10.05.2018

Entrüstung über die Entfristungspraxis - die Post AG (k)ein Vorbild?

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Axel Groeger

Die Post AG ist seit einigen Tagen in den Schlagzeilen. Auslöser ist, dass sie bei der Entscheidung, ob Beschäftigte von einem befristeten Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes übernommen werden, auch auf krankheitsbedingte Fehltage während des befristeten Arbeitsverhältnisses abstellen soll. Was ist von dieser Kritik zu halten?

Rechtspolitisch ist die Befristung von Arbeitsverhältnissen aufgrund der Koalitionsvereinbarung einmal mehr in die Defensive geraten. Auch diese de lege ferenda zu führende Diskussion ist interessant, hier geht es jedoch nur um die Beurteilung de lege lata. Man könnte an eine unzulässige Maßregelung im Sinne von § 612 a BGB denken. Auch das Vorenthalten von Vorteilen kann eine Benachteiligung in diesem Sinne darstellen. Und ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ist im Vergleich zu einem befristeten Arbeitsvertrag sicher vorteilhafter. Nur übt ein Arbeitnehmer ein Recht aus, wenn er arbeitsunfähig ist? Wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer droht, ihm zu kündigen, wenn der Arbeitnehmer nicht - trotz Arbeitsunfähigkeit - zur Arbeit erscheint, und tatsächlich unmittelbar, nachdem der Arbeitnehmer sich geweigert hat, die Arbeit aufzunehmen, kündigt, indiziert dies eine Maßregelung im Sinne von § 612 a BGB (BAG vom 23.4.2009 - 6 AZR 189/08, ArbRB Online; HWK/Thüsing, § 612 a BGB Rn. 13). Um derartige Sachverhalte geht es bei der Post ersichtlich nicht.

§ 4 a EFZG erlaubt in gewissem Maße die Kürzung von Sonderzahlungen im Hinblick auf krankheitsbedingte Fehlzeiten. Die Rechtsordnung steht damit Nachteilen, die auf arbeitsunfähigkeitsbedingte Fehlzeiten zurückzuführen sind, nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. Auch die Möglichkeit krankheitsbedingter Kündigungen ist allgemein anerkannt. Warum also sollte ein Arbeitgeber bei einer Entscheidung über die Fortsetzung eines befristeten Arbeitsvertrages auf unbestimmte Zeit nicht auch bisherige Fehlzeiten in eine Zukunftsprognose einbeziehen dürfen? Das BAG hat immerhin auch entschieden, dass die Entscheidung, einen nach § 14 Abs. 2 TzBFG befristeten Arbeitsvertrag zu verlängern oder nicht, grundsätzlich keiner Begründung des Arbeitgebers bedarf. Insoweit genießt der Schutz der Vertragsfreiheit Vorrang vor dem Befristungsrecht (BAG vom 13.8.2008 - 7 AZR 513/07, ArbRB Online).

Nun ist an der Post AG mittelbar die Bundesrepublik Deutschland beteiligt mit der Folge, dass man meinen könnte, dass sie sich nicht auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit berufen kann. Ob sich ein mehrheitlich im Besitz einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft befindliches Unternehmen auf Grundrechte berufen kann, soll hier nicht weiter problematisiert werden; der Grundsatz der Vertragsfreiheit, wozu auch die Vertragsabschlussfreiheit gehört (HWK/Lembke, § 105 GewO Rn. 1), ist einfach rechtlich in § 105 Satz 1 GewO verankert. Im Übrigen sind gerade öffentliche Arbeitgeber nicht ganz so frei, sondern an Art. 33 Abs. 2 GG gebunden. Zur Eignung gehört dabei auch die gesundheitliche Eignung. Insoweit spielen die körperliche und die seelische Belastbarkeit eine Rolle. Die Reichweite dieser Vorschrift im Hinblick auf die privatrechtlich organisierte Verwaltung oder auf Unternehmen, an denen öffentlich-rechtliche Körperschaften mehrheitlich beteiligt sind, mag man problematisieren, das Prinzip der Bestenauslese sollte man akzeptieren. Fraglich ist dann, ob sich der öffentliche Arbeitgeber mit einer Prüfung bescheiden muss, ob die/der Beschäftigte grundsätzlich für die vorgesehene Tätigkeit gesundheitlich geeignet ist oder ob er unter mehreren grundsätzlich geeigneten Bewerbern weiter differenzieren darf – oder möglicherweise sogar muss, wenn dies am Ende das einzige unterscheidende Merkmal unter mehreren gleich geeigneten Bewerberinnen/Bewerbern ist.

Es ist daher nicht ganz nachvollziehbar, dass der Bundesfinanzminister, immerhin selbst Fachanwalt für Arbeitsrecht, in einer Talkshow geäußert haben soll, dass die vom Bund gestellten Aufsichtsratsmitglieder der Post AG die Praxis kritisch überprüfen würden. Was in einer im Fokus der Öffentlichkeit stehenden, nicht zum Geschäftsbereich des BMF gehörenden großen Bundesbehörde in den letzten Monaten in aufwändigen Verfahren durchgeführt wurde, nämlich die Überführung befristeter Arbeitsverträge in unbefristete nach dem Prinzip der Bestenauslese, wozu sicher nicht nur, aber auch eine Prognose über die gesundheitliche Eignung gehört, sollte bei der Post AG jedenfalls nicht im Grundsatz in die Kritik geraten. Negative Auswüchse einer grundsätzlich billigenswerten Praxis sollen und dürfen selbstverständlich kritisiert werden.

RA FAArbR Axel Groeger, Bonn www.redeker.de

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