18.09.2012

Empfangsboten und Kündigungszugang

Portrait von Detlef Grimm
Detlef Grimm

Ein klassisches praktisches Problem ist das der Sicherstellung des Zugangs einer Kündigung. Folgender Fall hat meinen Schreibtisch gestern beschäftigt: Der zur Zustellung einer außerordentlichen Kündigung wegen Konkurrenztätigkeit bzw. Aufbau eines eigenen Unternehmens eingeschaltete Kurierdienst berichtet gegen 14.30 Uhr, am Einfamilienhaus des zu kündigenden Arbeitnehmers sei der Briefkasten wegen einer Umbaumaßnahme abgebaut. Der Briefkasten habe sich an einem Tor zum Grundstück befunden, das vom Bauunternehmen gerade abgebaut worden sei. Am Hause selbst befindet sich kein Briefkasten. Man habe aber die 14jährige Tochter angetroffen und ihr die Kündigung übergeben.

Zugang?

Zugegangen ist die Willenserklärung unter Abwesenden, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Bei der Übergabe einer etwa durch Brief verkörperten Widererklärung kann es genügen, dass der Erklärende den Brief einem Empfangsboten des Adressaten, der mit einer entsprechenden Empfangsermächtigung ausgestattet ist, übergeben wird. Das setzt nach der Verkehrssitte voraus, dass sich diese Person im Machtbereich des Empfängers befindet und aufgrund ihrer Reife und Fähigkeiten dazu im Stande ist, die verkörperte Willenserklärung weiterzugeben. An die Fähigkeiten der Empfangsboten sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Leben Ehegatten in einer gemeinsamen Wohnung und sind sie deshalb nach der Verkehrsanschauung füreinander als Empfangsboten anzusehen, gelangt eine an einen der Ehegatten gerichtete Willenserklärung auch dann in den Macht- und Zugriffsbereich, wenn sie dem anderen Ehegatten außerhalb der Wohnung – etwa in einem Baumarkt – übermittelt wird (so das BAG, 19.06.2011 – 6 AZR 687/09 = ArbRB 2011, 228 [Braun]). Bei einem Kind, das überhaupt nicht nach seiner Lebenserfahrung mit der Bedeutung von Schriftstücken vertraut ist, wird man dies nach Reife und rechtsgeschäftlicher Erfahrung nicht annehmen können. Das spricht dagegen, von einem Zugang ausgehen zu können.

Was bleibt: Das LAG Düsseldorf hat es für den Fall, dass ein Haus mit mehreren Mietparteien über keine Briefkästen verfügt, genügen lassen, wenn die Postzustellung durch einen Einwurf in den dafür vorgesehenen Briefschlitz der Haustür eingeworfen wird (LAG Düsseldorf, 19.09.2000 – 16 Sa 925/00). Ob das alle ArbG'e so sehen, ist nicht unzweifelhaft.

Findet sich diese Möglichkeit nicht, scheidet die Wiederholung des Zustellungsversuches per Boten oder die Übersendung per Post aus. Einzig sicherer Weg ist die der Ersatzzustellung. Nach § 132 Abs. 1 BGB gilt die Kündigungserklärung als zugegangen, wenn sie durch die Vermittlung eines Gerichtsvollziehers zugestellt worden ist. Die Zustellung erfolgt nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (so § 132 Abs. 1 Satz 2 BGB, der auf die §§ 191 bis 194, 170 ff., 177 bis 172 ZPO verweist). Wichtig: Nach § 194 Abs. 2 Satz 1 ZPO übergibt die Partei dem örtlich zuständigen Gerichtsvollzieher das Schriftstück mit den erforderlichen Abschriften im Original. Örtlich zuständig ist der Gerichtsvollzieher, in dessen Bezirk die Zustellung auszuführen ist. Das ist der Wohnort oder Sitz des Zustellungsadressaten (= des zu kündigenden Arbeitnehmers), auch wenn die Zustellung selbst durch die Post stattfindet (§ 194 ZPO).

 Alles andere erscheint mir als wenig sicher, was meinen Sie?

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