Gewinnung von Fachkräften: Vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten bei Probezeit und Wartezeit
Arbeitgebern fällt es zunehmend schwer, gute Mitarbeiter zu bekommen. Ursache hierfür ist unter anderem die demografische Entwicklung und der allgemeine Fachkräftemangel. Eine Möglichkeit für einen Arbeitgeber, Bewerber davon zu überzeugen, eine Tätigkeit bei ihnen aufzunehmen und unter Umständen den bisherigen Arbeitgeber zu verlassen, besteht darin, dem Bewerber bei der Gestaltung des Arbeitsvertrages entgegenzukommen und einen erhöhten Kündigungsschutz zu begründen.
Nicht empfehlenswert ist es, generell das Recht des Arbeitgebers auszuschließen, dem zukünftigen Arbeitnehmer fristgerecht kündigen zu können. In diesem Fall wäre nur noch eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB möglich, deren Voraussetzungen nur selten vorliegen. Bei einer derartigen Vertragsgestaltung würde folglich der Arbeitgeber ein erhebliches Kündigungsrisiko tragen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der "Olympiasieger von heute" später als "Schlechtleister von morgen" herausstellt.
Überlegt werden sollten stattdessen verschiedene andere vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten.
Bedenkt man, dass einem Arbeitnehmer bei einem neuen Arbeitgeber nach § 1 KSchG innerhalb der ersten sechs Monate kein Kündigungsschutz gegen fristgerechte Kündigungen von Seiten des Arbeitgebers zusteht, könnte es ein Anreiz für den Bewerber sein, wenn man ihm diesen Kündigungsschutz früher oder sogar bereits von Beginn des Arbeitsverhältnisses an gewährt. Der Arbeitgeber würde in diesem Fall ganz oder teilweise auf die ihm durch das Gesetz eingeräumte Wartezeit verzichten.
Ein solcher vertraglicher Schutz ist für einen Bewerber insbesondere dann auch reizvoll, wenn das Unternehmen unter die Kleinbetriebsklausel des § 23 KSchG fällt. Solange ein Unternehmen die in dieser Vorschrift genannte Mitarbeiterzahl nicht erreicht, erwirbt ein Mitarbeiter unabhängig von der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit keinen Schutz gegen eine ordentliche Kündigung des Arbeitgebers.
Außerdem könnte angedacht werden, auf die vertragliche Probezeit zu verzichten. Diese hat ohnehin nur den Sinn, die Kündigungsfristen sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer zu verkürzen. Sie darf daher nicht mit der soeben erwähnten Wartezeit nach § 1 KSchG verwechselt werden. Bevorzugt ein Arbeitgeber diese Gestaltungsmöglichkeit, sollte er allerdings ausdrücklich darauf hinweisen, dass trotz Verzichts auf eine solche Probezeit die nach § 1 KSchG gesetzlich vorgegebene Wartezeit unberührt bleibt, wenn er auf diese nicht ebenfalls verzichten will.
Ferner ist denkbar, auf einzelne Kündigungsgründe zeitlich unbegrenzt oder zeitlich begrenzt arbeitsvertraglich zu verzichten. Denkbar ist zum Beispiel, für eine bestimmte Zeit betriebsbedingte Kündigungen vertraglich auszuschließen.
Möglich ist auch, die zulasten des Arbeitgebers geltenden Kündigungsfristen im Vergleich zu den gesetzlichen – oder tarifvertragliche – Regelungen zu verlängern. Dies bietet einem Arbeitnehmer bei einer arbeitgeberseitigen Kündigung die Gewähr, dass er sich noch länger aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus bewerben kann.
Diese Gestaltungsmöglichkeiten sind nicht abschließend. Sie zeigen aber bereits, dass neben finanziellen Anreizen auch vertragliche Strategien in Betracht kommen, um für einen Bewerber die Vertragsunterzeichnung attraktiv zu machen.
Hinweis der Redaktion: Mehr zum Thema: Preedy, Moderne Arbeitsverträge trotz erweiterter Nachweispflichten?! Über die Chancen und Risiken smarter Arbeitsvertragsgestaltung, ArbRB 2022, 317.