"Einfaches" Scheitern der Verhandlungen zwischen den Betriebsparteien genügt zur Anrufung der Einigungsstelle
Immer wieder wird diskutiert, ob es materielle Voraussetzungen gibt, bevor die Einigungsstelle nach § 98 ArbGG angerufen werden kann. Das LAG Hamm hat dies zu Recht in einem Beschluss vom 14.05.2014 (7 TaBV 21/14) verneint.
Im konkreten Fall hatte der Arbeitgeber über die beabsichtigte Betriebsänderung unterrichtet und den Entwurf eines Interessenausgleichs und Sozialplans vorgelegt. Nachdem der Betriebsrat einen Gegenentwurf gefertigt hatte, erklärte der Arbeitgeber nach 17 Tagen Verhandlung diese für gescheitert und rief die Einigungsstelle an. Fünf Tage später – man hatte sich betrieblich nicht über die Modalitäten der Einigungsstelle einigen können – stellte er den Antrag nach § 98 ArbGG. Der Betriebsrat hatte sich darauf berufen, dass während der innerbetrieblichen Verhandlungen nicht über den im Gerichtsverfahren beabsichtigten Regelungsgegenstand der Einigungsstelle verhandelt worden sei. Es mangele an einem Rechtsschutzbedürfnis zur Einrichtung der Einigungsstelle, weshalb der Antrag nach § 98 ArbGG unzulässig, jedenfalls unbegründet sei.
Das LAG stellt in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung anderer LAG’e (LAG Mainz v. 02.11.2012 – 9 TaBV 34/12; LAG Kiel v. 02.03.2011 – 3 TaBV 1/11) fest, dass das im Verfahren nach § 98 ArbGG angerufene Gericht nicht aufzuklären hat, ob gegebenenfalls noch Verhandlungsmöglichkeiten bestanden haben. Dies gelte auch dann, wenn eine Seite behaupte, der Regelungsgegenstand habe sich im Zeitablauf zwischen den betrieblichen Verhandlungen und dem gerichtlichen Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG verändert. Das Arbeitsgericht habe lediglich zu überprüfen, ob der Antrag auf Einrichtung der Einigungsstelle willkürlich und rechtsmissbräuchlich sei (Missbrauchskontrolle). Dieser begrenzte Prüfungsumfang ergebe sich aus § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG und § 2 Abs. 1 BetrVG. Schließlich sei die Einigungsstelle nach § 76 Abs. 1 Satz 1 BetrVG „bei Bedarf“ zu bilden.
Es läge in der – und dies ist ständige Rechtsprechung der letztinstanzlich zuständigen LAG‘e - subjektiven Entscheidungssphäre eines Betriebspartners, ob er einen Antrag auf Errichtung einer Einigungsstelle stelle oder nicht. Jede Betriebspartei könne aus ihrer subjektiven Sicht entscheiden und erklären, dass innerbetriebliche Verhandlungen gescheitert seien. Es mache keinen Sinn, innerbetriebliche Verhandlungen zu führen, wenn diese nicht erfolgversprechend seien.
Der Beschluss des LAG Hamm stellt damit klar, dass weder die eine noch die andere Seite den jeweiligen Verhandlungspartner durch Verzögerungstaktiken von der Anrufung der Einigungsstelle abhalten kann, auch wenn die zeitliche Verhandlungsdauer kurz war.
Eine Anmerkung noch zum Schluss: Das bisherige Verfahren nach § 98 ArbGG („98’er-Verfahren“) ist seit dem 16.08.2014 in § 99 ArbGG geregelt. Es handelt sich um eine Folgeänderung im Gesetzgebungsverfahren zum Mindestlohnrecht. Das muss man sich merken.