15.04.2024

Die Einräumung eines digitalen Leserechts stellt eine ordnungsgemäße Vorlage der Bewerbungsunterlagen an den Betriebsrat dar

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Wolfgang Kleinebrink

Arbeitgeber haben gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ein Interesse daran, dass ihre beabsichtigten Einstellungen nicht am Widerstand des Betriebsrats scheitern, wenn sie die Möglichkeiten der Digitalisierung im Betrieb nutzen.

Stärke des Beteiligungsrechts des Betriebsrats bei Einstellungen

Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei geplanten Einstellungen durch den Arbeitgeber ist stark ausgeprägt. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber in Betrieben mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat u.a. vor jeder Einstellung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Bewerber zu geben; er hat den Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu unterrichten und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz mitzuteilen.

Der Betriebsrat hat das Recht, seine für die Einstellung erforderliche Zustimmung zu verweigern, wenn einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt und er die gesetzlich vorgeschriebenen Formalien einhält. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung beantragen. Er kann die Einstellung auch vorläufig vornehmen, wenn die Voraussetzungen des § 100 BetrVG vorliegen und er seinerseits die dort genannten Formvorschriften einhält. Auf diese Weise kann er eine Blockade seiner Entscheidung durch den Betriebsrat zumindest vorübergehend vermeiden (zu dieser häufig verkannten Strategie vgl. Kleinebrink, ArbRB 2015, 243).

Ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats als Voraussetzung für die gerichtliche Zustimmungsersetzung

Die gerichtliche Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG setzt eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats i.S.d. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG voraus. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die beabsichtigte personelle Einzelmaßnahme unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten. Erforderlich und ausreichend ist eine Unterrichtung, die den Betriebsrat in die Lage versetzt, anhand der mitgeteilten Tatsachen zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt. Bei Einstellungen sind nach § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrVG insbesondere der vorgesehene Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen.

Was heißt "Vorlage der erforderlichen Unterlagen"?

In Zeiten der Digitalisierung stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, wann ein Arbeitgeber dem Betriebsrat die Bewerbungsunterlagen ordnungsgemäß vorgelegt hat. Unstreitig bezieht sich die Vorlagepflicht auf alle Bewerberinnen und Bewerber und damit auch auf solche, die der Arbeitgeber abgelehnt hat (BAG, Beschl. v. 21.10.2014 - 1 ABR 10/13). Neben dem "Gegenstand" der Vorlagepflicht kommt es aber auch auf die Form an. Reicht es aus, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Möglichkeit einräumt, die Bewerbungsunterlagen in digitaler Form einzusehen, oder muss der Arbeitgeber die von den Bewerbern in digitaler Form eingereichten Unterlagen ausdrucken und dem Betriebsrat in Papierform zur Verfügung stellen?

Digitales Leserecht reicht nach Ansicht des BAG aus

Erfreulicherweise hat das BAG in einem soeben veröffentlichten Beschluss vom 13.12.2023 - 1 ABR 28/22 - einem Arbeitgeber, der das Bewerbungsverfahren für eine ausgeschriebene Stelle digital mit Hilfe eines Softwareprogramms durchführt, die Möglichkeit eingeräumt, dem Betriebsrat diese Unterlagen auch digital zur Verfügung zu stellen. Er genügt seiner Pflicht zur Vorlage der Bewerbungsunterlagen an den Betriebsrat, wenn er dessen Mitgliedern für die Dauer des Zustimmungsverfahrens nach § 99 Abs. 1 BetrVG ein - mittels eines zur Verfügung gestellten und jederzeit nutzbaren Laptops - Einsichtsrecht in die im Programm hinterlegten Bewerbungsunterlagen und die Möglichkeit zur Anfertigung von Notizen einräumt.

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