05.06.2013

Freiwillig ist nicht freiwillig

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Martin Reufels

Arbeitsrechtler wissen: Freiwillig bedeutet nicht, daß auf die Leistung kein vertraglicher Rechtsanspruch bestehen kann.

Zwei aktuelle Urteile des Bundesarbeitsgerichts bestätigen einmal mehr, dass bei der Aufnahme von Freiwilligkeitsvorbehalten in Arbeitsverträgen Vorsicht geboten ist.

Durch die Aufnahme eines Freiwilligkeitsvorbehaltes in einen Arbeitsvertrag kann der Arbeitgeber einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf Sonderzahlungen ausschließen und sich die Entscheidung vorbehalten, ob und in welcher Höhe er zukünftig Sonderzahlungen vornimmt.  Wird ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt in einen vorformulierten Arbeitsvertrag aufgenommen, ist er zulässig und wirksam, wenn die Formulierung eindeutig ist. Das bedeutet, dass ein durchschnittlicher Vertragspartner die Formulierung nur auf eine Art und Weise verstehen kann und sie ihm so klar und verständlich ist, dass er seine Rechte auf der Grundlage durchsetzen kann (vgl. bspw. BAG Urteil vom 24. 10. 2007 - 10 AZR 825/06, ArbRB online).

Handelt es sich bei dem Freiwilligkeitsvorbehalt um eine vorformulierte Vertragsbedingung, unterliegt sie der AGB-Kontrolle.  Wird sie nicht klar und verständlich formuliert, ist sie nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Als Konsequenz besteht eine unbedingte Verpflichtung des Arbeitgebers, die ursprünglich unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellte Leistung zu gewähren. Zweifel gehen zu Lasten des Verwenders (§ 305 c Abs. 2 BGB)

Die Problematik der exakten Wortwahl wird am BAG Urteil vom 17.04.2013 - 10 AZR 281/12 - deutlich. Folgender Vertragsbestandteil lag dem Urteil zugrunde:

„Die Zahlung eines 13. Gehalts ist eine freiwillige Leistung der Firma, die anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann.“

Das BAG war der Auffassung, dass die Klausel mehrdeutig ist. Der Begriff der Freiwilligkeit könne hier zum einen so ausgelegt werden, dass eine bisher nicht kraft Gesetzes, Betriebsvereinbarung oder Traifvertragss bestehende Verpflichtung vertraglich (aber verbindlich) „freiwillig“ geschaffen werde. Diese Auslegung würde dazu führen, dass ein vertraglicher Anspruch auf die Zahlung eines 13. Gehalts bestehe. Zum anderen könne er auch so verstanden werden, dass das 13. Gehalt „freiwillig“ gezahlt werde und damit der Arbeitgeber jedes Jahr über die Höhe und das Ob der Zahlung neu entscheiden könne. Aufgrund der Mehrdeutigkeit müsse die Klausel als unbedingter Anspruch zu Lasten des Arbeitgebers nach § 305 Abs. 2 BGB ausgelegt werden.

Über eine weitere Vertragsregelung hatte das BAG am 20.02.2013 - 10 AZR 177/12 – zu entscheiden:

„§ 5 Urlaub/Freiwillige Sozialleistungen: […]Freiwillige Soziale Leistungen richten sich nach dem betriebsüblichen Rahmen. Zur Zeit werden gewährt: […]Weihnachtgeld in Höhe von (zeitanteilig) 40 % eines Monatsgehalts im ersten Kalenderjahr der Beschäftigung. Es erhöht sich pro weiterem Kalenderjahr um jeweils 10 % bis zu 100 % eines Monatsgehalts. […]Die Zahlung der betrieblichen Sondervergütungen (Weihnachtsgratifikation […]) erfolgt in jedem Einzelfall freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft.“

Das BAG entschied, dass auch hier nicht eindeutig zum Ausdruck komme, dass ein „freiwilliges Weihnachtsgeld“ gezahlt werden solle. Es könne auch hier die Begründung einer „freiwilligen vertraglichen Verpflichtung“ gewollt sein. Der Ausdruck „zur Zeit werden gewährt“ müsse nicht auf eine derzeitig gewährte freiwillige Zahlung Bezug nehmen, sondern könne ebenfalls auf die konkrete Höhe der Zahlung hinweisen. Gegen eine nicht vertraglich fest gewährte freiwillige Zahlung spreche zudem, dass die Höhe der Leistung präzise mit einem Erhöhungsfaktor für jedes Beschäftigungsjahr festgelegt worden sei. Da ebenso eine Auslegung möglich sei, die für die Zahlung eines „freiwilligen Weihnachtsgelds“ spreche, sei die Klausel auch hier zu Lasten des Arbeitgebers nach § 305 Abs. 2 BGB auszulegen.

Dem stehe nicht die Formulierung entgegen, dass die Sondervergütung in jedem Einzelfall freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft gezahlt werde. Die Bestimmung stehe im Widerspruch zu dem gewährten Anspruch auf ein Weihnachtsgeld und könne dazu führen, dass der Arbeitnehmer wegen der unklar abgefassten Vertragsbedingung seine Rechte nicht wahrnehme. Dies führe dazu, dass die Regelung nach § 307 Abs. 1 Satz 2, 306 Abs. 1 BGB als nicht klar und verständlich ersatzlos wegfalle.

Ein vom Arbeitgeber zusätzlich mit jeder Zahlung übergebenes Schreiben - welches ebenso auf die Freiwilligkeit der Leistung, auf die kein Rechtsanspruch bestehe,  hingewiesen habe - lasse die Rechtspflicht nicht entfallen. Der vertragliche Anspruch könne nicht aufgrund einer späteren einseitigen Erklärung des Arbeitgebers beseitigt werden.

Beide Urteile verdeutlichen, dass die Formulierung von Freiwilligkeitsvobehalten nicht ganz einfach ist. Man muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass keine vertragliche Verpflichtung begründet werden soll und darf dies nicht durch andere Regelungsbestandteile und Aussagen konterkarieren.

M.Reufels /C. Lohölter 

 

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