"Einrichtungsbezogene Impfpflicht" - Was gilt ab Mitte März und welche (arbeitsrechtlichen) Konsequenzen drohen?
Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Musterverfahren den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf die vorläufige Aussetzung der sog. einrichtungsbezogenen Impflicht, am 10. Februar 2022 abgelehnt. § 20a des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) bleibt daher bis auf Weiteres in Kraft. Ab dem 15. März 2022 müssen Personen, die in bestimmten Einrichtungen des Gesundheitswesens tätig sind, entweder geimpft oder genesen sein. Ausgenommen sind Personen, die aufgrund einer „medizinischen Kontraindikation“ nicht geimpft werden können.
Erfasste Einrichtungen
Von der Regelung betroffen sind insbesondere Krankenhäuser und Tageskliniken, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, Arzt- und Zahnarztpraxen, Rettungsdienste, Einrichtungen zur Betreuung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen sowie ambulante Pflegeeinrichtungen und -dienste.
Eine detaillierte Aufzählung findet sich in § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 IfSG. Außerdem hat das Bundesgesundheitsministerium eine ausführliche „Handreichung“ veröffentlicht, in der sich weitere Hinweise zu den erfassten Einrichtungen und zur Handhabung der gesetzlichen Regelung insgesamt finden. Diese ist am 16. Februar 2022 in einer überarbeiteten Fassung erschienen und kann hier abgerufen werden.
Erfasster Personenkreis
Von der Regelung erfasst werden alle Personen, die in der Klinik tätig sind. Nach der Gesetzesbegründung kommt es auf die Art der Beschäftigung nicht an. Erfasst sind also neben dem medizinischen und pflegerischen Personal z.B. auch Hausmeister, Transport-, Küchen- und Reinigungspersonal.
Es kommt ferner nicht darauf an, ob ein Arbeitsverhältnis besteht. Auch Auszubildende/Studierende, ehrenamtlich Tätige, freie Mitarbeiter und Arbeitnehmer externer Dienstleister werden erfasst. Ausgenommen sind lediglich Personen, die sich jeweils nur wenige Minuten in der Klinik aufhalten, z.B. Lieferfahrer, Postboten o.ä., sowie die Patienten der Klinik (§ 20a Abs. 6 IfSG).
Es ist grundsätzlich nicht erforderlich, dass unmittelbarer Kontakt zu vulnerablen Personen, z.B. Patienten einer Einrichtung, besteht. Nach dem Gesetzeswortlaut ist es ausreichend, dass die Personen in der Einrichtung bzw. dem Unternehmen „tätig“ sind. Gemäß einer Handreichung des Bundesgesundheitsministeriums sollen lediglich solche Personen von der Nachweispflicht ausgenommen sein, bei denen jeglicher Kontakt zu den gefährdeten Personengruppen wegen des Charakters der ausgeübten Tätigkeit sicher ausgeschlossen werden kann. Das soll z.B. bei Verwaltungsmitarbeitern der Fall sein, die in räumlich abgetrennten Gebäudeteilen arbeiten. Halten sich diese Mitarbeiter sich zumindest gelegentlich in denselben Bereichen auf wie die durch das Gesetz zu schützenden Personen (Patienten etc.), dürften auch sie zur Vorlage eines Nachweises verpflichtet sein.
Pflicht zur Vorlage eines Impfnachweises / Genesenennachweises / ärztlichen Zeugnisses über Impfbefreiung
Die von der Nachweispflicht erfassten Personen müssen der Leitung der jeweiligen Einrichtung bis spätestens zum 15.03.2022 einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder ein ärztliches Zeugnis darüber, dass sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können, vorlegen.
Die Begriffe „Impfnachweis“ und „Genesenennachweis“ sind in der sog. COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung (SchAusnahmV) definiert.
