatbestand darstelle. In solchen Fällen müsse ein vertragstypischer, das übliche Maß deutlich überschreitender Verschleiß vorliegen, vgl. auch ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG, Rz. 44.

Immerhin hat das LAG Rheinland-Pfalz (Urt. v. 17.2.2016 – 4 Sa 202/15, NZA 2016, 699 = ArbRB 2016, 171 [Schewiola]) die Befristung des Arbeitsvertrages mit einem Lizenzspieler eines Fußballvereins der ersten Bundesliga aus diesem Grund für wirksam gehalten. Das „Abwicklungsbedürfnis des Publikums“ und die zunehmende Kommerzialisierung des Profi-Fußballs, die „mittlerweile vielerlei Ähnlichkeit mit der Unterhaltsbranche“ aufweise, rechtfertige die Befristung. „Nach einer gewissen Zeit … wünscht das Publikum … eine Änderung der ‚Fußballshow‘ und daher andere Spieler.“ (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, aaO, Rz. 39 u. 40).

Mit „künstlerischer Freiheit“ können die Fußballvereine wohl nicht argumentieren. Der 7. Senat wird aber auch darüber bald zu entscheiden haben. Es bleibt spannend – nicht nur im „Krimi“.

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