01.11.2020

Der Sonderkündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten im Spannungsfeld von DSGVO und BDSG

Portrait von Alexander Lentz
Alexander Lentz

Blickt man auf die gesetzgeberischen Entwicklungen der letzten zweieinhalb Jahre zurück, unterlagen die Regelungen des BDSG zum Datenschutzbeauftragten mehreren Veränderungen. Mitte 2018 wurden zunächst im Zuge der DSGVO-Anpassungen die alten Regelungen des §§ 4f, 4g BDSG a.F. durch die §§ 5-7, 38 BDSG n.F. ersetzt. Ende 2019 kam es sodann zur Erhöhung des Schwellenwerts in § 38 BDSG von zehn auf mindestens zwanzig ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten Beschäftige.

 

Aktuelles Streitpotential in der Praxis

In der Praxis bieten diese Neuregelungen für den Fall der Abberufung und Kündigung eines Datenschutzbeauftragten durchaus einiges an Streitpotential.

Losgelöst von einem Streit über den Wegfall von Mitarbeitern und einem Absinken der Mitarbeiterzahl unter den Schwellenwert stellt sich in kleineren Einheiten nunmehr regelmäßig die Frage, wie genau sich die gesetzliche Erhöhung des Schwellenwerts auf einen bereits bestehenden Sonderkündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten auswirkt.

Weiterhin könnte in bestimmten Fallkonstellationen aus europarechtlicher Sicht fraglich sein, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Datenschutzbeauftragten in § 6 BDSG n.F. -in Anlehnung an den alten § 4f BDSG a.F.- überhaupt an strengere Voraussetzungen geknüpft werden kann, als dies in der DSGVO für die Abberufung in Art. 38 Abs. 3 S.2. DSGVO vorgesehen ist.

Auch wenn beide Fragen einstweilen zunächst noch nicht abschließend geklärt sind, bieten zwei aktuelle Entscheidungen für entsprechende Fallkonstellationen durchaus hilfreiche Hinweise.

 

LAG Hessen vom 12.08.2020- 6 Sa 107/20 zum Schwellenwert

Für Fälle, in denen die Parteien angesichts einer Verringerung der maßgeblichen Mitarbeiterzahl über den Schwellenwert streiten, enthält bspw. das Urteil des LAG Hessen vom 12.08.2020- 6 Sa 107/20 Hinweise über den Erklärungswert von Organigrammen und Mitteilungen an Aufsichtsbehörden. Beidem maß das Gericht keine Bedeutung bei. Vielmehr ging es davon aus, dass der Kläger in einer so kleinen Einheit das Ausscheiden von Beschäftigten bemerkt haben müsste. Hinzu kam, dass ihm bekannt war, dass wegfallende Stellen nicht nachbesetzt würden.

Die Entscheidung erging im Übrigen im Nachgang zu der Zurückverweisung durch das Urteil des 2. Senats des BAG vom 5.12.2019 - 2 AZR 223/19. Dort hatte der 2. Senat des BAG -noch zu § 4f BDSG a.F- entschieden, dass der Sonderkündigungsschutz mit Absinken der Beschäftigtenzahl unter den Schwellenwert automatisch endet und gleichzeitig der nachwirkende Sonderkündigungsschutz beginnt. Ein Ansatz, mit dem sich durchaus auch das eingangs skizzierte Problem der gesetzlichen Erhöhung lösen lassen könnte, wenn verfassungsrechtliche Erwägungen des Vertrauensschutzes einem sofortigen Wegfall entgegenstehen sollten.

 

Vorlagebeschluss des BAG vom 30. Juli 2020- 2 AZR 225/20 zum Verhältnis BDSG/DSGVO für den Fall einer Kündigung wegen Umstrukturierung

Mit Beschluss vom 30. Juli 2020- 2 AZR 225/20 hat der 2. Senat den eingangs skizzierten Konflikt zwischen § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG und Art. 38 Abs. 3 S.2 DSGVO dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt. Insoweit wird diese Frage also einstweilen offenbleiben.

Dem sich daran anschließenden Verfahren könnte für die arbeitsrechtliche Praxis jedoch eine weitaus größere Bedeutung zukommen, als es die Frage des Sonderkündigungsschutzes für einen Datenschutzbeauftragten zunächst vermuten lässt. Denn für den EuGH besteht in diesem Rahmen erstmalig die Möglichkeit, sich zu Art. 88 DSGVO und den dort eingeräumten Gestaltungsmöglichkeiten des nationalen Gesetzgebers im Beschäftigtendatenschutz im Verhältnis zum "one size fits all" Ansatz der übrigen Regelungen der DSGVO zu äußern. Dies gilt insbesondere für die in der Literatur sehr umstrittene Frage, inwieweit über Art. 88 DSGVO auch eine Erhöhung des Schutzniveaus der DSGVO, insbesondere per Betriebsvereinbarung, auf nationaler Ebene umgesetzt werden könnte.

Insoweit lohnt es sich daher in jedem Fall, die weitere Entwicklung dieses Falles in Luxemburg im Auge zu behalten.

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