07.02.2018

Der Koalitionsvertrag vom 7.2.2018

Portrait von Detlef Grimm
Detlef Grimm

Wer möchte, kann über diesen Link aus dem Handelsblatt den Koalitionsvertrag lesen. Ich meine nach erster Durchsicht der Inhalte zum Arbeitsrecht (S. 50 ff, beginnend mit Zeile 2237), dass das Deutschland nicht wirklich nach vorne bringt.

Jeder mag für sich entscheiden, ob die arbeitsrechtlichen Inhalte des Koalitionsvertrages für mehr Flexibilisierung stehen:

  • Befristeter Teilzeitanspruch für Beschäftigte in Unternehmen mit mehr als 45 Arbeitnehmern. Im Kontext seht das Ziel, mehr Familienzeit zu ermöglichen (Zeile 2388). Der Anspruch ist auf maximal fünf Jahre befristet. In Unternehmen mit 46 bis 200 Arbeitnehmern gilt überdies eine Zumutbarkeitsgrenze: Lediglich einem pro angefangenen 15 Arbeitnehmern muss der Teilzeitanspruch gewährt werden (wobei die "ersten" 45 Arbeitnehmer mit gezählt werden, also: bei 60 AN bestehen 4 Teilzeitansprüche). Im einzelnen dazu bei Zeile 2391 ff.
  • (noch weiter) verminderte Flexibilität bei Abrufarbeit durch Ober- und Untergrenzen der Arbeitszeit (Zeile 2373 ff.)
  • Befristung mit Sachgrund maximal fünf Jahre (Zeile 2352), wobei Zeiten im ANÜ-Verhältnis angerechnet werden (Zeile 2360). Auch bei Sachgrundbefristungen soll ein Vorbeschäftigungsverbot gelten, wie aus der unbedingt lesenswerten Ausführung in Zeilen 2353 bis 2356 zu entnehmen ist. Ein erneutes befristetes Arbeitsverhältnis soll dann erst nach einer Unterbrechung von drei Jahren zulässig sein. Aber: es soll Ausnahmeregelungen für Künstler (Art. 5 GG) und Fußballer (Art. XX GG) geben (Zeile 2356)
  • Quantitative und zeitliche Einschränkungen der sachgrundlosen Befristung (siehe Zeile 2341 zur 2, 5 % Quote in Betrieben mit mehr als 75 Beschäftigten (einschließlich der Leiharbeitnehmer?, wohl nein),  die Quote ist auf den Zeitpunkt der letzten Einstellung ohne Sachgrund zu beziehen, was IT-Systeme bei richtiger Dateneingabe bestimmt genau benennen werden. Neue Höchstdauer für die sachgrundlose Befristung: 18 Monate und nur noch eine Verlängerung (Zeile 2348f.)
  • sowie vereinfachtes Wahlverfahren nach § 14a BetrVG zwingend in Betrieben bis 100 wahlberechtigte Arbeitnehmer (Zeile 2331) verbunden mit der Option in Betrieben zwischen 101 bis 200 Arbeitnehmern (Zeile 2333)
  • das Arbeitszeitgesetz kann bei tarifgebundenen Unternehmen durch weitere Tariföffnungsklausel flexibilisiert werden (Zeile 2366), was wir schon aus dem Weißbuch Arbeiten 4.0 kennen
  • das Statusfeststellungsverfahren für Selbständige soll vereinfacht werden und zwischen den unterschiedlichen Zweigen der Sozialversicherung widerspruchsfrei ausgestaltet werden (Zeile 1844)

Immerhin wird das Initiativrecht der Betriebsräte für Weiterbildung (§ 97 Abs. 2 BetrVG, von Schröder/Fischer 2001 ins BetrVG eingefügt) gestärkt (Zeile 2293).

Sicher ist, das der Koalitionsvertrag nichts wirklich Dynamisches zum Sprung in eine Arbeitswelt 4.0 sagt (siehe die Floskeln in Zeile 2413ff. im Allgemeinen und  2422 zum Arbeitsschutz), außer dass neue Geschäftsmodelle gefördert werden sollen und gleichzeitig die Tarifbindung gestärkt wird (Zeile 2328, wohl ein Hinweis auf § 12a TVG für Crowdworker). Gute Digitale Arbeit wird ferner im Titel Digitalisierung (S. 41, Zeile 1791 ff.) breit erörtert.

  • Hier wird es einen Auskunftsanspruch der AN gegenüber dem AG über die Entscheidungsgründe bei der Ablehnung mobiler Arbeit geben (Zeile 1827)
  • sowie Rechtssicherheit (siehe die Diskussion zum Arbeitgeber als TK-Anbieter i.S.v. § 3 Ziff. 6 TKG, § 88 TKG, dazu Tschöpe/Grimm, Arbeitsrecht Handbuch 10. Aufl. 2017, Teil 6 F, Rz. 121 ff.) für Arbeitgeber und Arbeitnehmer "im Umgang mit privat genutzter Firmentechnik"( Zeile 1830)
  • Beschäftigte sollen durch einen verbesserten Beschäftigtendatenschutz vor "dem gläsernen Mitarbeiter" (Zeile 1839) geschützt werden
  • Es soll Programme für Assistenzsysteme für kleinere und mittlere Unternehmen geben (Zeile 1835)

Bis auf letzteres sieht Zukunft m.E. anders aus, weil ganz erhebliche Auswirkungen der Digitalisierung auf Beschäftigung und Arbeitsmarkt zu befürchten sind (dazu die FAZ vom 2.2.2018).

PS: Bei grenzüberschreitender Verlagerung sollen die deutschen Vorschriften über die Mitbestimmung gesichert werden, Zeile 2337. Mal  sehen, was die EU dazu sagt.

Und: Wer hätte es gedacht: Das AÜG wird 2020 evaluiert (Zeile 2382).

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