- Impfnachweis
Ein Impfnachweis gem. § 2 Nr. 3 SchAusnahmV ist der in verkörperter oder digitaler Form erbrachte Nachweis über das Vorliegen eines vollständigen Impfschutzes in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache. Der Nachweis kann also z.B. durch Vorlage des Impfpasses oder Vorzeigen des Status in der Corona-Warn-App erbracht werden.
Voraussetzung ist (derzeit), dass die vom Paul-Ehrlich-Institut im Benehmen mit dem Robert-Koch-Institut unter www.pei.de/impfstoffe/covid-19 veröffentlichten Vorgaben bzgl. verwendeter Impfstoffe, erforderlicher Anzahl an Einzelimpfungen, erforderlicher Auffrischungsimpfungen und Intervallzeiten eingehalten sind. Die Anforderungen können sich also fortlaufend ändern.
Derzeit reichen zwei Einzelimpfungen mit den Impfstoffen von Biontech, Moderna, AstraZeneca und Johnson & Johnson, auch, wenn diese kombiniert wurden. Zusätzlich ist die Intervallzeit von 14 Tagen nach der zweiten Impfung abzuwarten, um den vollständigen Impfschutz zu erlangen.
Auf der Seite des Paul-Ehrlich-Instituts finden sich zudem drei Ausnahmen von dem Erfordernis von zwei Einzelimpfungen für Personen, die vor oder nach der Impfung eine Corona-Infektion durchgemacht haben oder einen positiven Antikörpertest nachweisen können.
Zu Auffrischungsimpfungen („Booster“) und entsprechenden Intervallzeiten finden sich noch keine Angaben. Der Nachweis einer Booster-Impfung ist daher nach jetzigem Stand nicht erforderlich.
- Genesenennachweis
Ein Genesenennachweis gem. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV ist der in verkörperter oder digitaler Form erbrachte Nachweis über das Vorliegen eines durch vorherige Infektion erworbenen Immunschutzes in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache. Auch hier ist eine Vorlage in „Papierform“ oder per App möglich.
Voraussetzung ist, dass die vom Robert-Koch-Institut unter www.rki.de/covid-19-genesenennachweis veröffentlichten Vorgaben eingehalten sind:
- Die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion muss durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt sein.
- Das Datum der Abnahme des positiven Tests muss mindestens 28 Tage zurückliegen.
- Das Datum der Abnahme des positiven Tests darf höchstens 90 Tage zurückliegen.
Genesene Personen, bei denen der positive Test mehr als 90 Tage zurückliegt, gelten somit nicht mehr als genesen und benötigen daher zusätzlich eine Impfung. Sie gelten ab dem Tag der verabreichten Dosis (nicht erst nach 14 Tagen) als vollständig geimpft (zu diesen Sonderfällen: www.pei.de/impfstoffe/covid-19).
Folgen bei Nichtvorlage eines Nachweises / Zweifeln an der Echtheit / Richtigkeit
Wird ein Nachweis bis zum 15.03.2022 nicht vorgelegt oder bestehen Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises, hat die Klinikleitung unverzüglich das zuständige Gesundheitsamt zu benachrichtigen und folgende personenbezogene Daten der betroffenen Person zu übermitteln:
- Name, Vorname
- Geschlecht
- Geburtsdatum
- Anschrift der Hauptwohnung oder des gewöhnlichen/derzeitigen Aufenthaltsorts
- Telefonnummer (wenn vorhanden)
- E-Mail-Adresse (wenn vorhanden)
Das Gesundheitsamt wird die betroffene Person sodann noch einmal unter Fristsetzung zur Vorlage eines Nachweises auffordern. Bestehen Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des ärztlichen Zeugnisses über eine medizinische Kontraindikation, kann das Gesundheitsamt eine ärztliche Untersuchung dazu anordnen, ob die betroffene Person aufgrund medizinischer Gründe nicht geimpft werden kann.
Personen, die trotz Aufforderung keinen Nachweis vorlegen oder der Anordnung der ärztlichen Untersuchung nicht Folge leisten, kann das Gesundheitsamt das Betreten der Klinik bzw. die Tätigkeit in der Klinik untersagen. Hierbei handelt es sich allerdings um eine einzelfallbezogene Ermessensentscheidung des Gesundheitsamts. Dabei könnte z.B. auch berücksichtigt werden, ob es durch Tätigkeitsverbote zu Personalengpässen kommt oder ob die betroffene Person überhaupt direkten Kontakt zu gefährdeten Personen hat (, wenn diese nicht ohnehin schon von den in der Einrichtung „tätigen“ Personen ausgenommen ist, s.o.). Denkbar ist ferner, dass die Gesundheitsämter von Tätigkeitsverboten absehen, wenn Arbeitnehmer bereits einmal geimpft sind und die Erlangung des vollständigen Impfschutzes somit relativ kurz bevorsteht. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Gesundheitsämter hier positionieren und ob diese angesichts der voraussichtlich eintretenden Arbeitsüberlastung überhaupt „hinterherkommen“ werden.
Neben einem Zutritts- oder Tätigkeitsverbot können die Gesundheitsämter Bußgelder bis zu 2.500,00 Euro verhängen (§ 73 Abs. 1a Nr. 7h, Abs. 2 IfSG). Auch hierbei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Es ist davon auszugehen, dass der Bußgeldrahmen in den seltensten Fällen ausgeschöpft werden wird.
Arbeitsrechtliche Konsequenzen
Wird Arbeitnehmern die Tätigkeit in der Einrichtung untersagt, entfällt grundsätzlich die Pflicht zur Lohnzahlung für den Zeitraum der Untersagung. Das stellt die Gesetzesbegründung ausdrücklich klar. Das Verbot bezieht sich allerdings nur auf die Tätigkeit „in“ der Einrichtung. Ist eine Beschäftigung im Homeoffice möglich und bieten Arbeitgeber eine solche nicht an, laufen sie Gefahr, sich Annahmeverzugs- bzw. Schadensersatzansprüchen der Arbeitnehmer auszusetzen.
Bis zu einer Untersagungsverfügung des Gesundheitsamts ist der jeweilige Arbeitnehmer grundsätzlich weiterzubeschäftigen, natürlich unter Einhaltung der ohnehin geltenden 3G-Regel am Arbeitsplatz. Das Bundesgesundheitsministerium hat in der neuesten Fassung seiner Handreichung klargestellt, dass die öffentlich-rechtliche Vorschrift des § 20a IfSG kein Recht des Arbeitgebers zur Freistellung begründet.
Ob weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen zulässig sind, ist im Einzelfall zu prüfen. Hier ist zu unterscheiden: Weigert sich der Arbeitnehmer schlicht, einen Nachweis vorzulegen, verstößt er gegen seine vertragliche Nebenpflicht zur Mitwirkung aus § 241 Abs. 2 BGB. Dies berechtigt den Arbeitgeber zur Abmahnung. Lehnt der Arbeitnehmer trotz der Abmahnung die Vorlage eines Nachweises ohne Begründung ab, kommt eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht.
Ist der Arbeitnehmer nicht zur Vorlage eines Nachweises in der Lage, weil er einen solchen nicht besitzt, dürften Abmahnung und verhaltensbedingte Kündigung regelmäßig nicht in Betracht kommen. Gegen die Zulässigkeit spricht etwa der Umstand, dass § 20a IfSG als Rechtsfolge das Tätigkeitsverbot vorsieht, das zum Entfallen der Lohnzahlungspflicht führt. Wenn ein Arbeitnehmer eine Impfung endgültig verweigert, kommt allerdings grundsätzlich eine personenbedingte Kündigung in Betracht, da dieser dauerhaft nicht mehr in der Einrichtung eingesetzt werden kann. Allerdings soll die Impfpflicht zunächst nur bis zum 31.12.2022 gelten. Danach könnte der sich weigernde Arbeitnehmer wieder eingesetzt werden; bis dahin schuldet der Arbeitgeber keine Vergütung. Ob die Arbeitsgerichte vor diesem Hintergrund eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zulassen würden, ist fraglich. Dies gilt erst recht, wenn die für den Arbeitnehmer geltende Kündigungsfrist den 31.12.2022 überdauert.
Eine außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn Arbeitnehmer gefälschte Nachweise vorlegen. § 20a IfSG verfolgt den Zweck, besonders vulnerable Personen vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen. Legen Arbeitnehmer gefälschte Impf-, Genesenen- oder Befreiungsnachweise vor, täuschen sie nicht nur ihrem Arbeitgeber falsche Tatsachen vor, sondern nehmen auch eine Gefährdung der besonders zu schützenden Personen billigend in Kauf. Dies begründet einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung.
Umgang mit neu eintretenden Arbeitnehmern
Ab dem 16.03.2022 dürfen keine neuen Arbeitnehmer mehr in Einrichtungen gem. § 20a Abs. 1 IfSG tätig werden, die über keinen Impf- oder Genesenennachweis bzw. ein ärztliches Zeugnis über eine Impfbefreiung verfügen (§ 20a Abs. 3 IfSG). Arbeitgebern ist daher dringend zu raten, nur noch Arbeitsverträge mit Personen abzuschließen, die über einen entsprechenden Nachweis verfügen und diesen vorgelegt haben.
Ist dies versäumt worden, kommt eine Probezeitkündigung in Betracht. Verträge, die jetzt bereits abgeschlossen sind, können auch schon vor deren Invollzugsetzung – unter Einhaltung der für die Probezeit vorgesehenen Kündigungsfrist – gekündigt werden.
Ablauf der Nachweise nach dem 15.03.2022
Wenn Nachweise nach dem 15.03.2022 aufgrund Zeitablaufs ihre Gültigkeit verlieren (etwa, weil der Genesenenstatus nach 90 Tagen abgelaufen ist oder eine Auffrischungsimpfung erforderlich ist), müssen die betroffenen Arbeitnehmer von sich aus der Leitung der Einrichtung innerhalb eines Monats nach Ablauf der Gültigkeit des bisherigen Nachweises einen neuen Nachweis vorlegen. Unterlassen sie dies oder bestehen Zweifel an der Echtheit bzw. inhaltlichen Richtigkeit des Nachweises, ist wiederum das Gesundheitsamt zu informieren.
Einrichtungen, die von der Regelung in § 20a IfSG betroffen sind, sollten spätestens jetzt handeln und die bei ihr tätigen Personen auffordern, einen Impf-, Genesenen- oder Befreiungsnachweis vorzulegen. Ein Hinweis auf die Rechtsfolgen bei Fehlen eines Nachweises könnte den einen oder anderen Arbeitnehmer noch dazu bewegen, sich impfen zu lassen.
Leider bleibt es den Einrichtungen derzeit nicht erspart, regelmäßig auf den Seiten des Paul-Ehrlich-Instituts (www.pei.de/impfstoffe/covid-19) und Robert-Koch-Instituts (www.rki.de/covid-19-genesenennachweis) nachzusehen, welche Anforderungen aktuell an Impf- bzw. Genesenennachweise gestellt werden. Ob es bei dieser Verweisungstechnik in der SchAusnahmV bleibt, ist fraglich. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat jüngst verlautbaren lassen, jedenfalls über den Genesenenstatus zukünftig wieder selbst entscheiden zu wollen. Vermutlich werden die Definitionen daher schon bald wieder direkt in der SchAusnamV zu finden sein. Im Übrigen hatte auch das Bundesverfassungsgericht die vom Gesetzgeber in § 20a IfSG gewählte Regelungstechnik – doppelte dynamische Verweisung zunächst in die SchAusnahmV und dann auf die Internetseiten des PEI bzw. RKI – kritisiert.